Rheinland-Pfalz

Nach dem Rücktritt: Das neue Leben des Roger Lewentz

Von Ira Schaible
Das neue Leben des Roger Lewentz Foto: dpa

Vollbart, modische Brille, Anzug ohne Krawatte und etliche Kilos leichter: Roger Lewentz ist knapp vier Monate nach seinem Rücktritt als rheinland-pfälzischer Innenminister in einem neuen Leben angekommen. Nach fünf Jahren als Staatssekretär und fast zwölf Jahren als Minister auf der Regierungsbank hat der dienstälteste Landtagsabgeordnete im Plenarsaal wieder auf der gegenüberliegenden Seite Platz genommen – in der zweiten Reihe seiner Fraktion.

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In der SPD hat der Rücktritt des langjährigen Parteichefs als Minister keine Gräben aufgeworfen. Ob er bei der Wahl im November nach elf Jahren noch einmal für den SPD-Vorsitz kandidiert, lässt der 59-Jährige aber noch offen.

„Wenn Roger Lewentz sich dafür entscheidet, wird er auch wieder gewählt“, heißt es unisono in der SPD. Dabei fällt immer wieder der Name Willy Brandt, der nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler noch 13 Jahre SPD-Bundeschef war. Die größte Regierungspartei in Rheinland-Pfalz demonstriert Geschlossenheit und Einigkeit – ganz anders als die größte Oppositionspartei im Land, die CDU.

Wochen nach dem Rücktritt waren „sehr hart“

„Der Rücktritt am 12. Oktober, die Wochen davor und danach waren persönlich schon sehr hart, auch für die Familie“, sagt Lewentz. Dass ihm persönlich die Flutkatastrophe mit 135 Toten und „die unzähligen schlimmen Eindrücke im Katastrophengebiet“ im Juli 2021 schwer zugesetzt haben, „glauben mir ja viele nicht“, sagt Lewentz. Dieses schlimme Ereignis und „die Fehler in meinem Ressortbereich“ mit der zu späten Übermittlung wichtiger Akten und der Polizeivideos an den Untersuchungsausschuss hätten dann seinen Rücktritt erfordert.

Er habe nach dem Rücktritt Berge von Briefen, E-Mails und Blumen sowie viel Zuspruch und Mitgefühl von ganz vielen Menschen bekommen, berichtet Lewentz. „Die einen schreiben, da sind Fehler passiert und der Rücktritt war notwendig. Die anderen schreiben, dass sie es nicht verstehen.“ Lewentz räumt ein: „Ich hätte mir einen anderen Ausstieg gewünscht.“ Aber ihm sei seit seiner Wahl zum Gemeinderat 1989 klar: „Du bist geliehen in den Ämtern, und irgendwann ist Schluss.“

Ich hätte mir einen anderen Ausstieg gewünscht.

Ex-Innenminister Roger Lewentz

Wie kommt er damit nach „30 Jahren Vollgas in der Landespolitik“ klar? „Ich bin aus einer 80-Stunden-Woche nach drei Jahrzehnten sehr hart rausgeworfen worden“, stellt Lewentz fest. Er habe sich erst neu sortieren müssen und nach einer dreiwöchigen Auszeit gemeinsam mit seiner Frau in deren dänischer Heimat entschieden: „Wir gucken jetzt nach vorn.“

„Jetzt schaue ich, welche Projekte kann man für die Heimatregion auf den Weg bringen“, sagt Lewentz über seinen sechsmal direkt gewonnenen Wahlkreis mit dem Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal, dem Lahntal und der Stadt Koblenz. „Ich bin partiell wieder Herr über meinen Kalender und kann auch wieder Freunde sehen.“ Der Donnerstagabend etwa gehöre jetzt wieder dem Fußballverein in seinem Heimatort Kamp-Bornhofen und den Alten Herren. Außerdem habe er mehr Zeit für seine Frau und die vier erwachsenen Kinder.

Neue Funktion für die Landtagsfraktion

In die Landtagsfraktion hat er sich schnell wieder integriert. „Ich fühle mich gut aufgehoben in der Fraktion“, sagt Lewentz. Seine Jungfernrede als neuer verteidigungspolitischer Sprecher oder als Mitglied des Kulturausschusses steht aber noch aus. „In der Politik insgesamt ist es sehr wichtig, dass man als Regierungsfraktion beurteilen kann, was bedeutet auch geopolitisch das Thema Krieg, Bedrohung und Nato“, erläutert Lewentz, weshalb er die Aufgabe als verteidigungspolitischer Sprecher übernommen hat.

„Rheinland-Pfalz spielt eine große Rolle innerhalb der Bundeswehr, und wer bei den amerikanischen Streitkräften in den USA in verantwortungsvoller Position ist, war garantiert vorher in Rheinland-Pfalz.“ Als Ex-Innenminister, Soldat und elf Jahre als Verwaltungsbeamter beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung seien ihm diese Themen vertraut.

Und die Kultur? „Ich brenne ja für historische Stätten, insbesondere für das römische Erbe“, sagt Lewentz, der zuletzt auch für das vielfältige Welterbe in Rheinland-Pfalz als Minister zuständig war. Als dritte parlamentarische Aufgabe habe er sich für den Petitionsausschuss entschieden, sagt Lewentz. „Das erdet auch. Du bekommst die Dinge mit, in denen sich Menschen mit Sorgen, Problemen ans Parlament wenden. Das interessiert mich.“

Die SPD musste wieder kampagnenfähig werden.

Roger Lewentz

Außerdem kümmert sich Lewentz natürlich um die Landespartei. „Drei Tage in der Woche bin ich in der Landesgeschäftsstelle“, sagte Lewentz. Die SPD, die auch Mitglieder verliere und sich daher aus sinkenden Beiträgen finanzieren müsse, sei nach der Strukturreform 2022 finanziell für die Wahlkämpfe im ganzen Jahrzehnt gut aufgestellt. Bei dieser zweiten großen Strukturreform der Partei geht es neben den Finanzen auch um die Entlastung der Geschäftsstellen von Routineaufgaben, um mehr Kontakt zu den Ortsvereinen sowie eine Verkleinerung der Parteitage.

Die erste große Reform, die die SPD im strukturkonservativen Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten in der Landespolitik so viel erfolgreicher mache als die CDU, sei schon gut 20 Jahre alt, erinnert Lewentz, der zu dieser Zeit SPD-Generalsekretär war. Damals wurden die drei Bezirke zu einem Landesverband zusammengelegt. „Die SPD musste wieder kampagnenfähig werden.“