Die Kassenärztliche Vereinigung äußert sich zu möglichen Honorarrückzahlungen und der Rolle des Milliardenfonds von Bund und Ländern.
36 Arztpraxen im Ahrtal sind durch die Flutkatastrophe Mitte Juli ganz oder teilweise zerstört worden. Viele Ärzte befürchten, dass sie ihnen Anfang 2022 Honorarrückzahlungen drohen, weil sie im zweiten Quartal wegen der zerstörten Praxen weniger Patienten als im Vorjahr behandeln konnten. Wir haben die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gefragt, ob diese Befürchtungen begründet sind und wie der Wiederaufbau der Arztpraxen finanziert werden soll. Hier sind die Antworten der KV:
Wie bewerten Sie die ärztliche Versorgung im Ahrtal?
Die Ärzte der 36 betroffenen Praxen haben den Regelbetrieb – zum Teil auch in anderen Räumlichkeiten – wieder aufgenommen. Die ambulante Versorgung ist mithin sichergestellt.
Wie hoch sind die Gesamtschäden in den betroffenen Praxen?
Die Schätzungen der Sachkosten sowie des Verdienstausfalls liegen uns nicht vor.
Müssen sich die Ärzte darauf einstellen, dass sie die erhaltenen monatlichen Vorauszahlungen in Teilen oder ganz wegen der zerstörten Praxen fehlenden Patienten zurückzahlen müssen?
Sollten die gezahlten Abschlagzahlungen höher sein als der Honoraranspruch, werden individuelle Regelungen mit den betroffenen Praxen über die Rückzahlung getroffen. So ist eine Rückzahlung über einen längeren Zeitraum denkbar.
Welche Alternativen gibt es?
Zur Wiederaufbauhilfe empfiehlt die KV Rheinland-Pfalz den betroffenen Praxen die Nutzung der vom Bund und Land bereitgestellten Wiederaufbauhilfen. Auch geschädigte Praxen haben damit die Möglichkeit, staatliche finanzielle Hilfen zu erhalten. Ab sofort können die Anträge gestellt werden. Das Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz vom September regelt die Errichtung eines Fonds „Aufbauhilfe 2021“ als Sondervermögen des Bundes.
Damit wurde die Grundlage zur Gewährung finanzieller Mittel in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro zur wirksamen Beseitigung der durch den Starkregen und das Hochwasser entstandenen Schäden im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen und zum Wiederaufbau der Infrastruktur geschaffen. Arztpraxen können bis zu 80 Prozent der erlittenen Schäden und Einkommenseinbußen erstattet bekommen. Der Fonds greift auch, wenn die Betroffenen versichert sind.
Dann sind die Ansprüche gegen die Versicherung jedoch abzutreten. Gleiches gilt für eventuelle Stützungsmaßnahmen auf Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der KV Rheinland-Pfalz. Den Mitgliedern gehen bei Beantragung der Landes- und Bundesmittel keine Ansprüche gegenüber der KV Rheinland-Pfalz verloren, da diese bei Inanspruchnahme des Fonds unter die Abtretungsregel entfallen.
Was ist der Unterschied zwischen den Stützungsregeln der KV und dem Wiederaufbauhilfefonds?
Die Wiederaufbauhilfe des Fonds „Aufbauhilfe 2021“ deckt deutlich mehr Sachverhalte als die Stützungsregeln des Honorarverteilungsmaßstabs der KV ab.
Umfang der Wiederaufbauhilfe des Fonds „Aufbauhilfe 2021“:
- Einkommensausfälle bis zu 80 Prozent bei GKV-Erlösen
- Einkommensausfälle bis zu 80 Prozent bei weiteren Einnahmen (zum Beispiel Privatpatienten oder Gutachtertätigkeit)
- Schäden an Gebäuden bis zu 80 Prozent
- Schäden an Inventar bis zu 80 Prozent
Stützungsumfang gemäß HVM der KV bei unvorhergesehenem Patientenrückgang:
- Umsatzeinbußen bis zu 75 Prozent bei GKV-Erlösen
Es ist die Rede davon, es gebe Verhandlungen zwischen der KV und den Kassen mit Blick auf die Honorarausfälle der zerstörten Praxen im Ahrtal. Was ist der Stand dieser Verhandlungen?
Die Gespräche mit den Krankenkassen beziehen sich auf die Schätzung der Honorare der betroffenen Praxen, falls diese aufgrund zerstörten IT-Infrastruktur ihre erbrachten Leistungen nicht oder nur in Papierform dokumentieren konnten. Hierfür sind die Krankenkassen einzubeziehen. Ziel ist es, eine Einigung mit den Krankenkassen bis Ende das Jahres zu erzielen, so dass eine Auszahlung der Honorare auf Schätzbasis zeitgleich mit den übrigen – von der Flut nicht betroffenen Praxen – erfolgen kann.
Was bedeutet das konkret?
Zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen ist unter bestimmten Voraussetzungen, wie bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, kein Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte oder ein funktionsfähiges Praxisverwaltungssystem notwendig. Dementsprechend wird die ärztliche Leistung vergütet. Dringend empfehlen wir die Dokumentation der Leistungen zum Beispiel auf Papier. Die Abrechnungsordnung der KV Rheinland- Pfalz und die Verträge mit den Krankenkassen sehen die Möglichkeit zur Honorarschätzung vor. Voraussetzung ist, dass weder die vertragsärztliche Praxis noch die KV Rheinland-Pfalz die mangelnde Leistungsdokumentation zu vertreten haben. Zur Ermittlung der Schätzungsbeträge führt die KV RLP aktuell individuelle Interviews mit allen betroffenen Praxen, die uns im Rahmen der Vorabfrage gemeldet haben, dass diese keine elektronische Abrechnung gemäß den bundesweiten Vorgaben einreichen können. Somit wird eine Vergütung der geleisteten Arbeit sichergestellt werden. Die KV wird im Anschluss das Einvernehmen mit den Kassen dazu herstellen.
Weitere Infos zur Wiederaufbauhilfe finden die betroffenen Ärzte im Ahrtal auf der Internetseite www.wiederaufbau.rlp.de. Dort gibt es Informationen zur Wiederaufbauhilfe, Antworten auf die häufigsten Fragen.
Ab Antragsstart gelangt man über die Internetseite auch zu den Formularen.