Berufliche oder auch private Be- oder Überlastung des Pflegepersonals kann genauso zu Misshandlungen führen wie eine gestörte Persönlichkeit der Täter. Sie können zum Beispiel selbst Gewalt erlitten haben oder glauben, im gesellschaftlichen Auftrag zu handeln, sagen Studien. Ein Überblick über verschiedene Erklärungsansätze:
1 Das Überlastungsmodell interpretiert Gewalt als Reaktion auf die Pflegesituation insgesamt. Dabei treffen eigene Belastungsgrenzen psychischer oder körperlicher Art mit den Anforderungen des Pflegebetriebs zusammen: Pflegebedürftige sollen individuell mit professionellem Wissen und freundlich versorgt werden – und das möglichst unabhängig von der Zahl der zu versorgenden Menschen. Mögliche Folgen für die Pflegenden: Erschöpfung aufgrund lang anhaltender Überanstrengung und Schlafentzug. Mitgefühl oder Mitleid können ebenso verloren gehen wie Berufsideale. Erregbarkeit und Gereiztheit nehmen zu. Die gepflegte Person wird von der Pflegeperson quasi als Ursache dieser Symptome betrachtet und im äußersten Fall Opfer von Gewalt.
2 Entstehung von Aggressivität in der Pflege kann auch als Folge aus der Lebensgeschichte einzelner Täter verstanden werden: Eigenes Erleiden von Beschimpfung oder körperlicher Gewalt kann demnach zur Nachahmung führen – aus Rache für erlittene Demütigungen oder als Machtdemonstration.
3 Ein mehr institutionell geprägter Erklärungsansatz für Gewalt in der Pflege ist das Kontrollmodell. Die Misshandlung alter Menschen ist demnach auf mangelnde formelle und informelle Kontrolle des Lebens und Arbeitens innerhalb des Heims oder auf Defizite der behördlichen Heimaufsicht zurückzuführen. Dies setzt allerdings ein Menschenbild voraus, das dem einzelnen Mitarbeiter kaum Handlungsverantwortung zuordnet.
4 Als Machtmodell wird eine Misshandlung alter Menschen verstanden, bei der Machtausübung oder Machtmissbrauch im Vordergrund stehen. Sadismus wird dabei als ein Gefühl erklärt, das nicht plötzlich auftaucht, sondern langsam in einem Lebenslauf entsteht.
5 Der Psychiater Karl Beine weist darauf hin, dass Täter zum Teil ausführen, was in ihrer Umgebung gedacht wird – oder das zumindest glauben. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem vermuteten gesellschaftlichen Auftrag, die Pflegebedürftigen von ihrem „Leid“ zu erlösen. Es sei wichtig, solche Gedankengänge möglichst früh zu erkennen und daraus abgeleiteten Handlungen vorzubeugen, um damit Pflegebedürftige zu schützen.
Im Einzelfall werden vermutlich mehrere dieser Ansätze gleichzeitig als Erklärung der Motive von Gewalt in der Pflege eine Rolle spielen.
Quellen: ZQP-Report Gewaltprävention in der Pflege/pflegewiki