Dass die Extremwetterphänomene eng mit dem Klimawandel zusammenhängen, bestreitet kaum noch jemand. „Bei einer Erwärmung von 2 Grad oder gar mehr müssen wir mit noch viel heftigeren Extremwetterereignissen rechnen“, sagt der Chef des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner. Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt. Laut UBA würde ein ungebremster Klimawandel erhebliche Schäden für Natur, Infrastruktur und das Wirtschaftssystem in Deutschland mit sich bringen. Und die jetzigen Starkregenereignisse haben laut Messner gezeigt: Ohne ambitionierten Klimaschutz wird sich die Lage verschlimmern. Ohne Anpassung an die neuen Herausforderungen allerdings auch. Denn: Wenn Länder und Kommunen keine Maßnahmen treffen, um gegen sintflutartige Regenergüsse oder Hitzewellen wie jüngst in Kanada gewappnet zu sein, sind viele Menschenleben gefährdet.
Keine Hitzeschutzpläne für Kliniken
Der Vorsitzende des Vereins Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit, Martin Herrmann, geht davon aus, dass auch die Gesundheitsversorgung derzeit nicht optimal auf Extremwetter eingestellt ist. „Die meisten Krankenhäuser haben zwar vorbereitete Pläne, wie sie mit dem Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten umgehen. Aber ob sie bei extremen Wetterereignissen strukturell und personell die eigene Leistungsfähigkeit aufrechterhalten können, ist völlig unklar“, sagt Herrmann. Er kritisiert, dass es flächendeckend auch keine Hitzeschutzpläne für Kliniken oder Praxen gebe.
Bund und Länder müssen gemeinsam neue Wege zur Anpassung an den Klimawandel finden, meint Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Zu diesem Zweck schlägt die SPD-Politikerin sogar vor, das Grundgesetz zu ändern. Nur so könnte der Bund dauerhaft Mittel für die Klimavorsorge bereitstellen. Bislang sind ihm die Hände gebunden. „Wir müssen jetzt diese nationale Katastrophe national beantworten.“ Erst Anfang Juli war das erste bundesweite Beratungszentrum zur Klimaanpassung in Kommunen an den Start gegangen. Es hilft und berät etwa in Pflege- oder Obdachlosenheimen, damit Bewohner bei Höchsttemperaturen im Schatten sitzen können.
Umweltverbände fordern indes Sofortmaßnahmen, um die Klimaanpassung in Deutschland voranzubringen. Der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, regt an, „den bisher vernachlässigten Hochwasserschutz in den Mittelpunkt der Politik zu stellen“. So müssten neben größeren Flüssen auch kleinere Fließgewässer künftig eine wichtige Rolle spielen.
Keine ideologische Frage
Längst bestimmt die Flutkatastrophe auch den Bundestagswahlkampf. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mahnte einen „Klimaruck“ an. Starkregenereignisse ließen sich nicht vorhersehen und führten zu dramatischen Entwicklungen, „dass in Sekundenbruchteilen ein Geröll-, Schlamm- und Muren-Tsunami in eine kleine Ortschaft kommen kann“. Klimaanpassung und Klimaschutz seien keine ideologische Frage, sondern „eine Frage der Vernunft“. Söder verlangte einen „gemeinsamen Geist“ beim Klima- und Hochwasserschutz. „Weil es ist tatsächlich so: Es passiert etwas, eine Katastrophe – alle sind bereit, alle wollen mitmachen. Und je länger die Katastrophe wieder zurückliegt, desto weniger Bereitschaft ist da.“ Man dürfe „nicht immer alles endlos zerreden“.
Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock fordert: Warnketten müssten verbessert werden. Städte müssten umgebaut werden, Flüssen müsse mehr Raum gegeben werden. „Das ist kein Entweder-oder zwischen Klimavorsorge, Klimaanpassung und Klimaschutz, sondern ein Dreiklang, der eigentlich in den ganzen Klimaschutzverträgen weltweit auch genauso beschlossen ist.“ Von der CDU forderte die Grünen-Chefin, den Widerstand gegen ein striktes Bauverbot in Hochwasserrisikogebieten aufzugeben.
Ob so schwere Unglücke abzuwenden sind, ist unklar. Statistisch gesicherte Aussagen über die Starkniederschläge der Zukunft lassen sich laut Umweltbundesamt bislang nicht treffen. Klar ist nur: Der Klimawandel ist längst in Deutschland angekommen – und wird nicht wie ein vorübergehendes Wettertief wieder abziehen.
Fatima Abbas/ck