Rheinland-Pfalz

Wenn die Versicherung fehlt: Spezielle Policen sind sehr teuer oder nicht verfügbar

Von Gisela Kirschstein, Ursula Samary
Schlamm und Wasser im Keller sind das eine, manche Häuser hat die Flutwelle aber derart zerstört, dass nur noch der Abriss bleibt. Wer nicht versichert ist, bleibt auf hohen Kosten sitzen. Eine Elementarschadenversicherung haben allerdings nur 37 Prozent der Hauseigentümer in Rheinland-Pfalz.
Schlamm und Wasser im Keller sind das eine, manche Häuser hat die Flutwelle aber derart zerstört, dass nur noch der Abriss bleibt. Wer nicht versichert ist, bleibt auf hohen Kosten sitzen. Eine Elementarschadenversicherung haben allerdings nur 37 Prozent der Hauseigentümer in Rheinland-Pfalz. Foto: dpa

Nach den Zerstörungen durch die Fluten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ruhen die Hoffnungen vieler auf den Versicherungen – doch das könnte bitter werden: Gegen Schäden durch solche Unwetter hilft nur eine Elementarschadensversicherung, doch gerade in gefährdeten Gebieten haben Hausbesitzer die oftmals gar nicht. Lediglich 37 Prozent der Wohngebäude in Rheinland-Pfalz sind gegen Elementarschäden versichert, heißt es aus dem Mainzer Klimaschutzministerium – Gründe sind hohe Kosten, Sorglosigkeit und Versäumnisse der Politik.

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„37 Prozent der privaten Gebäude, das ist ein Witz“, sagt Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Bundesweit seien immerhin 43 Prozent der Wohngebäude gegen Elementarschäden versichert, die geringe Versicherungsdichte in Rheinland-Pfalz könne „existenzgefährdende Folgen haben“, heißt es in einem Marktcheck der Verbraucherzentrale vom Oktober 2020. Die geringe Versicherungsdichte sei „alarmierend“.

Die Versicherungswirtschaft mache dafür gern das fehlende Problembewusstsein der Bevölkerung verantwortlich, sagt Wortberg im Gespräch mit unserer Zeitung, beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) heiße es immer wieder, 99 Prozent der Hauseigentümer könnten auch gegen Elementarschäden „problemlos“ versichert werden.

Tatsächlich betonte gerade der Chefklimatologe des Großversicherers Munich Re, Ernst Rauch, gegenüber dem „Spiegel“, Elementarschadenversicherungen kosteten in aller Regel lediglich ein paar Hundert Euro im Jahr, ihre Verfügbarkeit sei „kein Thema, bei dem man Sorge haben muss“ – einer staatlichen Fürsorge bedürfe es schon gar nicht. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz zur Versicherbarkeit von Elementarschäden in Wohngebäudeversicherungen kam schon im Herbst 2017 zu einem anderen Ergebnis: Danach waren viele Gebäude entweder gar nicht oder nur zu exorbitant hohen Prämien versicherbar. Und ausgerechnet Menschen, deren Häuser in Hochwassergebieten stehen, „können sich nach den eigenen Angaben der Versicherer gar nicht versichern“, betont der Experte. Rheinland-Pfalz wollte das bereits 2016 ändern, damals schreckten die ersten Starkregenereignisse an der Nahe und in der Eifel das Land auf: Am 4. Juni 2016 traf es die Gemeinde Grafschaft im Kreis Ahrweiler, am 24. Juni 2016 verwüstete der Guldenbach Stromberg im Kreis Bad Kreuznach. Danach forderte Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) eine bundesweite Versicherungspflicht gegen Elementarschäden für Hausbesitzer, Rheinland-Pfalz startete gleich mehrere Initiativen auf Bundesebene – vergeblich: „Die Versicherungspflicht wurde auf Bundesebene abgelehnt“, sagte die Sprecherin des heutigen Klimaschutzministeriums, Josefine Keller, auf Anfrage. „Ein solcher Baustein scheint aktuell kaum umsetzbar.“ Rheinland-Pfalz werde das Thema aber weiter verfolgen – beim Ortstermin an der Ahr deutete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gar Bewegung bei dem Thema Versicherung an.

Dabei würde eine Pflichtversicherung gleich mehrere Probleme lösen, sagt Wortberg: „Bei einer Pflichtversicherung hätten Sie in Deutschland Millionen von Versicherungsverträgen, die könnte man günstig anbieten, weil es so viele sind.“ Damit ließen sich „Riesenschäden quasi aus der Portokasse bezahlen“. Gleichzeitig aber habe die Ministerpräsidentenkonferenz 2017 beschlossen, dass nur noch derjenige staatliche Hilfe bei Unwetterschäden erhalte, wer sich erfolglos um eine Versicherung bemüht habe oder dem diese nur zu wirtschaftlich unzumutbaren Bedingungen angeboten worden sei. Wer dies beschließe, müsse – so Wortberg – für bezahlbare Versicherungskonditionen sorgen.

Für Justizminister Herbert Mertin (FDP) ist eine Pflichtversicherung schnell gefordert, aber nicht unbedingt eine Patenlösung – auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. „Es würde das Lebensrisiko eines abgrenzbaren Bevölkerungskreises auf die gesamte Versichertengemeinschaft verlagert“ obwohl sich praktisch jeder Eigentümer versichern könne. Mertin befürchtet auch einen hohen Verwaltungsaufwand für Versicherer wie Staat, um die Pflichtversicherung zu kontrollieren und notfalls auch zu sanktionieren. Zudem sieht Mertin die Gefahr, „den wirtschaftlichen Anreiz nehmen, vorbeugend in den Hochwasserschutz zu investieren“.

Das Klimaschutzministerium verweist derweil auf die bereits 2013 gestartete Elementarschadenkampagne, auch mit kostenfreier Beratung durch die Verbraucherzentrale. „Wir fahren seit heute eine erweiterte Hotline, wer Fragen hat, kann sich an uns wenden“, sagt Wortberg: Man gebe den aktuell Betroffenen Ersthilfe und berate sie auch dabei, wie man den Schaden am schlauesten melde – und wie man Druck auf die Versicherung ausüben könne.

Gisela Kirschstein/us