Rheinland-Pfalz/Berlin

Lehren aus der Flutkatastrophe: Politische Gremien wollen den Bevölkerungsschutz verbessern

Von gik, dpa
Nach vorläufigen Erhebungen belaufen sich die Schäden an der Ahr nach dem Hochwasser auf mehr als 20 Milliarden Euro.
Nach vorläufigen Erhebungen belaufen sich die Schäden an der Ahr nach dem Hochwasser auf mehr als 20 Milliarden Euro. Foto: dpa

Eine Enquetekommission des rheinland-pfälzischen Landtags soll die Ereignisse der Flutnacht an der Ahr und ihre Folgen aufarbeiten und Empfehlungen für die Zukunft entwickeln. SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler erklärte, Hauptziel sei, Empfehlungen und Konsequenzen für ganz Rheinland-Pfalz zu erarbeiten.

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Konkret geht es um verbesserten Katastrophenschutz und neue Vorsorgekonzepte vor dem Hintergrund des Klimawandels. Den Antrag zur Einsetzung der Enquetekommission stellten die drei Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vor. Am kommenden Dienstag soll er in einer Sondersitzung des Landtags beschlossen werden, die Kommission soll sich dann im September konstituieren und im Oktober ihre reguläre Arbeit aufnehmen. Ständige Mitglieder sollen elf Landtagsabgeordnete sowie sechs sachverständige Experten sein. Welche genau, steht noch nicht fest. Die Enquetekommission kann aber weitere Experten hinzuziehen und Anhörungen veranstalten. Ihren Abschlussbericht soll sie bis Mitte 2023 vorlegen.

Man werde die Enquetekommission mittragen, sagte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf, brachte aber Änderungsvorschläge ein. Wichtig sei, dass die Abläufe im Katastrophenschutz aufgearbeitet würden und Vorsorgekonzepte mit Blick auf den Klimawandel weiterentwickelt würden. Auch die Freien Wähler und die AfD signalisierten Zustimmung.

Die Enquete werde nicht „die Antworten für das Ahrtal erarbeiten können, weil die Antworten für das Ahrtal schnell kommen müssen“, betonte Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun. Aufgabe der Enquete sei es vielmehr, Verbesserungen bei den Strukturen für die Zukunft vorzuschlagen. „Wir brauchen neues Denken beim Katastrophenschutz“, die Politik müsse „von der Umwelt her denken“ und neue Strategien für Bauen und Retten entwickeln, forderte Braun.

„Ich verstehe, dass Menschen im Ahrtal sagen: Das ist nicht das, was wir jetzt brauchen“, sagte FDP-Fraktionschef Philipp Fernis, Soforthilfe sei aber auch nicht der Anspruch einer Enquete, sondern die Erarbeitung von langfristigen Konzepten, die solche Ereignisse in Zukunft verhinderten.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages, für die Katastrophenwarnung müsse es klarere Vorgaben und einheitliche Regeln geben. Es sei wichtig, dass bei einem Schadensereignis der höchsten Gefahrenstufe „eine Warnung der Bevölkerung ausgelöst werden muss und nicht nur kann“. Außerdem müssten Sirenen als Mittel der Alarmierung wieder überall verfügbar sein. Der Katastrophenschutz in Friedenszeiten liegt in der Verantwortung von Ländern und Kommunen. Der Bund hat bereits ein Sirenenförderprogramm in Höhe von 88 Millionen Euro aufgelegt.

Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sehen bei der Warnung zwar auch Verbesserungsbedarf, an dem Prinzip, dass die Lage im Katastrophenfall in den Gemeinden vor Ort eingeschätzt wird, wollen sie aber nicht rütteln. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz fordert vielmehr die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung für alle Hausbesitzer. „Da muss es Klarheit für ganz Deutschland geben. Wir haben Starkregenereignisse von Bayern bis Norddeutschland“, sagte der SPD-Politiker. „Es gibt für mich überhaupt kein Argument mehr gegen eine flächendeckende Einführung.“ Die Versicherungswirtschaft müsse die finanziell tragfähigen Bedingungen einer solchen Solidarversicherung berechnen, damit aus den Beiträgen aller Hausbesitzer Schäden möglichst abgedeckt werden können. „Wir haben es nach vorläufigen Erhebungen mit einem Schadensbild von mehr als 20 Milliarden Euro zu tun“, erklärte Lewentz, „das entspricht ungefähr dem gesamten Landeshaushalt von Rheinland-Pfalz.“

Wegen des Klimawandels wird es laut Deutschem Wetterdienst überall in Deutschland häufiger zu Starkregen kommen – und der wird intensiver ausfallen. Peter Jakubowski vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung fordert, besonders städtisch geprägte Regionen müssten Flächen entsiegeln, damit diese mehr Wasser aufnehmen könnten. gik, dpa