„Es ist schwierig zu erkennen, wo noch was fehlt“, sagt der Opferbeauftragte Detlef Placzek, der Jagos' Stelle ins Leben gerufen hat. Die Bürger können sich aber auch selbst an Jagos wenden, wenn sie Hilfe oder Unterstützung brauchen – etwa beim Aufbau, bei Verwaltungsfragen, aber auch bei der psychosozialen Versorgung. Vormittags ist Jagos, die zuvor in der Familienhilfe gearbeitet hat, dafür in der Regel in ihrem Büro im Jobcenter Bad Neuenahr-Ahrweiler anzutreffen.
Trotz der mehr als 20 Info-Points im Katastrophengebiet und der Bürgerversammlungen hätten aber noch immer einige Menschen nichts von den zahlreichen Hilfsangeboten gehört, sagt Placzek. Sie sollen mit der aufsuchenden Sozialarbeit – den Spaziergängen und Sprechstunden von Jagos – erreicht werden. Die meisten Leute seien dankbar für das Angebot, berichtet Jagos. „Die am schwersten Betroffenen sind aber meist nicht mehr vor Ort“, hat die Sozialpädagogin festgestellt. Denn viele Häuser sind abgerissen oder so stark zerstört, dass sie noch längst nicht wieder bewohnbar sind. Bei manchen Häusern weiß niemand genau, wo die Bewohner nun leben und wie es ihnen geht.
Dazu kommt die dunkle Jahreszeit mit Weihnachten und dem Jahreswechsel. Niemand soll sich allein fühlen. Der Opferbeauftragte hatte deshalb eine Reihe von Adventsfeiern auf den Weg gebracht. Doch die müssen jetzt wegen Corona ausfallen. Die Organisation sei bei den schärferen Corona-Schutzregeln, die von Samstag an gelten, nur sehr schwer umsetzbar „und würde in der derzeitigen Situation ein falsches Signal setzen“, sagt Placzek bedauernd.
Denn: „Weihnachten ist die Zeit, wo man ein bisschen sentimental nachdenkt“, weiß der Opferbeauftragte. Um den Menschen trotz der Corona-Lage ein Gesprächsangebot zu machen, hat der Opferbeauftragte in Kooperation mit verschiedenen Netzwerkpartnern eine Rund-um-die-Uhr-Hotline eingerichtet.
„Das Ausmaß und die Dauer des psychischen Leidens sind nur schwer einzuschätzen“, sagt Placzek. Nicht jeder sei traumatisiert, die Flutkatastrophe werde die Menschen aber ganz sicher noch lange beschäftigen. „Wir werden die psychosoziale Betreuung so lange wie notwendig aufrechterhalten und den Betroffenen beiseitestehen“, verspricht Placzek. Ein Nachsorgekonzept sei auch angedacht.
Trotz einer Reihe von psychologischen Hilfsangeboten und Hotlines gebe es allerdings viel zu wenige Therapieplätze, kritisiert Placzek. Zusammen mit Fachkliniken richtet das Land ein Traumahilfezentrum im Ahrtal ein: Am Montag wollen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Gesundheitsminister Clemens Hoch (beide SPD) das Angebot in Grafschaft-Lantershofen eröffnen. Es soll eine direkte Anlaufstelle sein – nicht nur für die Vermittlung von Therapieangeboten, sondern auch ganz niedrigschwellig für Begegnung und Beratung, wie es im Gesundheitsministerium heißt. Geplant seien auch offene Sprechstunden, regelmäßige Informationsveranstaltungen und offene Vorträge zu Themen wie Umgang mit Stress und Stabilisierung.