Telefonaktion zeigt, wie verunsichert Verbraucher in der Energiekrise sind - Berater der EVM sind pausenlos gefragt
Bei Fragen zu Strom und Gas laufen Leitungen heiß: Berater der EVM geben Antworten
Pausenlos im Gespräch: Beraterinnen und Berater der EVM beantworteten in einer gemeinsame Telefonaktion mit unserer Zeitung die Fragen vieler Menschen zu den gestiegenen Strom- und Gaspreisen.
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Kundenberater der Energieversorgung Mittelrhein (EVM) haben ihre eigene Energiekrise: Sie sind am Telefon im Dauerstress und fühlen sich plötzlich auch als Seelsorger, weil tausendfach Anrufe von total verzweifelten Kunden eintreffen – wie bei der Telefonaktion unserer Zeitung mit der EVM.

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Pausenlos im Gespräch: Beraterinnen und Berater der EVM beantworteten in einer gemeinsame Telefonaktion mit unserer Zeitung die Fragen vieler Menschen zu den gestiegenen Strom- und Gaspreisen.
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Zahlreiche Fragen beschäftigten die Anrufer, schließlich verdoppeln sich die Stromkosten im Januar. Für Gas müssen einige Haushalte bereits 1000 Euro mehr im Jahr bezahlen. Außerdem wird auch das Leben teurer – ob beim Kauf von Brot, Butter und Milch. Deshalb berichten Senioren mit kleiner Rente, dass sie nicht wissen, wie sie die höheren Energiepreise bezahlen können. Mit EVM-Sprecher Marcelo Peerenboom, der selbst auch am Lesertelefon saß, beantworten wir die wichtigsten Fragen.

Darf ich die Heizung wieder anstellen?

Eine verunsicherte Dame dachte, sie dürfe wegen der hohen Preise und dem Ausfall russischer Gaslieferungen nicht mehr heizen. Der dringende Rat: unbedingt die Wohnung heizen und stoßlüften, damit im Haus durch Feuchtigkeit kein Schimmel entsteht. Da sie die Temperatur schon lange gedrosselt hat, sollte sie kontrollieren, ob sich bereits Schimmel gebildet hat.

Lohnt sich mit 86 Jahren noch eine Wärmepumpe?

Dies fragt sich eine Seniorin, deren Flüssiggasheizung defekt ist; ihr Haus ist nicht ans Gasnetz angeschlossen. Der Rat: Eine Investition von 30.000 bis 40.000 Euro ist je nach Alter des Hauses gut zu überlegen.

Was ist eigentlich zu tun, um von der Strom- und Gaspreisbremse zu profitieren?

Viele Bürger sind verunsichert, weil das Gesetz im Dezember erst noch verabschiedet werden muss und im März in Kraft treten soll. Nach der politischen Vorgabe soll der Strompreis vom 1. Januar an auf 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden, der Gaspreis auf 12 Cent – aber nur für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Peerenboom kündigt an: Die Versorger werden im Februar alle Kunden anschreiben und ihnen mitteilen, wie ihr monatlicher Abschlag wieder sinken wird.

Die günstigeren Preise für Januar und Februar werden mit dem Abschlag rückwirkend für März verrechnet und gutgeschrieben. Von April an zahlt jeder Kunde dann einen günstigeren Abschlag, als er in diesem Jahr für 2023 angekündigt wurde. Aber die Preise werden in jedem Fall über dem Niveau der vergangenen Jahre liegen. Sparen lohnt also weiter.

Wie kommt die Dezemberhilfe an?

Der Staat will die den Abschlag für die Gasheizung im Dezember übernehmen. Die Versorger ziehen diesen Abschlag erst gar nicht ein. In den meisten Fällen muss der Kunde also nicht tätig werden. Wer per Dauerauftrag den Abschlag bezahlt und den Auftrag für Dezember nicht storniert hat, bekommt auf Wunsch das Geld von der EVM zurück. Wenn er sich nicht meldet, wird diese Summe bei der Jahresabrechnung gutgeschrieben. Mieter erhalten den Bonus vom Staat aber erst mit der Nebenkostenabrechnung ihres Vermieters – schlimmstenfalls also erst im Dezember 2023.

Bei einer Mieterin hat sich der Vermieter noch nicht gemeldet. Wie viel Geld sollte ein Single Pi mal Daumen auf die hohe Kante legen, um nicht in einigen Monaten in eine Kostenfalle zu fallen?

„Über den dicken Daumen geschätzt“, rät Peerenboom dazu, von sich aus pro Monat 50 Euro mehr vorsorglich an den Vermieter für die steigenden Nebenkosten zu überweisen oder aber unbedingt auf die hohe Kante zu legen. Eine Familie sollte von sich aus sicherheitshalber 100 Euro mehr im Monat an den Vermieter transferieren, auch wenn der sich nicht meldet.

Sollte der Vermieter handeln?

Die EVM kann Vermietern nur raten, spätestens von Januar an die Abschläge für die Nebenkosten der Mieter zu erhöhen – schon im doppelten eigenen Interesse. Denn er muss ja in jedem Fall mehr zahlen und bringt sich und den Mieter in Probleme, wenn der womöglich in einigen Monaten nicht auf einen Schlag 1000 Euro zahlen kann.

Eine Anruferin hat gehört, dass nachts der Strom billiger ist. Lohnt es sich also, erst nachts die Wasch- oder Spülmaschine anzustellen?

Nein, lautet die Antwort. Der Strom ist ohne Sondervertrag zu jeder Zeit gleich teuer. Und: Nachts wird weniger preiswerte erneuerbare Energie eingespeist. Es wird dann mehr Strom von Atomkraft- oder Gaskraftwerken gebraucht. Wenn dann viele Kunden Waschmaschinen laufen würden, könnte es unterm Strich für alle teurer werden, ohne dass der Einzelne etwas spart.

Eine häufige Frage: Wie steigen die Preise für Nachtspeicheröfen oder Wärmepumpen in der Nacht? Wird der Preis auch gedeckelt?

Peerenboom nennt ein Beispiel, weil die Rechnung kompliziert ist: Ein Haushalt verbraucht tags und nachts im Jahr 10.000 Kilowattstunden (kWh) und hat eine Einzählermessung. Dann wird ein Anteil von 9/24 oder 3333 kWh nach dem Nachttarif von 32,4 Cent pro kWh berechnet. 6667 kWh werden nach dem Haushaltstarif (49,9 Cent) berechnet. Dies ergibt einen durchschnittlichen Kilowattpreis von 43,3 Cent, der vom Staat dann für 80 Prozent des Verbrauchs auf 40 Cent gedeckelt wird. Dies macht für 80 Prozent eine Entlastung von 3,34 Cent/kWh, in Summe sind dies im Beispielfall 267,20 Euro.

Üblicherweise gilt bei der EVM der Speicherstrom von 21 bis 9 Uhr. Beim Netzbetreiber ist zu erfahren, auf welche Zeiten der persönliche Zähler eingestellt ist. Die E-Mail-Adresse lautet messservice@enm.de. Bei Kunden mit Zweizählermessung greift die Preisbremse nicht, weil die EVM-Tarife unter den 40 Cent liegen.

Warum verdoppelt sich eigentlich der Strompreis? Man beziehe doch Ökostrom, und der kommt doch nicht aus Russland, merken Leser auch am Telefon an.

Die Erklärung: Der Strom werde zusammen in das Netz eingespeist, egal, aus welcher Quelle, ob von Solar- und Windanlagen, aus Atom- oder Wasserkraftwerken. Der Preis werde aber von den teuersten Erzeugern bestimmt, also den Gaskraftwerken. Da aber beispielsweise die Betreiber von Windanlagen von den explodierenden Kosten besonders profitieren, will der Staat bei ihnen die sogenannten Zufallsgewinne abschöpfen, heißt es am Lesertelefon.

Wie kann es sein, dass ein Haushalt von zwei Personen im Monat 340 Euro für Strom zahlen muss?

Da lohnt es sich unbedingt, nach Stromfressern zu suchen. Vielleicht steht im Keller noch eine uralte, vergessene Tiefkühltruhe, die aber noch läuft, lautet der Rat.

Warum antwortet die EVM nicht auf Briefe und E-Mails?

Da können die Berater nur um Verständnis und Geduld werben. Da täglich 2000 Anrufe an der Kundenhotline eingehen und in die Kundenzentren auch täglich Hunderte von Fragenden kommen, fehlt einfach die Zeit, alle schriftlichen Anfragen zügig zu beantworten.

Wie lässt sich feststellen, ob sich das Sparen bereits ausgezahlt hat?

Ein Tipp lautet: Auf der Internetseite der EVM lässt sich im Kundenportal mit dem aktuellen Zählerstand eine Simulationsrechnung aufmachen und sehen, wie sich die Kosten entwickeln.

Wie kommt man in die Grundversorgung?

Das fragt ein Leser, der bei seinem Versorger statt 49,9 Cent pro Kilowattstunde satte 104 Cent bezahlen muss. Der Rat: Bei einer Preiserhöhung besteht ein Sonderkündigungsrecht. Man kann den Anbieter wechseln. In die Grundversorgung müsse die EVM jeden Neukunden in ihrem Gebiet aufnehmen. Der Wechsel in andere Tarife sei derzeit kaum möglich.

Wer hilft denen, die mit Öl oder Pellets heizen?

Diese Frage kann der Energieversorger nur an die Politik weitergeben. Passen muss die EVM auch bei der Frage, warum die Städte die Straßenbeleuchtung nicht deutlich drosseln.

Wie groß ist die Gefahr einer absoluten Gasmangellage?

Die Gefahr, dass das Gas ausgeht, schätzt die EVM als äußerst gering bis unwahrscheinlich ein. „Die Gasspeicher sind gut gefüllt, die Lieferungen aus Norwegen oder den Niederlanden laufen ungestört.“

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