Die furchtbaren Stunden der Flutnacht an der Ahr sind von einem Polizeihubschrauber in Form von Videos dokumentiert worden. Auch der Staatsanwaltschaft Koblenz liegt das Material inzwischen vor. Weil die Landesregierung es indes als vertraulich einstuft, sind die Dateien der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich gemacht worden.
Einzig der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe hat sie bislang in Augenschein genommen. Und so mussten Journalisten am Freitag vor dem Abspielen der Videos den Plenarsaal des Landtags verlassen. Begründung der Regierung: Weil Menschen in dramatischen Situationen in den Videos zu sehen seien, wiegten die Persönlichkeitsrechte mehr als das Interesse der Öffentlichkeit.
Thema von allerhöchstem Interesse
Das sieht der Mainzer Anwalt für Medienrecht, Karsten Gulden, etwas anders. Dem „Trierischen Volksfreund“ teilte er mit, dass es sich im vorliegenden Falle um ein Thema „von allerhöchstem öffentlichen Interesse“ handele. Deshalb, so Gulden, müsse zumindest die Presse die Videos sichten dürfen, „um sich ein ungeschöntes Bild davon zu machen und wahrheitsgemäß der Öffentlichkeit berichten zu können“. Und dies müsse geschehen, bevor die Landesregierung die Dateien bearbeitet habe.
Hintergrund: Die Regierung hatte am Freitag in Aussicht gestellt, bis in zwei Wochen überprüft zu haben, ob die Hubschrauberaufnahmen – etwa nach der Unkenntlichmachung gewisser Details – doch vorgeführt werden könnten. Diese Prüfung nimmt das Innenministerium vor. Gulden argumentiert, dass die Presse die Videos lediglich ansehen, jedoch nicht weiterverbreiten würde. Was den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte abschwäche, so Gulden.
Experte: Inhalt der Videos ist nicht maßgeblich
Unsere Zeitung hat mit einem anderen Experten für Presse- und Medienrecht Kontakt aufgenommen. Er beurteilt die Lage anders als Gulden – und will anonym bleiben. Hier seine Argumentation: Das öffentliche Interesse gelte in erster Linie dem Faktum, dass Videos mit den entsprechenden Inhalten existieren, und der Frage, warum man im Innenministerium „geschlafen“ habe, nicht aber dem Handeln der im Bild zu sehenden Anwohner. Die Existenz des Videomaterials werde auf Behördenseite ebenso wenig bestritten wie der Inhalt. Gleiches gelte für die Daten der Anfertigung und den Umfang des Bildmaterials.
Da der Inhalt nicht bestritten werde, bestehe kein öffentliches Informationsinteresse daran, „hilflose und verzweifelte Menschen am Unglücksabend zu sehen“ – auch deshalb nicht, weil keine verbreitungsmäßige Nutzung des Bildmaterials vorgesehen sei. Die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Medien sei auch ohne Kenntnis des – von Behördenseite unbestrittenen – Inhalts des Materials gewährleistet. Kritik am Handeln des Innenministers könne auch ohne Veröffentlichung von um Hilfe rufenden Menschen und deren Not geübt werden.