Rheinland-Pfalz

Frauenquote-Stimmzettel: Gericht hat Bedenken und weist Beschwerde zurück

Die Stimmzettel bei der Kommunalwahlen können nach derzeitigem Stand zum Wählen von Frauen ermuntern: Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken gezeigt, aber eine Beschwerde zurückgewiesen. Die nächste kommt. Und Rot-Grün geht mit einem Normenkontrollantrag selbst in die Offensive.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Stimmzettel, die mit einem Aufdruck animieren sollen, den Frauenanteil in Parlamenten zu erhöhen: Das verletzt nicht die eigenen verfassungsmäßigen Rechte eines männlichen Kommunalpolitikers – oder zumindest hat der Kläger das nicht ausreichend belegen können. Zu diesem Schluss kommt der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz und weist damit die Beschwerde des Beigeordneten gegen das Kommunalwahlgesetz zurück (Aktenzeichen: VGH B 6/14; VGH A 12/14). Er hatte den Aufdruck auf den Wahlzettel zur Kommunalwahl am 25. Mai unterbinden wollen. Die Beschwerde ist aber unzulässig, weil eben nicht deutlich wird, wo dadurch der Mann einen Nachteil hat. Trotz der Gelegenheit der Vertiefung seines Anliegens habe der Mann die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend dargetan, so das Gericht.

Nach dem von Rot-Grün geänderten Gesetz soll ein Aufdruck animieren, den Frauenanteil (16,8 Prozent) in den Kommunalparlamenten zu erhöhen. Rot-Grün spricht in der Gesetzesbegründung von einer „appellativen Regelung“. Auf den Stimmzetteln soll nicht nur daran erinnert werden, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Die Zettel sollen auch über die bisherige Frauenquote im Stadtrat oder Kreistag informieren und zeigen, wie viele Frauen denn diesmal bei den jeweiligen Parteien Chancen auf aussichtsreiche Plätze haben.

Ganz unproblematisch ist das nicht, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss auch deutlich macht. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl verlange, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang und Beeinflussung von außen ausüben könne, so das Gericht in einem Hinweis. Insbesondere müsse der Wähler auch vor Beeinflussungen geschützt werden, „die geeignet seien, seine Entscheidungsfreiheit trotz bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen“. Daraus folge nicht zuletzt das an den Staat gerichtete Verbot amt­licher Wahlbeeinflussung. Das Verbot setze auch der konkreten Gestaltung des Stimm­zettels Grenzen. Das Gericht: „Auch insoweit ist den staatlichen und kommunalen Organen jede inhaltliche Einwirkung auf das individuelle Wahl- und Abstimmungsverhalten verwehrt.“

Der Mainzer Verfassungsrechtler Hans-Werner Laubinger hatte in einer Fachzeitschrift die Position vertreten, dass „diese Wahlempfehlungen“ auf Stimmzetteln „eindeutig“ gegen die in der Verfassung garantierte Freiheit der Wahl verstoßen. Er kam zum Schluss, dass das Gesetz „nicht auf die Förderung der Frauen, sondern auf die Bevorzugung bestimmter Parteien“ abziele.

Update: Die Piratenpartei teilt die Kritik des Verfassungsrechtlers: „De facto versprechen sich vor allem die Grünen Vorteile dieser Stimmzettelgestaltung“, so der Piraten-Landesvorsitzende Heiko Müller in einer Erklärung. „Unserer Ansicht nach ist das KWG verfassungswidrig, weil Wahlkampf über den Stimmzettel gemacht wird. Damit wird die Freiheit der Wahl gefährdet.“ Die Piraten bereiten deshalb eine eigene Beschwerde vor.

Die Piratenpartei sieht noch ein anderes Problem: Es würden auch Menschen diskriminiert, die sich nicht in den Rollen Mann und Frau einordnen lassen wollten. Jede Person müsse selbst das Recht haben, sich selbst zu definieren, ob als Frau, als Mann oder als Mensch jenseits traditioneller Geschlechterrollen.

Update 2: Die CDU-Vorsitzende Julia Klöckner fordert, die Landesregierung müsse jetzt schnellstens für Rechtssicherheit sorgen. „Die Abweisung der Klage aus formalen Gründen bedeutet nicht, dass das Gesetz verfassungskonform ist.“ Der Hinweis des höchsten rheinland-pfälzischen Gerichts lasse aufhorchen, dass das an den Staat gerichtete Verbot amtlicher Wahlbeeinflussung der konkreten Gestaltung des Stimmzettels Grenzen setzt. „Wir können nicht riskieren, dass eine Kommunalwahl auf Basis eines möglicherweise verfassungswidrigen Gesetzes durchgeführt wird.“ Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Axel Wilke, kritisiert: „Die rot-grünen Regierungsfraktionen und die Landesregierung haben alle verfassungsrechtlichen Bedenken vom Tisch gewischt.“ Der Fall sei „einfach nur peinlich“.

Update 3: SPD-Fraktionschef Hendrik Hering hat erklärt, ein öffentlicher Streit über das geänderte Kommunalwahlgesetz könne nicht hingenommen werden. Mit einem Normenkontrollantrag beim VGH in Koblenz soll deshalb noch vor dem Druck der Stimmzettel im April Klarheit geschaffen werden. Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler sieht darin einen Weg, mit Hilfe des höchsten rheinland-pfälzischen Gerichtes für Klarheit und Vertrauen auch über die Landesgrenzen hinaus zu sorgen.