Das Muster ist immer gleich. Kriminelle fahren meist zwischen 2 und 5 Uhr vor – möglichst bei Geldinstituten, die in der Nähe von Autobahnen liegen. Sie sprengen den Automaten, packen sich die Beute und sind nur Minuten später mit ihren PS-starken Wagen schon wieder zurück auf der Autobahn und auf der Flucht.
Allein der Sachschaden beläuft sich an den schwer beschädigten Geldinstituten in diesem Jahr bereits auf knapp 5 Millionen Euro, wie Kriminaloberkommissar Bastian Kipping vom Landeskriminalamt (LKA) in Mainz sagt. Die Höhe der Beute nennt er nicht, um keine falschen Anreize zu setzen. Aber sie sei längst nicht so hoch wie die Gebäudeschäden.
Die Serie von gesprengten Geldautomaten reißt nicht ab. Aber nicht alle Banden können einfach mit PS-starken Autos in der Nacht verschwinden.Drei Sprenger verurteilt, zehn Verdächtige in U-Haft: Erfolgreiche Großrazzia
Die Polizei ist meist nicht schnell genug am Tatort, um die Banden direkt verfolgen zu können. Wenn aber doch, besteht das Problem, dass sie bei hohem Tempo mit inzwischen auch aufgerüsteten Streifenwagen die Fluchtautos nicht rammen können, ohne sich und andere in Gefahr zu bringen. Zudem haben die Schwerstkriminellen im Kofferraum oft noch Kanister mit Sprit, damit sie keine Tankstelle anfahren müssen.
Dass bei den Sprengungen und der meist halsbrecherischen Raserei danach bisher noch niemand verletzt oder gar getötet wurde, bezeichnen Fahnder „als pures Glück“. Dies müsse auch mit allen nur denkbaren Mitteln unbedingt so bleiben, beschwört Kipping alle Beteiligten, Anstrengungen zu unternehmen. Anwohner oder zufällige Zeugen, die nachts unterwegs sind, kann er nur warnen. Bei den Tätern handele es sich um Schwerstkriminelle, die bewaffnet sein könnten.
Banden passen Methoden an
Seit 2019 sind die Ermittlungen beim Landeskriminalamt konzentriert. Denn die Anschläge häufen sich. Wurden im ganzen Jahr 2017 noch 23 Automaten geknackt, waren es 2020 schon 35, und in diesem Jahr sind es seit Januar bereits 34. Zehn Verdächtige sitzen derzeit in U-Haft.
Wie viele noch auf der Flucht sind, ist weder beim Landeskriminalamt noch bei der Staatsanwaltschaft Mainz zu erfahren, die zentral gegen die professionellen Sprengtrupps ermittelt, die zumeist aus den Niederlanden stammen. Den drastisch gestiegenen Sachschaden, der 2019 schließlich noch bei 1 Million Euro lag, erklärt Kipping auch damit, dass die Banden ihre Methoden an neue Sicherheitstechniken anpassen. Benutzten die Täter bis vor einigen Jahren noch Gas, um die Automaten zu sprengen, greifen sie heute zu Festsprengstoff. Folge: Die Explosionen lösen viel höhere Sachschäden und Verwüstung aus.
Allein in Höhr-Grenzhausen (Westerwald) entstand bei einem Überfall ein Schaden von 750.000 Euro, wie eine Pressemeldung nach dem internationalen Schlag gegen Geldautomatensprenger vom Juni besagt.
Der Deutsche liebt sein Bargeld.
Kriminaloberkommissar Bastian Kipping vom Landeskriminalamt
Nicht nur Polizeibeamte fragen sich, warum Banken und Sparkassen nicht – wie vom LKA geraten – die Türen zu den Geldautomaten zwischen 23 und 6 Uhr schließen und die Eingänge besser sichern, zumal die meisten Bürger heute über Karten verfügen. LKA-Sprecher Kipping erklärt sich das auch mit wirtschaftlichen Gründen und spricht damit unausgesprochen an, dass Versicherungen die Schäden übernehmen. Aber er sagt auch: „Der Deutsche liebt sein Bargeld“ – aus Sicht der Banken rund um die Uhr. Deshalb gebe es in Deutschland auch deutlich mehr Automaten als etwa in den Niederlanden. Diese haben aber wie etwa auch Frankreich die Banken bereits vor Jahren gesetzlich verpflichtet, sich vor Raubzügen besser zu schützen.
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Seitdem weichen kriminelle Banden verstärkt nach Deutschland aus, wo es bei einer Automatendichte von knapp 60.000 Geräten derartige Vorgaben nicht gibt. Im Kampf gegen die brachialen Panzerkacker arbeiten die Landeskriminalämter eng untereinander und mit der niederländischen Polizei zusammen, wie eine Großrazzia im Juni zeigte. Aber auch eine hohe Aufklärungsquote, wie sie für 2020 festgehalten ist, schrecke Kriminelle nicht ab, wie das LKA in Mainz feststellen muss. Die Serie reißt nicht ab.
Das LKA führt mit den Banken regelmäßige Präventionsgespräche – auch mit Hinweisen auf modernste Sicherheitstechnik. Ob sich die Manager aber für neue Modelle entscheiden und investieren, bleibt ihnen überlassen. Am günstigsten wäre es wohl, wenn Deutsche nachts auf Automaten und den schnellen Nachschub von Bargeld verzichten würden.