Plus
Koblenz

Unser Corona-Jahr: Ein persönlicher Rückblick unserer Nachrichtenredaktion

Symbolbild
Symbolbild Foto: rzGrafik

Das „gebrauchte Jahr“ 2020, dieses Corona-Jahr, neigt sich endlich seinem wohlverdienten Ende zu. Seit nunmehr fast zehn Monaten begleitet uns die Pandemie mit ihren weltweiten Folgen. Allein in Deutschland sind mehr als 31 000 Menschen an oder mit Corona gestorben, weltweit sind es mittlerweile schon 1,8 Millionen Todesopfer.

Lesezeit: 1 Minute
Seniorinnen und Senioren müssen weiter mit der notwendigen Isolation in Altenheimen zurechtkommen. Ganz abgesehen von den Medizinern und Pflegekräften, die die Folgen der Corona-Infektionen hautnah erleben. Ganze Wirtschaftsbranchen stehen am Rande ihrer Existenz, die Zahl der Pleiten dürfte im kommenden Jahr sprunghaft steigen. Einzelhändler, Gastronomen, Dienstleister, Kulturschaffende: Sie alle haben ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
  • 4 Wochen für nur 99 Cent testen
  • ab dem zweiten Monat 9,99 €
  • Zugriff auf alle Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
E-Paper und
  • 4 Wochen gratis testen
  • ab dem zweiten Monat 37,- €
  • Zugriff auf das E-Paper
  • Zugriff auf tausende Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
Bereits Abonnent?

Fragen? Wir helfen gerne weiter:
Telefonisch unter 0261/9836-2000 oder per E-Mail an: aboservice@rhein-zeitung.net

Oder finden Sie hier das passende Abo.

Anzeige

Die Rückkehr der Zeit

Manfred Ruch hat in diesem Corona-Jahr das Nichtstun neu gelernt:

Manfred Ruch, stellvertretender Chefredakteur der Rhein-Zeitung
Foto: Jens Weber
Manfred Ruch, stellvertretender Chefredakteur der Rhein-Zeitung
Foto: Jens Weber

Wenn ich auf dieses irrsinnige Corona-Jahr zurückblicke, dann werde ich mich – neben all den bedrückenden Folgen – vor allem an eines erinnern: Ich nenne es die Rückkehr der Zeit. Ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal so verschwenderisch mit dieser wichtigsten Währung der modernen Welt umgehen konnte. Zeit ist so knapp. Vieles passiert parallel statt hintereinander. Und häufig in dem Gefühl, bei allem noch zu langsam zu sein, um dem allgegenwärtigen Muss gerecht zu werden. Und dann das! Plötzlich wird das eben noch scheinbar Dringende zur Marginalie. Eigentlich egal, ob es getan wird oder nicht. Es ändert nichts daran, dass sich die Welt in einem anderen, dem Corona-Rhythmus dreht. Auch Verein und Ehrenamt laufen auf Sparflamme. Und irgendwann ist jeder Schrankinhalt sortiert, jede Schublade ausgemistet und jeder Fleck im Garten hergerichtet. Und dann? War da in vielen Momenten plötzlich gar kein Muss. Hinsetzen. In sich hineinhören. Eine Stille, die zunächst durchaus beängstigend war. Doch wenn man akzeptiert, dass man im wahren Wortsinn Zeit hat, dann ist es ein wahrer Genuss, dass man den Dingen die nötige Aufmerksamkeit widmen darf. Und dass man die Zeit mit vollen Händen auch für etwas ganz Verrücktes ausgeben kann: für nichts. Davon möchte ich mir viel bewahren.

         E-Mail an: manfred.ruch@rhein-zeitung.net

Vom Glück des Gewohnten

Nicole Mieding zieht ihre eigenen Lehren aus dem Corona-Jahr

Nicole Mieding.
Nicole Mieding.
Foto: Jens Weber

Rar heißt ja auch kostbar: Seltenes wird besonders geschätzt. Mir hat im Corona-Jahr aber nicht das Außergewöhnliche gefehlt. Klar hätte ich gern Schwedens Schären durchsegelt. Weit schlimmer als der Verzicht auf meinen Sommerurlaub traf mich aber das Abhandenkommen von Alltäglichem. Das Vertraute fehlte: lieb gewonnene Gewohnheiten, die urplötzlich schwer machbar oder ganz und gar unmöglich waren. Das Gewohnte wurde rar. Ganz oben auf meiner persönlichen Vermisstenliste: Essen in Gesellschaft. Auch wenn ich jetzt eine nagelneue Küche habe (Danke, Corona – irgendwie muss man sich ja das andauernde Daheimbleiben schmackhaft machen), ist mir das Allein-vor-meinem-Teller-Sitzen nach ausgiebigen Kochexzessen eine Schmach. Vom Wein ganz zu schweigen! Der genießt sich einfach nicht gut allein. Es fehlt der Austausch, und Solotrinken sieht ja auch ganz schnell nach Verzweiflung aus. Meine Treffen mit Weinfreunden finden deshalb jetzt übers Internet statt. Ein Trost, kein Ersatz. 2020 hat mich gelehrt, was ich längst wusste – dass Wein geteilte Lebensfreude bedeutet und es beim Essen nicht bloß ums Sattwerden, sondern auch um Seelenfutter geht. Ach, neu ist auch noch meine Frischluftversicherung: Sie hat vier Pfoten, ist ein Pudelbaby und hört auf den Namen Cuno. Wenn sie Lust hat.

   E-Mail an: nicole.mieding@rhein-zeitung.net

Verliebt in die Heimat

Michael Defrancesco hat ganz neue Ecken entdeckt:

Michael Defrancesco.
Michael Defrancesco.
Foto: RZ

Wenn ich an böse Omen glauben würde, wäre dies eins gewesen: Anfang 2020 – als Corona-Zeitungsartikel noch die Ortsmarke „Wuhan“ hatten – strandete ich mit meiner Familie zum ersten Mal auf einem Flughafen. Wegen des Sandsturms „Calima“ konnten wir die Kanaren nicht verlassen und mussten – da wir schon eingecheckt waren – am Gate auf Stühlen und auf dem Boden übernachten. Kurze Zeit später war eine Reise ins Ausland dann gänzlich unmöglich: Corona hatte das Zepter übernommen. Wenn man wie ich Verwandtschaft in Österreich und in der Schweiz hat sowie eine Leidenschaft für Frankreich hegt, dann ist es ein komisches Gefühl, wenn Grenzen geschlossen werden. Wenn Vertrautes unerreichbar ist. Wenn die Lebensmittel, die wir uns stets aus dem Ausland mitbringen, zur Neige gehen und nicht nachgekauft werden können. Meine Familie und ich haben also neu die eigene Heimat in den Blick genommen: Wir unternahmen Schiffstouren auf Rhein und Mosel – weiter, als wir je geschippert waren. Wir entdeckten die Nationalparks Hunsrück-Hochwald und Eifel. Ich lernte den Soonwald kennen und viele mir unbekannte Ecken meiner Heimat. Natürlich kann ich den nächsten Auslandsurlaub kaum erwarten. Aber die Verbundenheit zu meiner Heimat ist seit diesem Jahr größer denn je.

   E-Mail an: michael.defrancesco@rhein-zeitung.net

Ein Geschenk des Himmels

Rainer Stauber freut sich über die Zuversicht der Mutter:

Es kommt einem mitunter ratzfatz über die Lippen: „2020? Ist für die Tonne, kann weg!“ Wirklich? 2020 beginnt mit einer Zeitreise: Nach 18 Jahren geht es zurück nach Grenzhausen. Dort steht das alte Häuschen der Mama, nur sie selbst ist nicht mehr da. In einem Pflegeheim kämpft sie darum, noch mal zurückzukehren. Im Frühjahr sieht es gut aus, dann kommt Corona. Es folgen Monate der Zettel und Briefe. „Diese Zeit wird dich ein Leben lang begleiten wie mich der Krieg“, schreibt sie. Und: „Wir haben schon so viel durchgestanden, dann schaffen wir das auch.“ Die Briefe und Besuche vorm Fenster geben Kraft. Ende Juli ist es so weit: Die Mutter kehrt zurück in ihr Zuhause – und blüht fortan auf. Weihnachten daheim – was für ein Geschenk des Himmels! Doch 2020 – das kann auch weg. Die letzte Umarmung? „Ach du liebes bisschen, wie geht das noch mal?“ Und dieses schreckliche „Ich-ich-ich“. „Ich Klopapier, ich Nudeln, ich feiern, ich Urlaub.“ Lockdown verleitet aber auch zu „lustigen Experimenten“. Das Rasieren kann man sich sparen, sieht ja keiner dank Maske. Die Faulheit endet spätestens dann, wenn das Gesichtsgestrüpp wieder abgemäht werden will. Autsch! Sei’s drum. Der Schlussdienst schaltet am 30. Dezember das Jahr aus. Am Silvestermorgen steht noch ein kleiner Einkauf an. Wobei Mutter weise sagt: „Wir haben doch alles.“

E-Mail an: rainer.stauber@rhein-zeitung.net

Die Helden von nebenan

Birgit Pielen zu den stillen Helfern in der Pandemie

Nachrichtenchefin Birgit Pielen
Nachrichtenchefin Birgit Pielen
Foto: Jens Weber

Am Silvesterabend, Punkt Mitternacht, beginnt meine neue Freiheit. Nach zwei Wochen Corona-Quarantäne darf ich die Wohnung verlassen und in das neue Jahr hineinspazieren. Dabei werde ich dankbar an die vielen stillen Helfer denken, die im Zenit der Krise für andere da sind. Mein familiärer Ausnahmezustand hat am 17. Dezember begonnen, als eines meiner Kinder positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurde. Nach dem ersten Schreck stellt sich schnell Routine in der Isolation ein. Wir haben häufig Kontakt zum Gesundheitsamt in Cochem. Mal erinnert uns jemand an das digitale Gesundheitstagebuch, mal erkundigt sich jemand nach dem Patienten. Bei einem der Telefonate plaudere ich mit einem Herrn, der erzählt, dass er Bundeswehrsoldat ist. Dass er seinen Urlaub verschoben hat, um im Gesundheitsamt zu helfen, und einer von 15 Soldaten dort ist. Insgesamt kümmern sich 65 Menschen um die Kontaktnachverfolgung. Unaufgeregt halten sie hinter den Kulissen das System aufrecht. Mein großer Dank an dieser Stelle gilt deshalb all jenen, die im Stillen Großes leisten. Die Helden, nach denen wir uns so oft sehnen, sind in Wirklichkeit unter uns. Direkt nebenan. Wir müssen nur unsere Perspektive wechseln. Vielleicht breitet sich Wertschätzung dann ebenso pandemisch aus wie das Virus. Das ist jedenfalls mein Wunsch für 2021.

   E-Mail an: birgit.pielen@rhein-zeitung.net

In uns ist viel Meer

Christian Kunst zu Erkenntnissen an der Waterkant

Als ich mich im Juni mit Freunden zum ersten Mal nach dem Ende des ersten Lockdowns traf, schwärmten einige von ihnen: Corona sei eine große Chance für sie, um ihr Leben ganz neu zu gestalten. Sie hätten den Frühling noch nie so genossen, den viel blaueren Himmel, die Ruhe, das Alleinsein. Man könne sich doch auch online begegnen, dort Sport zusammen treiben, singen, tanzen. Für mich wirkte das wie eine Provokation. Seit Wochen drehte sich in meinem Berufsleben fast alles nur noch um Corona. „Herr Professor“ nannte mich der Chef einmal, als ich mal wieder über die neuesten Erkenntnisse der Virologen schwadronierte. In dieser rastlosen Welt war wenig Platz und Zeit für Himmelsblau und virtuelle Gesänge. Wie schon so oft erdeten mich erst der Norden, Familie und Freunde. Wer an der Ostsee, am Strand von Boltenhagen oder Hiddensee, auf das Wasser und die Wolken schaut, der begreift, dass nichts, auch nicht Corona, den Weltenlauf anhalten kann. Das beruhigt sehr und lässt einen deutlich länger schlafen. Im Sommer habe ich erfahren, dass man Corona manchmal wie eine vom warmen Ostseeregen durchnässte Jacke ablegen kann. Man muss dafür nicht unbedingt ans Meer fahren. Oft reichen schon ein warmes Herz und ein wacher Verstand. Denn auch in uns ist viel Meer.

   E-Mail an: christian.kunst@rhein-zeitung.net

Was Nähe bedeutet

Anke Mersmann nimmt Gemeinschaft nicht mehr für selbstverständlich:

Anke Mersmann
Anke Mersmann
Foto: Jens Weber

Nach all diesen Corona-Monaten bin ich glücklich, sagen zu können: Allen, die mir lieb und wichtig sind, geht es noch immer gut in dieser Krise. Niemand ist bislang ernsthaft erkrankt, dafür bin ich sehr dankbar. Das wiegt für mich alles auf, auf das ich in diesem Jahr verzichten musste. Ich spreche nicht von Reisen, die geplant waren, nicht von Konzerten, Theaterabenden und Restaurantbesuchen. Ich spreche auch nicht von der ein oder anderen Party, die zu feiern gewesen wäre. All das Große, Glitzernde, Laute, die vermeintlich wichtigen Ereignisse, die sich normalerweise über das Jahr im Kalender sammeln – es ist schade drum, aber ihr Fehlen kann ich aushalten und auf andere Zeiten warten. Was ich wirklich als Verzicht empfinde und was ich vermisse, ist diese unbeschwerte Selbstverständlichkeit, mit der ich vor Corona Freunde und Familie treffen konnte: eine herzliche Umarmung, ein Beieinandersein, ohne auf Abstand achten zu müssen. Ich vermisse lange Abende mit mehreren Freunden. Und ich freue mich darauf, endlich wieder mit der kompletten Familie zusammen sein zu können, von meinen Eltern bis zur jüngsten Nichte, die geboren wurde, kurz bevor alles losging. All diese Momente von Gemeinsamkeit und Nähe habe ich vor Corona zwar genossen, aber irgendwie für selbstverständlich genommen. Jetzt weiß ich es besser.

   E-Mail an: anke.mersmann@rhein-zeitung.net

Was von 2020 bleiben darf

Claus Amborsius hat in diesem Jahr nichts ausgelassen:

Claus Ambrosius
Claus Ambrosius
Foto: RZ

Wenn ich in ein paar Jahren auf 2020 zurückblicken werde, dann nur, um nachzurechnen, wie lange ich schon verheiratet bin. Diesen ganz persönlichen Höhepunkt vom Beginn des Jahres möchte ich in Erinnerung behalten – und überhaupt das Glück und das Geschenk, nicht allein zu sein in solchen Zeiten. Nicht zurückdenken will ich an Wochen der Quarantäne. Nicht an das Warten auf ein Testergebnis. Nicht an das Abklopfen jedes Zwickens und Zwackens darauf, ob es sich vielleicht zu einem Symptom auswachsen könnte. Dann lieber noch mal ärgern über die ausgefallene Hochzeitsreise. Ob die Fluglinie wohl doch noch das Geld rausrückt? Und natürlich glücklich zurückdenken an das dampfende Essen, das eine Nachbarin unangekündigt vor die Tür des Quarantänehaushalts stellt. An den Nachbarn, der selbsttätig den Wocheneinkauf mit übernimmt und damit den lieben Menschen zuvorkommt, die das ebenfalls angeboten hatten. Zurückdenken auch an Momente des Glücks, nach Monaten mal wieder Livemusik hören zu dürfen bei Proben im Theater für Onlineopernangebote. Dargeboten von Menschen, die nicht weniger als ihre Herzen und Seelen in diese wenigen Momente des Musizierens legten, das sie offenbar mindestens genauso vermisst hatten wie ich. All das darf von 2020 bleiben.

E-Mail an: claus.ambrosius@rhein-zeitung.net

Meistgelesene Artikel