Am Berliner Kabinettstisch ist Rheinland-Pfalz stark vertreten – und zwei der Regierungsmitglieder aus dem Bundesland sitzen sogar nebeneinander: Verena Hubertz (SPD) und Patrick Schnieder (CDU). Die Triererin Hubertz hat eine Karriere im Sauseschritt hingelegt. Seit wenigen Tagen ist sie nun Bundesbauministerin. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt sie auf die turbulenten Tage der Regierungsbildung zurück – und sie nennt ihre ehrgeizigen Ziele in einem Schlüsselressort. Gut, dass sie schon in ihrer Familie Bezug zu Baggern hatte.
Wie ist es denn, plötzlich permanent als Frau Ministerin angesprochen zu werden?
Immer noch sehr ungewohnt. Die Ernennungsurkunde hat mein Leben direkt geändert, weil es natürlich jetzt eine große Verantwortung ist. Ich war beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue, und das war schon ein sehr, sehr besonderes Gefühl, was mich mit Verantwortung, Demut und mit Freude erfüllt hat. So ein Moment war für mich auch die Amtsübernahme.
Warum?
Wenn man bei der Einführung im Ministerium vor Hunderten Mitarbeitenden steht, ist das etwas Besonderes. Da wurde mir die Verantwortung für diese Mannschaftsaufgabe bewusst. Ich habe dann auch in meiner Rede gesagt, ich kann nur eine gute Ministerin sein, wenn wir als Haus richtig was bewegen. Irgendwie ist das alles für mich noch ein wenig surreal, und ja, ich glaube, es muss alles noch ein bisschen sacken.

Gehen wir noch mal einen Schritt zurück, Frau Hubertz. Wie und wann haben Sie denn von Ihrer Nominierung erfahren?
Den genauen Zeitpunkt möchte ich nicht sagen. Zunächst wurde ja bekannt, dass Parteichef Lars Klingbeil Vizekanzler und Finanzminister werden soll. Ab dann waren das dynamische Tage. Ich bin sehr froh, dass ich mit meinen 37 Jahren zu dieser verantwortungsvollen Aufgabe gekommen bin.
Haben Sie denn damit gerechnet? Hat Lars Klingbeil vorher vielleicht schon mal gesagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, für dich fällt was ab?
Aus vertraulichen Gesprächen berichte ich natürlich nicht. Aber der Parteivorsitzende hat mich immer sehr unterstützt in meiner politischen Laufbahn. Wir schätzen uns und kennen uns seit Langem. Und Lars Klingbeil hat mir immer signalisiert, dass er mir Verantwortung zutraut. Aber Verantwortung kann ja verschiedene Gesichter haben in der Fraktion, in der Regierung, in der Partei, und von daher bin ich sehr dankbar, am Kabinettstisch zu sitzen und Teil der Regierungsmannschaft zu sein. Das ist natürlich etwas sehr Besonderes.
Sie sitzen am Kabinettstisch neben Herrn Patrick Schnieder, oder?
Ja, tatsächlich.

Vertragen Sie sich mit dem CDU-Politiker?
Ja, ja. Wir kennen uns gut, weil wir hin und wieder gemeinsam im Flieger nach Luxemburg sitzen und uns unterhalten. Uns beiden ist wichtig, dass wir die Region stärken. Ich habe dem neuen Verkehrsminister schon gesagt, dass wir den Bahn-Fernverkehr nach Trier wirklich brauchen. Mal schauen, dass wir das gemeinsam hinkriegen.
Haben Sie denn eigentlich gleich zugesagt, als Lars Klingbeil Ihnen das Amt angetragen hat?
Ja! Ich habe mir natürlich vorher überlegt, was ich sage, falls er anruft. Für mich war aber klar, dass ich mich nicht wegducke, wenn mir die Verantwortung zugetraut wird.
Hätten Sie ein anderes Ministeramt lieber gehabt?
Die Frage stellt sich nicht. Bauen ist ein Bereich, den ich in den letzten Jahren in der Fraktion verantwortet habe. Da kenne ich mich aus, das macht mir Freude. Und das Bauen hat ja mehrere Seiten. Auf der einen Seite ist da die soziale Frage unserer Zeit: bezahlbares Wohnen für alle. Und auf der anderen Seite ist da eine große wirtschaftliche Frage. Die Bauindustrie ist auch die Konjunkturlokomotive für unsere Wirtschaft, das hat viel mit Innovation, Technik und mit Anpacken zu tun. Mein Vater hat Bagger gebaut, erst bei Zettelmeyer in Konz, dann bei Volvo. Und ich habe ja direkt gesagt, die Bagger müssen wieder rollen. Das passt sehr gut zu meiner Vita.

So stark ist Rheinland-Pfalz im neuen Kabinett
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Können Sie schon mal sagen, auf welche Punkte Sie ein besonderes Augenmerk setzen wollen?
Die Erwartungen an das Ministerium sind sehr hoch. Die Erwartungen an Tempo, an weniger Bürokratie, an die Bagger, die rollen. Ich bin jemand, der gerne neue Wege geht und Lust aufs Gestalten hat. Es geht um Tempo, Technologie und Toleranz. Tempo, weil unsere Verfahren einfach zu lange dauern. Das muss rasch verkürzt werden. Das ist auch für unsere Region sehr wichtig. Der zweite Punkt, die Technologie, ist ein ganz großer Hebel, weil es auch darum geht, wie wir die Baupreise runter bekommen. Im Moment wird noch viel Stein auf Stein gebaut. Unternehmen wie Holzbau Henz in Trierweiler oder Dawen+Rieth in Saarburg zeigen, dass der Weg immer mehr zum seriellen Bauen geht. Es ist einfach günstiger, wenn man Wände schon in der Fabrik automatisiert zusammenbaut.
Eine Art Fertighausbau?
Ja. Das ist sozusagen vorgefertigt, und von außen sieht es super aus. Da merkt man nicht, ob das jetzt seriell gebaut wurde oder nicht. Und beim Punkt Technologie sind natürlich auch die Digitalisierungswege wichtig. Wir haben ja in Trier als eine der Pilotkommunen bundesweit den digitalen Bauantrag erprobt. Und in diese Richtung müssen wir radikal weitergehen.
Sie werden von der Baubranche schon als Hoffnungsträgerin gefeiert. Schmeichelt Ihnen das oder macht Ihnen der Erwartungsdruck eher ein bisschen Angst?
Ich freue mich, dass mit der Ernennung auch eine positive Erwartung und Neugier einhergeht. Und da möchte ich natürlich liefern. Mein Anspruch ist es, den Erwartungen gerecht zu werden – gemeinsam mit der Bauindustrie. Mit deren Vertretern hatte ich in den letzten Jahren immer einen guten Austausch. Die Frage ist, wie bekommt man jetzt auch pragmatische Wege hin, damit die Dinge schnell vorangehen? Ich freue mich auf jeden Fall, mit der Industrie zu sprechen. Da ist richtig viel Innovation vorhanden, auch bei uns in Rheinland-Pfalz.

Hat Schweitzer schon wieder die Verfassung verletzt?
Erst Ende April musste Ministerpräsident Schweitzer (SPD) einräumen, seine Neutralitätspflicht verletzt zu haben. Nun wirft ihm die CDU erneut Verfassungsbruch vor, weil er sein Amt zum eigenen Vorteil nutze.
Sie werden in Medienberichten zu den „FroLs“ („Friends of Lars Klingbeil“) gezählt, also den engsten Vertrauten des SPD-Parteichefs. Was halten Sie denn von dieser Charakterisierung?
Ach, man muss sich ja immer mal etwas Witziges ausdenken. Ich habe drüber geschmunzelt.
Ende Juni wählt die SPD einen neuen Parteivorstand. Für welche Position treten Sie denn eigentlich an?
Ich freue mich jetzt erst einmal, dass wir uns an der Spitze gut aufstellen. Mit Bärbel Bas tritt eine tolle Frau für den Parteivorsitz an, neben dem amtierenden Parteichef Klingbeil. Es gab ja eine Diskussion darüber, ob beide in der Regierung sein sollten. Wenn es nicht so wäre, hätten wir immer wieder ein Ungleichgewicht gehabt: Wer von beiden hat jetzt mehr zu sagen? Und Bärbel Bas ist eine starke Politikerin. Sie hat sich mit einem Hauptschulabschluss hochgearbeitet, kommt aus dem Ruhrgebiet und spricht eine Sprache, die die Leute verstehen.
Und Sie?
Ich habe mit Blick auf die Neuwahl des Parteivorstands derzeit keine Pläne. Mein Fokus ist es, den Wahlkreis gut hinzubekommen, eine ansprechbare Abgeordnete vor Ort zu sein und auch das Bauen im Land voranzubringen. Ich finde es auch klasse, dass Hubertus Heil unseren Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer als stellvertretenden Parteivorsitzenden vorgeschlagen hat.
Die SPD kommt aktuell in Umfragen gerade einmal auf 15 Prozent, ist damit vom Status einer Volkspartei weiter entfernt als je zuvor. Wie lässt sich der Abwärtstrend stoppen oder sogar umkehren?
Gute Regierungsarbeit, sichtbares Profil der SPD, gnadenlose Aufarbeitung der Wahlniederlage. Wir müssen jetzt erst mal etwas liefern. Warum sollte sich die Stimmung auch von heute auf morgen drehen? Wir haben noch kein Gesetz auf den Weg gebracht.

Auch in Rheinland-Pfalz liegt die SPD hinter der CDU – und das zehn Monate vor der Landtagswahl. Sieht es so aus, als würde es neben dem Verkehrsminister Patrick Schnieder bald auch einen Ministerpräsidenten Gordon Schnieder geben?
Die SPD in Rheinland-Pfalz ist eine Aufholpartei. Selbst Malu Dreyer lag schon zurück, dann kam der Endspurt, und wir haben es wieder geschafft. Ich bin da sehr zuversichtlich. Alexander Schweitzer ist ein absoluter Kämpfer, und er will das Land voranbringen. Er hat auch persönlich gute Beliebtheitswerte. Wenn man die zugrunde legt, hat Schweitzer einen riesengroßen Vorsprung vor Gordon Schnieder.
Aber Gordon Schnieder kommt dafür wie Sie aus der Region Trier.
Aber da bin ich natürlich trotzdem für Alexander Schweitzer, weil ein Sozialdemokrat, der das Land führt, mir natürlich viel lieber ist als ein regionaler Nachbar.
Was hat Sie denn in den ersten beiden Wochen am meisten überrascht im Amt?
Die Arbeit im Ministerium ist für mich noch einmal etwas Neues. Ich habe jetzt einen grünen Stift, den nur die Ministerin benutzen darf. Und ich habe zunächst mal einen Aktenberg bekommen, den ich durcharbeiten und final billigen muss. Es ist einfach eine andere Art des Arbeitens. Und als Ministerin angesprochen zu werden, ist immer noch ein besonderes Gefühl.
Gibt es auch schon etwas, was Sie in der neuen Position stört, Ihnen nicht gefällt?
Dafür bin ich jetzt noch zu kurz dabei. Da müssen wir uns in einem Jahr noch einmal drüber unterhalten. Dann kann ich vielleicht sagen, ob ich etwas vermisse und es Dinge gibt, die mich stören.
Ist es nicht ungewohnt, plötzlich von Leibwächtern umgeben zu sein und einen Chauffeur zu haben?
Ein eigener Fahrer ist natürlich ein Privileg. Das habe ich auch gemerkt, als wir kürzlich nach einem Termin von Koblenz wieder zurück nach Berlin gefahren sind. Da konnte ich die fünf Stunden auf der Autobahn durcharbeiten. Zum Thema Sicherheit nur so viel: Ich bin Bauministerin, nicht Bundeskanzlerin oder Innenministerin. Aber klar, das Leben ändert sich – auch für mein Umfeld. Meine Mutter wurde kürzlich von einer Grundschulfreundin angerufen, die sie 50 Jahre nicht mehr gesehen hat. Die Frau hatte mich im Fernsehen gesehen und das zum Anlass für den Anruf genommen. Das Beispiel zeigt: Auch die Familie ist betroffen.
Das Gespräch führte Rolf Seydewitz
Erfolgreiche Unternehmerin und Politikerin
Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz sitzt erst in der zweiten Legislaturperiode im Bundestag. In ihrer Partei, der SPD, hat die 37-jährige Triererin eine politische Karriere im Sauseschritt hingelegt. Als stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende war Hubertz schon kurz nach ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag zuständig für den Bereich Wirtschaft, Tourismus, Bauen und Wohnen. In dieser Funktion stand die studierte Betriebswirtin nicht nur häufig im Plenum am Rednerpult, sondern war auch häufig in den Medien präsent. Vor ihrem Wechsel in die Politik war Hubertz Unternehmerin: Gemeinsam mit einer Studienfreundin entwickelte sie eine erfolgreiche Koch-App. sey