Hahnstätten. Noch bis vor acht Jahren wurde in Hahnstätten jede Straßensanierung auf die lange Bank geschoben, wenn es sich irgendwie verhindern ließ. „Da hat sich ja kaum ein Gemeinderatsmitglied getraut, überhaupt einmalige Ausbaubeiträge zu erheben“, erinnert sich Ortsbürgermeister Joachim Egert. Das kennen die Kollegen in anderen Kommunen nur allzu gut. Denn wer mal so eben 10.000 oder gar 20.000 Euro berappen sollte, lief oft Sturm. Nicht nur, wenn es die Oma mit kleiner Rente traf. Die Folge: ein gewaltiger Sanierungsstau in der Kommune im Rhein-Lahn-Kreis, die ohnehin eher klamm bei Kasse ist.
Bis sich die 3000-Einwohner-Gemeinde schließlich 2012 dazu entschloss, die Kosten auf alle zu verteilen und wiederkehrende Beiträge einzuführen. Kein Selbstläufer, wie Egert versichert. „Es gab große Widerstände im Dorf“, blickt er zurück. „Und es wurde Stimmung gegen die wiederkehrenden Beiträge gemacht.“ Was Hausbesitzer am meisten wurmte: Die Kosten lassen sich nicht auf die Mieter umlegen. „Das waren 80 Prozent der Beschwerden“, erinnert sich Egert. Man fand eine Lösung, doch die Stimmung im Ort blieb weiter angespannt. Zumindest bei einem Teil der Bürger. Etwa 20 Einwohner weigerten sich rundweg, die nun jährlich anfallenden Beiträge zu zahlen. Und so wurde die Angelegenheit am Ende ein Fall für die Justiz. Bis zum Bundesverwaltungsgericht Leipzig schaukelte sich der Rechtsstreit schließlich hoch. „Wir haben gewonnen“, sagt Egert. Danach bröckelte die Protestfront. Heute zahlt jeder. Und zwar weitgehend, ohne zu murren.
Der Plan: „Jedes Jahr wird eine unserer 60 Ortsstraßen saniert“, erklärt Egert. „Wenn wir fertig sind, fangen wir von vorn an.“ Erst wird sich die Infrastruktur vorgenommen, die am marodesten ist. Ganz geschafft haben sie den Takt nicht. Im Moment sind sie an Straße Nummer fünf angelangt. Bald soll die sechste Straße auf Vordermann gebracht werden. Mehr gab die Ortskasse nicht her. Ein paar Millionen Euro haben sie mittlerweile allerdings schon investiert. 35 Prozent davon schultert die Gemeinde, der Rest wird auf die Bürger umgelegt. Konkret heißt das für die Hahnstättener: „Rund 200 bis 300 Euro pro Haushalt im Jahr“, sagt Egert. Das löst auch eher selten Begeisterungsstürme aus, wird aber in der Regel akzeptiert.
Das zeigt sich beispielsweise bei den Bürgerversammlungen. Früher war es ein regelrechter Spießrutenlauf für den Gemeinderat, wenn es um Straßensanierungen ging. Fast nur noch getoppt von Diskussionen über neue Windräder. „Heute dauern die Veranstaltungen meist keine Stunde“, sagt Egert. „Wir haben auf jeden Fall gute Erfahrungen gemacht.“
Auch wenn die Bürger kleinerer Dörfer wohl mehr Geld berappen müssten. Aber die Gemeinde habe so auf jeden Fall Planungssicherheit. „Mittlerweile kommen sogar Verwaltungsmitarbeiter aus Bayern, um sich bei uns über die wiederkehrenden Beiträge zu informieren“, sagt Egert stolz. Dann sagt er auch, dass viele Anwohner gleich auch mehr Geld in ihr Haus stecken, wenn die Straße vor der Haustür gemacht wird, weil sie nicht mit fünfstelligen Euro-Beträgen geschröpft werden. „Dann wird auch noch das Dorfbild schöner.“
Nun ist Kommunalpolitik ja bekanntlich kein Wunschkonzert. Aber wäre es Egert nicht lieber, wenn das Land gleich für alle Kosten aufkommen würde? So wie es neuerdings in Bayern praktiziert wird? Egert hat dazu eine dezidierte Meinung: „Nein, die haben wichtigere Hausaufgaben zu machen“, findet er. „Die sollen lieber Lehrer, Polizisten und Erzieher einstellen.“ Und mit 50, 60 Millionen Euro im Jahr aus Mainz ist es nach seiner Meinung auch nicht getan. Egert ist sich sicher, dass es das Land weit teurer kommen würde. „Manche Studien gehen sogar von bis zu 500 Millionen Euro aus.“ Und seine Besucher aus Bayern klagten immer wieder darüber, dass die Mittel aus München vorn und hinten nicht reichen würden. Gegen einen kleinen Zuschuss zum Gemeindeanteil würde sich aber auch der Hahnstättener Ortschef nicht wehren. „Damit könnten wir dann die Bürger entlasten.“
Von unserem
Redakteur Dirk Eberz