Mainz

Neun Kilometer Frohsinn in Mainz: Hunderttausende feiern am Rosenmontag fröhlich und friedlich

Von Bernd Glebe, Ira Schaible
Rosenmontag - Mainz
Der MCV-Motivwagen ·Wie wär's mit uns ?·, der den CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz mit einer AfD-Domina aufs Korn nimmt, ist beim Mainzer Rosenmontagszug unterwegs. Foto: Arne Dedert/dpa

Hunderttausende bunt kostümierte Menschen haben bei eher tristem, aber mildem Wetter dem Rosenmontagszug in Mainz zugejubelt. Pünktlich um 11.11 Uhr machte sich der närrische Lindwurm auf den gut sieben Kilometer langen Weg durch die Innenstadt. Dabei feierte die Fastnachtshochburg am Rhein auch ein Jubiläum der Straßenfastnacht: den 120. Rosenmontagszug in der Regie des Mainzer Carneval-Vereins (MCV). Ein Überblick.

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Rosenmontag – Mainz
Mainz: Die ·Meenzer Schwellköpp· sind beim Mainzer Rosenmontagszug unterwegs.
Foto: Arne Dedert/dpa

1 Der neun Kilometer lange Zug: Mehr als 9000 Narren machten bei dem Zug mit seinen 138 Nummern mit. Neben den Fußgruppen waren auch mehr als 150 Wagen, Fahr- und historische Einräder unterwegs. Fast 60 Pferde waren ebenfalls dabei, darunter eine Kutsche mit acht Pferden der Mainzer Ranzengarde von 1837. Rund 45 Musikgruppen mit mehr als 2000 Musikern marschierten mit durch die Stadt. Etwa 90 Teilnehmer trugen Fahnen oder die traditionellen Schwellköpp. Der Zug war so lang, dass sich die letzten Wagen erst gut drei Stunden nach Beginn in Bewegung setzen konnten. Das Motto der diesjährigen Kampagne lautete: „Zur Fassenacht lädt Mainz am Rhein die ganze Welt zum Schoppe ein“.

2 Die Motivwagen: Neun Wagen mit politischen Karikaturen rollten auch durch die Straßen – einer weniger als im Vorjahr. Darauf war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Kapitän mit Augenklappe zu sehen, der mit dem Deutschlandschiff Schiffbruch erleidet. Der fliegende Robert (Habeck) verliert wegen der Wärmepumpe die Bodenhaftung. Und CDU-Chef Friedrich Merz stemmt sich dagegen, dass ihn die AfD über ein Brandmäuerchen in den braunen Sumpf zieht. Einem erschrockenen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fliegt sein Experimentierkasten Gesundheitswesen um die Ohren.

AfD-Chefin Alice Weidel und die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht werden als Barbies von Russlands Präsident Wladimir Putin mit blutigen Händen in einem rosa Cabrio chauffiert. E-Mobilität und der Automobilstandort Deutschland werden auch aufgespießt. Chinesen fahren den Deutschen im E-Auto davon, und Fred Feuerstein läuft hinterher. Die „betrübliche Weltlage“ mit den Kriegen und der Gewalt im Nahen Osten beschäftigt auch die Narren, heißt es beim MCV. So wird eine in einem Käfig aus Stacheldraht eingesperrte Friedenstaube von Hass, Fanatismus, Intoleranz und Gier am Fliegen gehindert.

3 Der Wagen von Fußball-Bundesligist Mainz 05: Die Nachricht platzte mitten in den Rosenmontagszug: Der abstiegsgefährdete FSV Mainz 05 trennt sich nach elf sieglosen Pflichtspielen in der Fußball-Bundesliga von seinem Trainer Jan Siewart. Schon zuvor hatte der Verein auf der Plattform X mitgeteilt: „Als Zugnummer 98 vertreten uns heute unsere Fußballerinnen, Handballerinnen und Teile der Traditionsmannschaft.“ Auf dem Wagen von Mainz 05, der mit dem Vereinswappen geschmückt war, herrschte auch ohne die Bundesliga-Kicker ausgelassene Partystimmung. Alle Insassen hatten Fastnachts-Trikots an, tanzten und warfen Kamelle zu den Narren am Straßenrand. Am hinteren Teil des Wagens mit der Nummer 98 saßen zwei große Figuren als jubelnde Fans mit Tröte und Schal.

4 Die Stimmung: Helau-Rufe, Musik, Konfetti, Luftschlangen und Süßigkeitenregen – Hochstimmung herrschte auch auf den anderen Wagen und in den Straßen in Mainz. Alt und Jung verfolgten den Zug vom Straßenrand und dem Schillerplatz aus, aber auch von geschmückten Balkonen und aus geöffneten Fenstern.

Rosenmontag  – Mainz
Malu Dreyer (im roten Mantel) feierte mit dem Mainzer OB Nino Haase (rechts).
Foto: Helmut Fricke/dpa

Die Menschen schunkelten und tanzten zu Fastnachts-Hits wie „Im Schatten des Doms“ und „Humba täterä“. Viele trugen Tier-, Clowns- oder Cowboy- und Cowgirl-Kostüme, es waren aber auch viele originelle Verkleidungen zu sehen, darunter Schlümpfe, Quallen, Blumen, Sagenfiguren, Sträflinge, Mönche und Smileys. Am Morgen hatte es noch geregnet, später kam sogar mal die Sonne raus.

Gerade viele junge Narren feierten mit eigener Musik nicht nur den Umzug, sondern auch sich selber. Polizisten und Rettungskräfte mischten sich beobachtend unter die Feiernden und ließen der ausgelassenen Meute ohne zu viel Strenge ihren Spaß. Die übrigen Straßen und Gassen der Mainzer Innenstadt waren während des stundenlangen Umzugs teilweise fast menschenleer. Nur wenige Menschen ohne Verkleidung waren in Mainz unterwegs. Zugmarschall Thorsten Hartel sagte: „Die Stimmung war klasse, und es hat mega viel Spaß gemacht.“ Die Stadt sei von Anfang an gefüllt gewesen, und es seien viele begeisterte Menschen dabei gewesen. „Die Menschen waren von Anfang an voll da“, sagte auch Polizeisprecher Rinaldo Roberto. Er sprach wie Hartel von mindestens einer halben Million Menschen, aber etwas weniger als vor einem Jahr. Damals waren bei Kaiserwetter noch etwas mehr Menschen zum ersten Zug nach der Pandemiepause gekommen.

Rosenmontag – Mainz
Der MCV-Motivwagen „Master of Desaster“, der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und seinen „Experimentierkasten Gesundheitswesen“ aufs Korn nimmt, ist beim Mainzer Rosenmontagszug unterwegs.
Foto: Arne Dedert/dpa

5 Die Landesregierung: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) schunkelte und sang in rotem Mantel, mit Fastnachtsschal und Federn im Haar auf der Ehrentribüne vor dem Staatstheater mit, warf den vorbeiziehenden Gruppen Blumen und permanent fröhliche Helau-Rufe zu. Mit Dreyer auf der Tribüne saßen auch Innenminister Michael Ebling, Finanzministerin Doris Ahnen (beide SPD) sowie Vizeministerpräsidentin Katharina Binz (Grüne) und der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und winkten, wippten und strahlten mit.

Einen Lieblingsmotivwagen oder eine Lieblingsgruppe habe sie nicht, berichtete Dreyer. Der Mainzer Rosenmontagszug stehe gerade für seine Vielfalt und die unterschiedlichen Darbietungen. Die Fastnacht sei aber nicht nur ausgelassen und fröhlich, sondern auch sehr politisch, betonte die Regierungschefin. Die Narren hielten den Politikerinnen und Politikern dabei den Spiegel vor. „Jeder kriegt mal einen auf den Deckel.“ Damit könne sie sehr gut leben.

6 Die Kosten: Für mehr als neun Motivwagen hatte das Geld nicht gereicht. Die Kosten allein für die Sicherheit seien von 40.000 Euro im Jahr 2015 auf rund 250.000 Euro gestiegen, hatte MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig im Vorfeld gesagt. Alle anderen Kosten seien auch gestiegen. Die Stadt übernimmt künftig weitere 200.000 Euro pro Jahr für die Sicherheitskosten – zusammen mit den anderen Ausgaben für den Traditionszug kommt sie nach eigenen Angaben auf rund 1 Million Euro.

7 Die Sicherheit: Größere Zwischenfälle blieben zunächst aus, die Menschen feierten weitgehend friedlich und fröhlich. Die Polizei war bis zum Nachmittag mit etwa 800 Beamten im Einsatz. Die Beamten hätten 329 Personen kontrolliert, davon 267 Jugendliche und einen betrunkenen Unter-16-Jährigen. 31 Menschen hatten im Vorfeld ein Betretungsverbot erhalten, sagte Polizeisprecher Rinaldo Roberto. Platzverweise wurden nicht ausgesprochen.

Der Rettungsdienst war nach Polizeiangaben mit 500 Kräften im Einsatz. Bis zum Nachmittag habe es 32 Einsätze gegeben, „eine sehr geringe Zahl“ und meist wegen Stürzen, sechs Menschen mussten in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Stadt Mainz war mit Streetworkern unterwegs, um sich um betrunkene Kinder und Jugendliche zu kümmern.

Nach dem Ende des Zugs gegen 17 Uhr beginne für die Polizei die zweite Einsatzphase, sagte Roberto. Dann seien die Familien nach Hause gegangen, und Jugendliche kämen zum Feiern. Dafür würden dann bis zum frühen Morgen 200 Beamte eingesetzt.