Koblenz/Saarlouis

Yeboah-Fall: Weiterer Angeklagter vor Gericht

Von dpa
Gedenkkundgebung für Samuel Yeboah
Ein Gedenkstein in Saarlouis erinnert an den Brandanschlag, bei dem 1991 der ghanaische Asylbewerber Samuel Yeboah ums Leben kam. Foto: Harald Tittel/dpa

Hat ein damaliger Skinhead seinen Bekannten zu einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim ermutigt? Mit dieser Frage beschäftigt sich ab heute das Oberlandesgericht Koblenz – mehr als 32 Jahre nach der Tat.

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Was geschah an dem Abend vor gut 32 Jahren?

Rückblick auf einen folgenreichen Abend: Der nun Angeklagte soll sich in der Nacht vom 18. auf den 19. September 1991 mit zwei weiteren Männern in einer Gaststätte in Saarlouis getroffen haben. So schildert es die Generalbundesanwaltschaft. „Die Gruppe tauschte sich über die seinerzeit zahlreichen vor allem in Ostdeutschland stattfindenden rassistisch motivierten Anschläge auf Unterkünfte für Ausländer aus“, heißt es zu den Vorwürfen. An diesem Abend soll der heute 54-Jährige gesagt haben: „Hier müsste auch mal so was brennen oder passieren.“

Dadurch soll einer seiner Begleiter beeinflusst und bestärkt worden sein, schreibt die Generalbundesanwaltschaft. Der heute 52-Jährige hat nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz 1991 Feuer in dem Asylbewerberheim in Saarlouis gelegt. Bei dem Brand starb der 27-jährige Asylbewerber Samuel Yeboah aus dem westafrikanischen Ghana. Zwei andere Hausbewohner sprangen aus einem Fenster und verletzten sich. 18 weitere Bewohner konnten unverletzt fliehen.

Erst im vergangenen Oktober wurde der 52-Jährige unter anderem wegen Mord und versuchten Mordes zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Jugendstrafe wurde angewandt, weil der Mann zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die ursprünglichen Ermittlungen hatte die saarländische Polizei vor rund 30 Jahren zunächst eingestellt – und sich später für Defizite in ihrer Arbeit entschuldigt. Dass der Fall nach so vielen Jahren doch noch vor Gericht landete, ist einer Verkettung von Ereignissen zuzuschreiben – und der mutmaßlichen Unvorsichtigkeit des mittlerweile Verurteilten. 2007 soll der 52 Jahre alte Deutsche auf einem Grillfest zu einer Zeugin gesagt haben: „Das war ich, und sie haben mich nie erwischt.“ Erst nach einigen Jahren, als die Zeugin erfuhr, dass bei dem Brand jemand gestorben war, meldete sie sich bei der Polizei.

Welche Rolle spielten die Worte des nun Angeklagten?

Nun beschäftigt der Fall wieder das Gericht: Es soll die Frage klären, ob sich der nun Angeklagte der Beihilfe zum Mord und der Beihilfe zu versuchtem Mord in 20 Fällen schuldig gemacht hat. Nach Auffassung der Generalbundesanwaltschaft vertritt der 54 Jahre alte Deutsche „eine von nationalsozialistischen und rassistischen Überzeugungen geprägte Ideologie“. Er habe damals eine führende Rolle in der lokalen Skinhead-Szene innegehabt, und der verurteilte Täter sei ihm untergeben gewesen. Der 54-Jährige wurde bereits während des noch laufenden ersten Prozesses festgenommen und sitzt seit Juni 2023 in Untersuchungshaft. Verhandlungstermine sind bereits bis Juni geplant.

Wie läuft die politische Aufarbeitung weiter?

Nicht nur juristisch ist der Brandanschlag nach über 30 Jahren bisher nicht abgeschlossen, er beschäftigt auch noch die Politik. Im Oktober nahm im saarländischen Landtag ein Untersuchungsausschuss namens „Rassistische Anschlagserie“ seine Arbeit auf. Er untersucht auch den Brandanschlag in Saarlouis und will „Fehler im Handeln und mögliches Unterlassen der saarländischen Landesregierungen und ihrer nachgeordneten Behörden“ aufklären. Derzeit sei man dabei, Akten zu studieren, die von verschiedenen Stellen angefordert wurden, sagte die Vorsitzende des Ausschusses, Sevim Kaya-Karadag (SPD).

Noch sei nicht alles Material zur Prüfung eingetroffen. Erst im Anschluss könne der Ausschuss in die Beweisaufnahme starten, die dann öffentlich sein werde. „Wir haben uns Transparenz und ordentliches Arbeiten auf die Fahne geschrieben“, sagte Kaya-Karadag. In der bisherigen Vorbereitungsphase hatte der Ausschuss nicht-öffentlich getagt. „Wir brauchen noch ein bisschen Zeit.“ Die nächste Sitzung des Ausschusses sei am 12. März.

Von Mona Wenisch und Birgit Reichert