Jetzt. 20 Jahre später – sitzen wir auf einer Bank im Tiergarten Berlin und blicken auf einen kleinen Teich. Sehen den Enten zu. Manon Magnet schließt kurz die Augen. „Ich kann die Aufregung noch richtig fühlen“, sagt sie und begibt sich innerlich auf Zeitreise. „Ich bin fast gestorben vor dem Auftritt. Aber dann, als wir vier dann vor dem Publikum standen und gefeiert wurden, wollte ich die Bühne gar nicht mehr verlassen.“ Mit einem fröhlichen Partysong starteten die Mädels von She'loe ihre kurze Karriere: „Head over Heels“ ging sofort ins Ohr und wurde denn auch zu einem Hit. 2002 war das. Ein Jahr später, 2003, legten die Mädels nach und brachten ihre nächste Single „5 Reasons“ auf den Markt.
„Leider war es die denkbar schlechteste Zeit, als Newcomer durchzustarten, denn die Musikindustrie hatte 2003 ihren Tiefpunkt erreicht“, erinnert sich Manon Magnet heute. „Es gab viel zu viele illegale Downloads und keine alternativen Streamingdienste, wie es sie heute gibt. Es schien aussichtslos“, erzählt Manon. „Die Plattenfirmen gaben sich geschlagen, und She’loe löste sich freiwillig von Label und Management.“ Das war das Ende der Girlband – und der Anfang für Manons selbstständiges Leben.
„Die erste Single hatten wir in New York aufgenommen, unser Video wurde auf Mallorca gedreht – meine Eltern wurden also so langsam daran gewöhnt, auf mich zu verzichten“, erzählt Manon lachend. Und so verwunderte es nicht, dass die junge Frau nicht in Koblenz bleiben wollte, sondern dass es sie in die große, weite Welt zog. Zunächst immerhin nach Mannheim, wo sie Kommunikationsdesign studierte. „Das Internet als neues Medium und damals noch in Babyschuhen reizte mich sehr“, erzählt Manon, während wir gemütlich durch den Tiergarten schlendern und die Siegessäule bereits in der Ferne auftaucht. „Ich habe meine Leidenschaft für Flash- und Webdesign entdeckt“, erzählt sie. Schon im Praktikum arbeitete Manon für eine renommierte Werbeagentur in Berlin.
Noch während ihres Studiums wurde sie für eine TV-Show in New York auf MTV US gecastet, wo sie Deutschland als beste junge Mediendesignerin vertrat. Ihr Team Europa belegte den zweiten Platz. Nach dem Bachelor zog sie dann 2008 endgültig von Mannheim nach Berlin. „Anfangs habe ich in Friedrichshain gelebt – ein ziemlich hipper Kiez in Berlin. Da gibt es viele Bars und Klubs, also ideal für eine junge Frau, die raus und Party machen will“, erzählt Manon.
Wir haben die Siegessäule erreicht und bleiben kurz stehen, um Fotos zu schießen. Die Goldelse – wie die Berliner den Friedensengel an der Spitze der Säule nennen – glitzert im Sonnenschein. Der Himmel ist strahlend blau heute – ein perfekter Tag für einen Spaziergang im Tiergarten. „Der Tiergarten ist das grüne Herz Berlins“, klärt Manon auf. „Und ich habe ihn wirklich als Lieblingsplatz entdeckt.“ Sie muss lachen: „Ja, ich weiß, ich habe mich weiterentwickelt und bin sehr gediegen geworden. Aber so ist das nun mal, wenn man Ehefrau und Mutter geworden ist.“
Der Tiergarten hatte schon viele Gesichter, erzählt Manon. Einst war er ein Jagdrevier – Ende des 17. Jahrhunderts ließ Kurfürst Friedrich III. dann einen „Lustpark für die Bevölkerung“ anlegen. Im Lauf der Jahre wurde der riesige Park dann immer wieder umgestaltet. Zum Beispiel verwandelte ihn der berühmte Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné zwischen 1833 und 1838 in einen englischen Volkspark. „Den Englischen Garten gibt es immer noch“, sagt Manon, „und dort gibt es ein Teehaus, in dem man lecker essen und genießen kann.“ Ein kurzer, bettelnder Blick reicht, und die Einheimische lässt sich erweichen: Das Ziel unserer Wanderung ist ab sofort das Teehaus im Englischen Garten mit seiner üppigen Speisekarte.
Manon Magnet blickt indessen wieder in ihr Leben zurück: 2009 machte sie sich als Freelancerin selbstständig, und 2010 lernte sie ihren heutigen Mann kennen. „Er war Musikproduzent und hatte ein bekanntes Reggaelabel in Berlin.“ 2011 zog das Paar nach Jamaika – „meine Mama ist Jamaikanerin“ –, und sie arbeiteten mit Reggae-Künstlern zusammen und produzierten Musik. Zurück in Europa, zog es die beiden 2014 nach Barcelona. Sie eröffneten 2017 die Kunstgalerie „Galeria Magnet“, die sich auf kubanische Kunst spezialisierte. „2018 wurde unser Sohn Léon in Barcelona geboren“, erzählt Manon. Nach einem Zwischenstopp auf Marbella zog die junge Familie 2020 zurück nach Berlin.
„Hier habe ich mir einen Herzenswunsch erfüllt und ein Jahr lang Schauspiel studiert“, erzählt Manon. Das Ergebnis kann sich buchstäblich sehen lassen – auf YouTube zum Beispiel: Mit ihrer Kollegin Merlina Scheffler hat sie das Theaterstück „Inside“ kreiert. „Wir haben uns mit Lebensfragen beschäftigt: Was passiert nach dem Tod? Wo sind wir vor der Geburt? Sind wir da vielleicht sogar im selben Raum? Gibt es Wiedergeburt? Wirkt sich unser Leben auf das nächste Leben aus? Fangen wir wieder bei null an, oder tragen wir das Wissen von früheren Leben in uns? All das haben wir versucht, in unserem Stück umzusetzen.“
„Das wär's doch! Also, She'loe-Mädels: Wenn ihr das hier lest, dann meldet euch bei mir. Und wir machen zum 20-Jährigen einen richtig coolen Auftritt zusammen.“
Manon Magnet
Auch musikalisch gibt es Neuigkeiten. „Nach She'loe habe ich zunächst einmal viel herumexperimentiert – aber jetzt habe ich meinen ersten wirklich eigenen Song herausgebracht“, erzählt sie: selbst geschrieben, selbst gesungen und auch selbst produziert. „Voodoo You“ – so heißt der Song – ist eine Gute-Laune-Tanznummer „und handelt von einer jungen Frau, die ausgeht und das macht, was sie will, und sich das nimmt, was sie will“. Manon schmunzelt. Klingt irgendwie typisch nach ihr. Mit der Veröffentlichung geht Manon neue Wege: Vorerst ist die Single nur als NFT erhältlich – „Non-Fungible Token“ – auf OpenSea.io. Bezahlt wird mit Kryptowährung – direkt an den Künstler. „Das soll die Zukunft der Musikbranche werden. Es ist eine ganz neue Art, ein direkter Draht des Künstlers zu seinen Fans.“ Ab dem 10. Mai ist „Voodoo You“ dann auch auf allen anderen Streamingplattformen erhältlich.
Wir haben das Teehaus erreicht, setzen uns in die Sonne und bestellen Flammkuchen und hausgemachte Limonade. „Ich bin wirklich glücklich mit meinem Leben“, sagt die Koblenzerin, die weit herumgekommen ist. 20 Jahre She'loe – das schreit doch eigentlich nach einer Wiedervereinigung, oder? Manon Magnet lacht auf und ihre Augen funkeln. „Das wär's doch! Also, She'loe-Mädels: Wenn ihr das hier lest, dann meldet euch bei mir. Und wir machen zum 20-Jährigen einen richtig coolen Auftritt zusammen.“ Kann sie denn noch die alte Choreografie, oder zwickt die Hüfte inzwischen? „Ey, ich bin erst 40“, lacht Manon und legt im Sitzen los: „Sexy Bewegungen, mit viel Armwedeln und so – das haben wir uns doch schnell wieder draufgeschafft. Und den Text kennen wir auch noch.“ Dann los: „Head over Heels“ – „Hals über Kopf“ – ins neue Abenteuer.
Ein Video des Ausflugs sehen Sie unter ku-rz.de/manonmagnet