Antrag auf Anerkennung bleibt monatelang liegen - Behörde versichert: Das ist nicht die Regel
Beim Amt brauchen Behinderte viel Geduld: Antrag auf Anerkennung bleibt monatelang liegen
Der Schwerbehindertenausweis kann Betroffenen Wege verkürzen und Möglichkeiten der Unterstützung ebnen – doch auf die Anerkennung müssen Menschen in Rheinland-Pfalz derzeit sehr lang warten. So war es zumindest im Fall einer Leserin. Ist das die Regel?
blende11.photo - stock.adobe.com

Wer als schwerbehindert anerkannt werden will, braucht nicht nur wegen seiner gesundheitlichen Leiden starke Nerven und viel Geduld. Denn das Anerkennungsverfahren beim Landesamt für Soziales dauert Monate. Eine lange Zeit, wenn etwa Long Covid das normale Leben stark einschränkt. Oder beispielsweise eine Krebserkrankung den Alltag erheblich beschwert.

Im Fall einer Leserin passierte nach ihrem Antrag von August bis Dezember gar nichts. Erst dann fiel auf, dass beim online gestellten Antrag eine Unterschrift fehlte. Ist diese Bearbeitungsdauer die Regel, mit der Schwerbehinderte in Rheinland-Pfalz leben müssen?

Die Leserin ist wegen ihrer äußerst schweren Atemnot schon bei einfachen häuslichen Arbeiten sehr stark eingeschränkt oder dafür zeitweise schon zu schwach. Sie ist jetzt vor allem auf einen Parkausweis angewiesen, um mit kürzeren Wegen einen Arzt oder ein Geschäft zu erreichen. Als Seniorin geht es ihr bei dem Antrag nicht um Kündigungsschutz, frühere Rente oder Zusatzurlaub.

Nach medizinischem Rat stellte sie im August einen Antrag, als Schwerbehinderte anerkannt zu werden. Es folgte das große Schweigen. Erst Anfang Dezember erhielt sie dann die Nachricht, dass ihr Antrag auf „Neufeststellungsverfahren“ am 10. August eingegangen sei und sie nun bis 29. Dezember noch eine Einverständniserklärung unterschreiben muss, damit man medizinische Befunde bei Medizinern (Kliniken oder Hausarzt) anfordern kann. Dieser Antrag dürfte also wohl mehr als vier Monate liegen bleiben.

„Durch massiv gestiegene Antragszahlen in 2023 können aktuell zeitlich größere Abweichungen bis zu mehreren Wochen entstehen.“

erklärt die Sprecherin des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung, Laura Acksteiner.

Wie die Sprecherin des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung, Laura Acksteiner, auf Anfrage unserer Zeitung erklärt, sei der geschilderte Fall „nicht der Regelfall“. Eine Einverständniserklärung werde, sofern die Unterschrift fehle, mit Eingangsbestätigung nachgefordert – „normalerweise innerhalb von wenigen Tagen bis zu drei Wochen“. Aber es heißt auch: „Durch massiv gestiegene Antragszahlen in 2023 können aktuell zeitlich größere Abweichungen bis zu mehreren Wochen entstehen.“ Doch es dauere in der Regel nicht Monate, wie in diesem Fall. So wird versichert.

110 Beschäftigte kümmern sich um die Anträge

Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt nach Angaben des Landesamts derzeit landesweit 5,44 Monate: Für Erstanträge dauert die Zeit etwa 4,96 Monate, für Änderungsanträge 5,69 Monate, sagt Acksteiner. Dabei sei das Landesamt aber auch auf die Mithilfe Dritter wie etwa Ärztinnen/Ärzte, Krankenhäuser, Rehakliniken, Pflegekassen angewiesen, bei denen Informationen angefordert werden. Nach ihren Worten gehen im Jahr durchschnittlich 80.000 bis 85.000 Anträge ein. Zusammen mit zusätzlichen Widerspruchs- und Nachprüfungsverfahren seien es weit mehr als 100.000 Vorgänge. Darum kümmerten sich etwa 110 Beschäftigte in Vollzeit. Hinzu kämen noch 15 Mitarbeiter im Ärztlichen Dienst.

In dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben heißt es, dass man von Nachfragen nach dem Sachstand absehen soll, um die Bearbeitung nicht zu verzögern. Aber welchen Informationsservice gibt es? Wie die Sprecherin schildert, erhalten Betroffene „Sachstandsinformationen bei Zuleitung an den Ärztlichen Dienst im Falle von längeren Laufzeiten“. Weiter erklärt sie, dass Anfragen bei den Telefonzentralen des Landesamtes an den vier Standorten in Rheinland-Pfalz in Koblenz, Landau, Mainz und Trier möglich sind, natürlich auch per E-Mail. Wer es telefonisch versucht, muss allerdings bei dieser Hotline mit einer längeren Warteschleife rechnen.

Bei der Frage, ob sich in Notfällen Wartezeiten abkürzen lassen, wird ebenfalls auf die Hotline oder eine E-Mail verwiesen. Wer durchdringt, kann etwa bei Problemen am Arbeitsplatz, Kündigungen oder bösartigen Erkrankungen darauf hoffen, dass für ihn Eilbedürftigkeitskriterien und Prioritäten dann anerkannt werden.

Anträge um 25 Prozent gestiegen

Wie das Landesamt zugibt, betreffen knapp die Hälfte aller Beschwerden die Dauer der Bearbeitung. Dabei werden aber nur die etwa 100 direkt ans Amt geschickten statistisch erfasst – nicht aber der Unmut, der telefonisch oder direkt per E-Mail die Sachbearbeiter erreicht. Dass 2023 bundesweit die Zahl der Anträge um bis zu 25 Prozent gestiegen sei, erklären sich die Ämter auch mit Nachholeffekten aus der Zeit der Pandemie mit schrittweiser Normalisierung von regelmäßigen Arztbesuchen, stationären Behandlungen und Rehabilitationen. Da immer mehr Rentner unter die Steuerpflicht fallen, könne es auch sein, dass Betroffene möglicherweise verstärkt steuermindernde Pauschbeträge für Schwerbehinderte nutzen wollten.

Die Durchwahl für Anfragen an den vier Standorten des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung lautet landeseinheitlich -222, also in Koblenz 0261/404 12 22

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten