Rheinland-Pfalz

Untersuchungsausschuss zur Ahr-Flut: Ist Dreyers Befragung das große Finale?

Von Bastian Hauck, Sebastian Stein, dpa
Viele Fragen hat Regierungschefin Dreyer bereits bei ihrer ersten Vernehmung im April 2022 beantwortet. „Die Flutkatastrophe vom 14. zum 15. Juli ist eine Zäsur in unserem Land“, sagte sie damals. Auf Wunsch der CDU wird auch ein Gutachter zum Krisenmanagement der ADD gehört. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Viele Fragen hat Regierungschefin Dreyer bereits bei ihrer ersten Vernehmung im April 2022 beantwortet. „Die Flutkatastrophe vom 14. zum 15. Juli ist eine Zäsur in unserem Land“, sagte sie damals. Auf Wunsch der CDU wird auch ein Gutachter zum Krisenmanagement der ADD gehört. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ministerpräsidentin Malu Dreyer muss am Freitag (24. März) zum zweiten Mal zur Flutkatastrophe aussagen. Es geht um die Frage, ob sie als Regierungschefin für das schlechte Management der Katastrophe Verantwortung tragen muss.

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Schon mehrfach war das Ende des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe vorausgesagt worden. Doch immer wieder gab es in den vergangenen Monaten neue Enthüllungen und Überraschungen zu den Fehlern der rheinland-pfälzischen Landesregierung oder ihrer Behörden. An diesem Freitag könnte womöglich der letzte „Höhepunkt“ der Befragungen von Regierungsmitgliedern anstehen.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) muss sich dann ein zweites Mal vor dem Untersuchungsausschuss erklären. Ihre erste Aussage liegt inzwischen fast ein Jahr zurück. Seitdem hat sich eine völlig neue Lage ergeben.

Was ist seit der ersten Befragung geschehen?

Videos aus einem rheinland-pfälzischen Polizeihubschrauber, der die schreckliche Lage im Ahrtal dokumentierte, tauchten auf. Die Crew selbst schickte nach ihrem Flug kurz vor 23.30 Uhr, als die Flutwelle Sinzig noch nicht erreicht hatte, eindringliche Warnsignale ins Innenministerium. Der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) trat schließlich zurück.

Wegen der neuen Informationslage hält die Opposition im Landtag eine zweite Befragung Dreyers für nötig. Doch welche Rolle spielte Dreyer nun? Die Opposition wirft ihr und ihrer Regierung eine unzureichende Kommunikation vor und während der Flutnacht, ein „planloses“ Krisenmanagement sowie Fehlbewertungen vor. Dafür trage die SPD-Regierungschefin die politische Gesamtverantwortung.

Was wusste Dreyer über das Ausmaß der Flut?

Im Fokus der vergangenen Monate standen die beiden zuständigen Fachministerien – Innen- sowie Umweltressort. Beide verantwortlichen Minister – Anne Spiegel (Grüne) und Roger Lewentz (SPD) – waren im vergangenen Jahr zurückgetreten. Was Dreyer aus ihrem Kabinett wusste, enthüllten im vergangenen Jahr veröffentlichte Chatprotokolle aus der Flutnacht, über die unsere Zeitung exklusiv berichtet hatte.

Demnach stand sie am Abend mit Lewentz in Kontakt. Um 21.44 Uhr schrieb sie ihm nach kurzem Austausch über die Lage: „Okay. Schönen Abend.“ Zuvor hatte Dreyer gefragt, ob Anne (gemeint ist die damalige Umweltministerin Spiegel) auch informiert sei – „Sie ist ja echt ein bisschen nervös“.

Fehlender Kontakt ist Kommunikationsversagen

Lewentz antwortete, dass er das nicht wisse, sie habe ihr eigenes Lagesystem. Die Opposition interpretiert den fehlenden Kontakt zwischen den Ministerien als Kommunikationsversagen der Landesregierung. Dreyer wird vorgeworfen, sich selbst im Anschluss nicht weiter gekümmert zu haben.

Im Ausschuss sagte die Regierungschefin, sie habe „keinen Hinweis gehabt, dass es zu einer nie da gewesenen Katastrophe kommen würde“. Später bekräftigte sie: „Das Ausmaß war in keiner Weise abzusehen.“ Ähnlich äußerte sich auch lange der zurückgetretene Innenminister. Ein „belastbares Lagebild“ habe am Abend des 14. Juli gefehlt. Doch diese Aussagen gelten inzwischen als widerlegt.

Was tat Dreyer in der Flutnacht?

Sie habe in ihrer Mainzer Wohnung am Abend noch mit ihrem Mann telefoniert und anschließend Akten bearbeitet, sagte Dreyer im April. Ins Bett sei sie erst „spätnachts“ gegangen. Nach dem kurzen Schriftwechsel mit Lewentz unternahm Dreyer zum Thema Flut nichts mehr – zumindest soweit derzeit bekannt. Um kurz vor eins schickte Lewentz an Dreyer zwar einen ersten ausführlichen Lagebericht – von „wohl“ eingestürzten Häusern, möglichen Todesfällen, Hubschraubern und „ganz traurigen Szenen“ ist da die Rede.

Der Innenminister erreichte die Ministerpräsidentin aber weder per Anruf knapp 20 Minuten zuvor noch mit dieser SMS. Im April sagte die Ministerpräsidentin dazu im Ausschuss, dass sie den Anruf vermutlich nicht gehört und die Nachricht wahrscheinlich erst am Morgen zwischen 5 und 5.15 Uhr gelesen habe.

Was ist von der Sitzung am Freitag zu erwarten?

Vor Dreyers Vernehmung stellt am Freitag Dominic Gißler, Lehrstuhlinhaber für Führung im Bevölkerungsschutz an der Akkon Hochschule in Berlin, ein Gutachten zum Krisenmanagement der ADD nach der Flutkatastrophe vor. Damit könnte die Opposition Dreyer im Anschluss konfrontieren. Sofern die Mitglieder mit der späten Vorlage des Gutachtens einverstanden sind.

Das Dokument sollte eigentlich bereits zehn Tage vor Freitag fertig sein, wie aus dem Umfeld des Ausschusses zu hören ist. Doch bis Mittwochmittag lag den Mitgliedern kein Gutachten vor. Bei Dreyers Befragung kommt ein weiteres formales Problem hinzu. Denn fraglich ist, wie viele der Oppositionsfragen am Freitag vom Vorsitzenden tatsächlich zugelassen werden. Viele Fragen hat die Regierungschefin bereits bei ihrer ersten Vernehmung beantwortet.

CDU und Freie Wähler wollen den USA-Urlaub der früheren Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), Begoña Hermann, nach der Flutkatastrophe im Ahrtal zum Thema im Untersuchungsausschuss machen.

Über einen entsprechenden Entschließungsantrag werde das Landtagsgremium an diesem Freitag in nicht-öffentlicher Sitzung entscheiden, sagte CDU-Obmann Dirk Herber. Ein Abteilungsleiter solle dazu gehört werden.

Disziplinarverfahren gegen Hermann

Gegen die pensionierte politische Beamtin läuft ein Disziplinarverfahren. Sie wird verdächtigt, noch während ihrer Dienstzeit im Juli 2021 kurz nach der Ahrflut einen dienstlichen Anlass vorgegeben zu haben, um für eine selbst gezahlte Privatreise in die USA gelangen zu können.

Reisen dorthin waren damals aufgrund von Corona-Beschränkungen weitgehend untersagt. Die ehemalige Beamtin hatte der dpa gesagt, dass sie sich angesichts der Vorwürfe rechtlich vertreten lasse. Zum laufenden Verfahren wollte sie bislang keine Stellung nehmen.

Urlaub war geplant und genehmigt

Zwei Tage nach der Flutwelle in der Nacht auf den 15. Juli 2021 hatte die ADD die Leitung des Katastrophenschutzes vom Landkreis Ahrweiler übernommen. Die damalige Vizepräsidentin war vom 31. Juli bis 13. August 2021 in dem längerfristig geplanten und genehmigten Urlaub gewesen.