Offener Brief an AfD-Chef Uwe Junge: Vorn der Biedermann, gleich dahinter geifernde Brandstifter
Sehr geehrter Herr Junge,
ich könnte es mir leicht machen. Ich könnte über Ihr kurzes Gastspiel bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ witzeln: „Kommt ein Preuße ins Rheinland...“ Ich könnte über Ihren wunderlichen Abgang spötteln: Politiker mit Pickelhaube gibt also einem Kabarettisten mit scharfer Zunge, der seine Partei kritisiert hat, ungewollt den Ritterschlag. Ui-jui-jui-au-au-au …Ich könnte Sie ironisch einzigartig nennen. Ich kenne viele, die in diese Fernsehsitzung roi wolle. Dass ein Politiker dort partout wieder enaus will, ist neu. Ich könnte Sie fragen: Wären Sie nach Lars Reichows Kritik an der AfD („Wir lassen uns unsere Menschlichkeit nicht durch den Dreck ziehen“) auch dann schon aus der Narrhalla ausmarschiert, wenn man Sie bis dahin noch nicht vor Millionen Zuschauern begrüßt hätte? Ich könnte Ihnen auch vorhalten, dass Ihr Humor für Fastnacht einfach nicht reicht und Sie bei Beck, Brüderle, Klöckner & Co. mal nachfragen sollten, wie man das Recht auf das freie Narrenwort erträgt.
Aber dieses Thema ist mir viel zu ernst, um Witze darüber zu machen. Sehr geehrter Herr Junge, Fastnachtsthemensprecher Lars Reichow, „Guddi Gutenberg“ Hans-Peter Betz und „Obermessdiener“ Andreas Schmitt haben ihr närrisches Salz in offene Flanken der AfD gerieben. Ihre Parteigänger und Sie heulen deshalb so laut auf, weil die Narren zielsicher wunde Punkte der AfD getroffen haben: Intoleranz, Hetze – und eine mangelnde Abgrenzung nach Rechtsaußen.Vor den Fernsehkameras präsentierten Sie sich in alter Preußenherrlichkeit. Die AfD-Wahrheit aber blitzt nicht golden. Im Internet, da zeigen Sie ganz offen, gegen welche Anhänger Sie nichts haben und nichts tun. Eines von vielen Beispielen: Einen Tag vor der Fernsehsitzung veröffentlichte die von Ihnen geführte AfD Rheinland-Pfalz in ihrem Facebook-Auftritt den Link zu einem Text von Focus.de über die Hetze von Ditib-Anhängern gegen Deutschland.

Ihr Christian Lindner