Rheinland-Pfalz

Klimawandel: Experten erklären Starkregenereignisse und welche Rolle die Erderwärmung dabei spielt

Von dpa, Christian Kunst
Begegnung mit den Urgewalten der Natur: Wie hier im nordrhein-westfälischen Altena leiden immer mehr Menschen unter den Folgen von natürlichen Extremwetterlagen, die durch den Klimawandel verschärft werden.
Begegnung mit den Urgewalten der Natur: Wie hier im nordrhein-westfälischen Altena leiden immer mehr Menschen unter den Folgen von natürlichen Extremwetterlagen, die durch den Klimawandel verschärft werden. Foto: dpa

Tote und Vermisste, eingestürzte Häuser und überflutete Städte – der Westen Deutschlands erlebt extreme Niederschläge. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels drängt sich die Frage auf: Treffen solche Katastrophen Deutschland künftig häufiger? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:

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Welche Rolle spielt der Klimawandel bei solchen Starkregenereignissen?

Zwei Effekte der Klimaerwärmung nehmen Einfluss auf die Häufigkeit solcher extremen Starkregenereignisse, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Zum einen verdunstet bei höheren Temperaturen mehr Wasser und die wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit speichern. Das begünstigt hohe Niederschlagsmengen. Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut erklärt: „Pro Grad Erwärmung kann die Luft 7 Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen und dann auch abregnen. Weil mehr Wasser an starken Regentagen fällt, bleibt weniger für den Rest der Zeit. Denn der Wasserdampfnachschub durch Verdunstung nimmt nur um 2 bis 3 Prozent pro Grad Erwärmung zu und kann daher die Zunahme um 7 Prozent pro Grad nicht ausgleichen.“ Prof. Dr. Douglas Maraun, der Forschungsgruppe Regionales Klima an der Uni Graz, betont: „Solche Wetterlagen treten ganz natürlich auch ohne Klimawandel auf, und auch ohne Klimawandel wären die Niederschläge heftig gewesen.“ Aber weil nach seinen Worten wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt, „kann man davon ausgehen, dass der Klimawandel die Niederschläge um sicher 10 bis 20 Prozent verstärkt hat“.

Zum anderen verharren Wetterlagen länger über einer Region. Dahinter steckt ein globales Phänomen: Die Atmosphäre erwärmt sich nicht gleichmäßig, sondern an den Polen mehr als am Äquator. Das vermindert den starken Temperaturunterschied zwischen diesen beiden Regionen. Die Folge: Der Jetstream, der als Windband in großer Höhe um die Nordhalbkugel zieht, verändert sich. Dadurch können Wetterlagen über längere Zeit an einem Ort bleiben und extreme Bedingungen schaffen.

Regnet es durch die Klimaerwärmung hierzulande mehr?

Laut Nationalem Klimareport unterliegt der Niederschlag starken Schwankungen von Jahr zu Jahr. Die deutschlandweit jährliche durchschnittliche Niederschlagsmenge nahm seit 1881 um 66 Millimeter zu – beziehungsweise um 8 Prozent im Vergleich zur Referenzperiode 1961 bis 1990. Ein kontinuierlicher Anstieg ist das nicht: „Die Zunahme erfolgte ungleichförmig.“ Zudem werde der Anstieg „von kurzfristigen Schwankungen überlagert“. Auffällig sind die extremen Niederschläge eigentlich eher in einer anderen Jahreszeit: „Die Winterniederschläge haben seit dem Winter 1881/82 bis heute um 48 Millimeter beziehungsweise 26 Prozent relativ zu 1961 bis 90 zugenommen“, heißt es im Klimareport. Auch wenn sich die Gesamtmenge an Regen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten wenig verändert hat, hat sich doch etwas verändert, sagt Klimaforscher Hoffmann: Es gibt Hinweise, dass die gleiche Regenmenge an weniger Tagen im Jahr vom Himmel kommt: „Wenn der Regen fällt, dann intensiver.“

Regnet es durch den Klimawandel vielleicht nicht mehr, aber stärker?

Laut Umweltbundesamt (UBA) ist es bisher nicht möglich, „statistisch gesicherte klimatologische Aussagen über Änderungen von Starkniederschlagsereignissen zu treffen“. Anders bei der Temperatur: Dass die Häufigkeit von heißen Tagen hat in ganz Deutschland zugenommen hat, ist erwiesen. „Schwieriger ist es, gesicherte Aussagen bei Trends von Starkniederschlagsereignissen zu treffen.“ Allerdings sieht das UBA durchaus „Tendenzen zu einer größeren Häufigkeit von Starkniederschlägen in den vergangenen 65 Jahren“. Klimamodelle gäben ein recht eindeutiges Bild, dass Starkregentage in Deutschland zunehmen, sagt Hoffmann. „Unklar ist, in welchem Ausmaß.“ Die Datenlage dazu sei noch etwas begrenzt. Anhand von Radardaten könne man aber auch sehen, dass keine Region besonders betroffen ist. Starkregentage seien an sich eher seltene Ereignisse. Je nach Region in Deutschland können es nur drei oder auch zehn pro Jahr sein.

Wann wird Starkregen zum Problem?

Starkregen wird zum Problem, wo das Wasser nicht abfließen kann. „Je weniger Raum das Wasser hat, mit desto mehr Schäden muss man rechnen“, sagt Hoffmann. „Wir machen das Hochwasserrisiko schlimmer, indem wir immer mehr Flächen versiegeln“, sagt Geograf Matthias Garschagen von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wenn in der Eifel und anderen derzeit betroffenen Regionen die Katastrophenschäden aufgeräumt seien, „dann dürfen wir nicht auf die nächste Katastrophe warten“, mahnt Garschagen, „dann müssen wir da ran: Da kommen große Aufgaben auf uns zu.“ Die Kommunen müssten den Hochwasserschutz verstärken, Hausbesitzer besser vorsorgen, die Politik darüber diskutieren, wer die Kosten dafür trägt.

Erleben wir Extremwetter nun öfter?

„Auch kleine Änderungen in der globalen Durchschnittstemperatur können große Auswirkungen hinsichtlich der Zunahme an extremen Wetterereignissen haben“, sagt Garschagen. Die Wahrscheinlichkeit von Starkregen oder Dürre steige also mit jedem weiteren Grad Temperaturanstieg überproportional stark an. Der Grazer Klimaforscher Maraun ist überzeugt: „Hitzewellen werden heißer werden, Dürren trockener, Starkregen intensiver.“ Sandra Trauner/ Valentin Frimmer/Christian Kunst

Grünen-Politiker: Überschwemmungen sind schmerzhafte Folge des Versagens der Bundesregierung

Es waren extreme Wetterbedingungen, die in etlichen Bundesländern aus Flüsschen reißende Ströme gemacht haben. Die Schäden dürften in dreistellige Millionenbeträge gehen. Wäre das verheerende Ausmaß vermeidbar gewesen? „In Europa haben wir uns bereits vor mehr als 20 Jahren darauf geeinigt, unsere Flüsse in einen naturnahen Zustand zu bringen“, sagte der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Sven Giegold, unserer Zeitung. Denn: „Gesunde Flüsse bieten Platz für natürliche Hochwasserflächen, in denen Leib und Leben nicht gefährdet sind.“

Tatsächlich hatte die Gemeinschaft im Jahr 2000 die Wasserrahmenrichtlinie erlassen. Sie sollte eine Entwicklung stoppen, die in den Jahrzehnten zuvor immer ausgeprägter war: „Flüsse wurden begradigt oder verlegt und zu Wasserstraßen ausgebaut, Deiche haben Flüsse von ihrem Überschwemmungsgebiet weitgehend abgeschnitten, Wehre und Wasserkraftwerke wurden errichtet“, heißt es seitens der Umweltorganisation WWF. Deshalb kam man im Jahr 2000 überein, die Flussläufe zu renaturieren und Überschwemmungsgebiete zu schaffen.

Doch eine erste Bilanz fiel vor allem für Deutschland miserabel aus: 2017 entsprachen 91 Prozent der deutschen Flüsse und 79 Prozent der natürlichen Seen nicht den ökologischen Vorgaben der Richtlinie. Daran hat sich offenbar bisher nichts geändert. Giegold kritisiert: „Die Bundesregierung ignoriert die Wasserrahmenrichtlinie schlichtweg. Bis 2015 hätten alle deutschen Flüsse in einen naturnahen Zustand gebracht werden müssen. Doch die Große Koalition hat bis heute noch nicht einmal einen Umsetzungsplan vorgelegt. Europarechtliche Vorgaben werden auch in den Bundesländern nicht umgesetzt.“ So hätte auch NRW „längst einen Umsetzungsplan für die EU-Regeln vorlegen müssen. Aber Naturschutz wird von der NRW-Landesregierung notorisch auf die lange Bank geschoben. Die Folgen sind in diesen Tagen schmerzhaft spürbar. Um Hochwasser zu vermeiden, brauchen wir dringend Anpassungen an die Klimakrise.“ Bund und Länder haben zwar noch bis 2027 Zeit, um die Bestimmungen der Richtlinie durchgehend umzusetzen. Ob aber in gut sechs Jahren gelingt, was in 20 Jahren bisher nicht in Gang kam, erscheint fraglich. Detlef Drewes

Flutkatastrophe im Ahrtal
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