Patient ist schuldunfähig
Auf Altenpfleger eingestochen: „Du bist der Teufel!“
Ein 68-jähriger Patient soll im Zustand der Schuldunfähigkeit mit einer Scherbe auf einen Altenpfleger eingestochen haben. Am Landgericht Koblenz ist nun ein Sicherungsverfahren angelaufen.
Philipp Znidar/dpa

Ein 68-jähriger Patient stach einem Altenpfleger im November 2022 mit einer Scherbe in die Brust und in den Arm. Dabei soll er „Du bist der Teufel!“ gerufen haben. Der Vorfall beschäftigt nun das Koblenzer Landgericht.

Ein 68-jähriger Bewohner eines Seniorenheims aus dem Kreis Mayen-Koblenz hat im November 2022 mit einer Glasscherbe zweimal auf einen Pfleger eingestochen. Nun ist am Koblenzer Landgericht ein Sicherungsverfahren zu dem Vorfall angelaufen. Die Kammer hat sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des 68-Jährigen in einer psychiatrischen Einrichtung gegeben sind. Denn der Senior soll damals im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt haben – weshalb es in Koblenz auch nicht um das Finden einer Strafe für den Senioren gehen wird.

Im Detail wird dem 68-Jährigen vorgeworfen, am 24. November 2022 eine Scherbe aus der Deckenlampe seines Altenheimzimmers herausgebrochen und einem Pfleger damit unverhofft erst in den Arm und dann in die Brust gestochen zu haben. Der Senior leidet am Korsakow-Syndrom, also einer Hirnschädigung, die mit bleibenden Gedächtnisproblemen, allgemeiner Verwirrtheit und Bewegungsstörungen einhergeht. Die Krankheit ist häufig die Folge von langjährigem Alkoholmissbrauch – so auch bei dem 68-Jährigen. Seine Erkrankung soll auch zu Fehleinschätzungen und paranoidem Erleben führen, hieß es in Koblenz.

„Ich musste ins Krankenhaus, ich wurde genäht.“
Das Opfer des Angriffs sagte am Landgericht Koblenz als Zeuge aus

Der Pfleger, der dem 68-Jährigen an dem Tag das Essen bringen wollte, sagte in Koblenz als Zeuge aus. Ohne Vorwarnung soll der Senior an dem Tag auf ihn losgegangen sein und ihn zweimal mit der Scherbe gestochen haben. Dabei soll der Satz „Du bist der Teufel!“ gefallen sein. Dabei habe eigentlich ein gutes Vertrauensverhältnis zu dem Patienten bestanden. „Ich musste ins Krankenhaus, ich wurde genäht“, so der Zeuge.

Er sei über eine Woche arbeitsunfähig gewesen und habe heute Narben als Erinnerung an diesen Schreckenstag. Und auch psychische Narben habe der Vorfall hinterlassen: Denn wie der Pfleger in Koblenz berichtete, habe er nach der Attacke eine ganze Weile lang immer ein nervöses Gefühl gehabt, wann immer er Patientenzimmer betreten musste.

Es war ein trauriger erster Verhandlungstag in Koblenz. Der 68-Jährige ist durch seine Erkrankung schwer gezeichnet, kann nur gestützt laufen, ein Rollstuhl stand für ihn bereit. An den Scherbenvorfall kann er sich nicht einmal mehr erinnern, wie er sagte. Auf Fragen antwortete er einsilbig, lethargisch, seinen eigenen Lebenslauf bekam er nur sehr bruchstückhaft aufgelistet. Als er gefragt wurde, wie er sich heutzutage den Tag vertreibe, sagte er: „Hoffen, dass es bald vorbei ist.“ Und meinte damit nicht den stressigen Gerichtstermin – sondern sein Leben. Er wolle „einfach nur sterben.“

Warum passierte der Angriff?

Ein Arzt, der den 68-Jährigen kennt, skizzierte in Koblenz das Alkoholproblem des Senioren. Der 68-Jährige sei einst ein intelligenter, „sehr korrekter, eher sogar überkorrekter“ Mensch gewesen. Stets fein angezogen, deshalb fast zwanghaft wirkend. Aber: „Die Alkoholkrankheit hat er eigentlich nie wirklich akzeptiert“, sagte der Arzt. Und so seien 2018 erste Hirnschäden offenkundig geworden. Auch die Wohnung des 68-Jährigen beschrieb der Arzt: Schnapsflaschen hier, Wein- und Bierflaschen dort, Chaos überall.

Was genau den Senior zu der Scherbenattacke getrieben hatte, ist nicht geklärt. Womöglich könnten sukzessive abgesetzte Medikamente eine Rolle dabei gespielt haben. Im Gericht hieß es, dass der 68-Jährige geglaubt habe, dass der attackierte Pfleger ihn im Genitalbereich berührt habe. Was aber als Fehlwahrnehmung gewertet wird.

Der 68-Jährige war vor dem Scherbenvorfall in einer anderen Pflegeeinrichtung untergebracht, wo er sich das Zimmer mit einem Mitpatienten teilen musste, der als sexuell übergriffig galt, wie eine Zeugin in Koblenz angab. Es sei also nicht auszuschließen, dass dieser sich auch an dem Senior vergangen haben könnte. Wenn ja: Könnte ein solcher Vorfall dann im November 2022 in dem Altenheim im Kreis Mayen-Koblenz wieder hochgekommen sein – und zu einer Verwechslung geführt haben? Es muss wohl Spekulation bleiben. Ein Gutachter soll am nächsten Verhandlungstag eine Gefahrenprognose abgeben.

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