Rheinland-Pfalz
Affront gegen Koblenzer Bundesarchiv?

Archivbild des Bundesarchivs auf der Koblenzer Karthause: Die Experten sorgen sich, dass die renommierte Behörde künftig nicht mehr von einem Fachmann geleitet werden könnte.

dpa

Rheinland-Pfalz - Das Koblenzer Bundesarchiv ist eine der wenigen Bundesbehörden in Rheinland-Pfalz, die einen exzellenten Ruf genießen. Doch diese Reputation könnte einen tiefen Kratzer erhalten.

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Von unserem Redakteur Dietmar Brück

Rheinland-Pfalz – Das Koblenzer Bundesarchiv ist eine der wenigen Bundesbehörden in Rheinland-Pfalz, die einen exzellenten Ruf weit über die deutschen Grenzen hinaus genießen. Doch diese Reputation könnte einen tiefen Kratzer erhalten.

Denn es gibt ernsthafte Indizien dafür, dass der Präsidentenstuhl zum ersten Mal in der Geschichte dieser Bundesoberbehörde fachfremd besetzt werden soll. Das wäre ein Affront gegen eine Institution, die man getrost als das zeitgeschichtlich-historische Gedächtnis der Deutschen bezeichnen kann.

Hintergrund: Der jetzige Präsident Hartmut Weber scheidet voraussichtlich im März dieses Jahres aus und geht in den Ruhestand. Man muss nicht besonders tief graben, um herauszufinden, dass als Nachfolger der Jurist Günter Winands gehandelt wird. Dieser hat zwar weder in Geschichte promoviert, noch eine archivfachliche Ausbildung für den höheren Dienst absolviert, dafür ist er aber ein verdienter christdemokratischer Parteigänger. Freunde des Bundesarchivs befürchten jetzt, dass das angesehene Präsidentenamt als Versorgungsposten missbraucht werden könnte. Und das ohne jede Ausschreibung. Dieser Verdacht sorgt für Unruhe.

Nach dem die FAZ den Fall vor wenigen Tagen erstmals öffentlich gemacht hat, beeilte man sich in Berlin, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Von der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Beauftragten für Kultur und Medien, kam eine dürre Pressemitteilung, bestehend aus zwei Sätzen: „Im März 2011 endet die Amtszeit des derzeitigen Präsidenten des Bundesarchivs. Entgegen heutigen Medienberichten ist vorgesehen, die Position auszuschreiben.“

Facharchivare fragen sich nun, wann diese Ausschreibung kommt und wie sie aussieht. Wird eher juristischer Sachverstand verlangt? Oder sucht man wie früher einen Fachbeamten für die hoch dotierte Stelle? Eine diesbezügliche Anfrage beim zuständigen Staatsminister Bernd Neumann (CDU) erbrachte wenig Erhellendes: „Die Ausschreibung wird demnächst erfolgen. Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem Ausschreibungstext.“ So schreibt man im Bundeskanzleramt, wenn man eigentlich nichts sagen möchte.

Dabei gruppieren sich um die Spitzenpersonalie eine Reihe von Merkwürdigkeiten. Normalerweise erfolgt eine solche Ausschreibung sechs bis sieben Monate vor dem Amtswechsel. Doch inzwischen sind nur noch knapp vier Monate Zeit – viel zu wenig für ein seriöses Auswahlverfahren. Der amtierende Präsident Hartmut Weber (65) sollte zudem eigentlich bis 68 arbeiten, schreibt die FAZ. Unvermutet verkürzte Kulturstaatsminister Neumann die verbleibende Amtszeit mit der Zusicherung, dieser Schritt habe nichts mit Webers Leistungsbilanz zu tun. Beobachter der Szene vermuten, dass der alte Präsident schlicht und ergreifend für den bereits feststehenden Nachfolger weichen sollte.

Gegenüber der FAZ bekundete der Koblenzer Behördenchef „große Sorge“ angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung. Weber will sich inzwischen nicht mehr zu den Vorgängen äußern. Das heißt nicht, dass das Thema vom Tisch ist. Im Gegenteil: Kenner der Szene befürchten, dass ein politischer Präsident leichter für politische Zwecke instrumentalisiert werden kann, als ein fachlich versierter. Das ist nicht ohne Brisanz. Denn im Bundesarchiv wird die neuere Zeitgeschichte aufgearbeitet, in Quellenbänden und Büchern gebündelt. Da steht beispielsweise die Ära von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) an. Die Arbeit der Archivare kann dabei durchaus Biografien umschreiben.

Ein anderes Beispiel für politischen Sprengstoff, der in der Archivarbeit steckt: Verstrickungen in die NSDAP im sogenannten „Dritten Reich“ können ans Licht kommen. Man muss nur daran denken, für wie viel Furore der Fall des Schriftstellers Walter Jens sorgte.

Die Hüter der Archive wollen ihr Flagschiff daher lieber in den Händen eines Fachmanns wissen. Und ein solcher ist Günter Winands beileibe nicht. Bis vor wenigen Monaten war er unter dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers Schulstaatssekretär in Nordrhein-Westfalen. Dort regiert inzwischen Rot-Grün. Wichtiger für Winands Kandidatenstatus könnte sein: Der Christdemokrat soll unter Kohl eng mit Neumann zusammengearbeitet haben. Die beiden kennen sich also gut.

Jetzt wird befürchtet, dass ein fachfremder Präsident bei internationalen Konferenzen eher als Fehlbesetzung empfunden würde. Zudem könnte auch seine Stellung innerhalb des Bundesarchives mit seinen vielen Standorten und Abteilungen leiden. Ein Kenner: „Jemand, der sich nicht richtig auskennt, wird schnell zum Spielball unterschiedlicher Interessen.“

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