Koblenz/Freudenberg

Fall der zwölfjährigen Luise: Viele Menschen suchen Trost

Von Marc Herwig
In der evangelischen Kirche von Freudenberg liegt ein Kondolenzbuch für die getötete Luise aus, in das sich Menschen eintragen können. Nicht nur der Tod des Mädchens, sondern auch die Erkenntnis darüber, dass Luise von zwei Gleichaltrigen erstochen wurde, erschüttert viele.  Foto: Roberto Pfeil/dpa
In der evangelischen Kirche von Freudenberg liegt ein Kondolenzbuch für die getötete Luise aus, in das sich Menschen eintragen können. Nicht nur der Tod des Mädchens, sondern auch die Erkenntnis darüber, dass Luise von zwei Gleichaltrigen erstochen wurde, erschüttert viele. Foto: Roberto Pfeil/dpa

Nach dem tödlichen Angriff auf die zwölfjährige Luise im Siegerland hat das Jugendamt erste Maßnahmen für die fast gleichaltrigen mutmaßlichen Täterinnen ergriffen. Die beiden zwölf und 13 Jahre alten Mädchen lebten vorerst nicht mehr bei ihren Familien, teilte der Kreis Siegen-Wittgenstein mit. Kontakt mit ihren Eltern hätten sie aber weiterhin. Die Mädchen hatten gestanden, die zwölfjährige Luise mit zahlreichen Messerstichen getötet zu haben.

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Am Tatort in einem abgelegenen Tal an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren die abgelegten Blumen und Kerzen am Mittwochmorgen wie in eine weiße Decke gehüllt: In der Nacht war Schnee gefallen. Er gab dem Ort, an dem sich die grausame Tat ereignete, etwas Friedliches.

Täterinnen aufgrund ihres Alters nicht schuldfähig

Viele Menschen suchten weiterhin Trost in den beiden Kirchen der kleinen Stadt, in denen Trauerecken eingerichtet waren. Auch Kondolenzbücher liegen dort aus. Viele, die sich dort eintragen, kennen Luise und auch die beiden mutmaßlichen Täterinnen. „Es ist wichtig, nicht allein mit seinen Gefühlen und Gedanken zu hadern, sondern das Gespräch und den Austausch zu suchen mit der eigenen Familie, Freunden, Nachbarn, Vereinskameradinnen und Vereinskameraden“, sagte Bürgermeisterin Nicole Reschke.

Wegen ihres Alters sind die beiden Mädchen, die die Tat bei der Polizei gestanden haben, noch nicht schuldfähig und können nicht vor Gericht angeklagt werden. Das Jugendamt ist deshalb nun für die weiteren Maßnahmen verantwortlich. In einem ersten Schritt seien beide „außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht“ worden, teilte der Kreis Siegen-Wittgenstein mit. „Das ist auch damit verbunden, dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchen.“ Die Mädchen hätten aber weiterhin Kontakt zu ihren Eltern. „Der Kontakt zur Familie ist aufgrund des jungen Alters der Mädchen für die Entwicklung einer gelingenden Unterstützung sehr bedeutsam und wird insofern unterstützt“, teilte der Kreis weiter mit.

Fall an Staatsanwaltschaft Siegen übergeben

Auch für die beiden Tatverdächtigen handele es sich um eine „ganz außergewöhnliche Situation, die viel Empathie und umsichtiges Agieren erfordert“, sagte Kreis-Jugenddezernent Thomas Wüst. Ob und wann sie zu ihren Eltern zurückkehren können, sei offen. Es handele sich „um einen sehr komplexen Prozess, der zeitlich nicht eingegrenzt werden kann“, betonte eine Sprecherin.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz gab derweil bekannt, den Fall Luise an die Staatsanwaltschaft Siegen übergeben zu haben. Die Koblenzer Behörde hatte die Ermittlungen zunächst übernommen, weil Luises Leiche am Sonntag in einem Waldstück in der Nähe des früheren Bahnhofs Wildenburg auf rheinland-pfälzischem Gebiet gefunden worden war. Da für die weitere Betreuung des Falls der Wohnort der beiden tatverdächtigen Kinder ist, sei nun die Behörde in Siegen zuständig.

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Familien eine Erziehungsbetreuung bekommen.

Rudolf Egg, Kriminalpsychologe

Bei Kindern stehe nicht die Bestrafung, sondern die Erziehung und Entwicklung im Vordergrund, sagte Kriminalpsychologe Rudolf Egg dem WDR. Die Mädchen stünden am Anfang ihres Lebens. „Man muss ihnen jetzt nicht das gesamte Leben verbauen“, sagte der langjährige Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. „Auch wenn sie moralisch sehr schwere Schuld auf sich geladen haben.“ Jugendämter hätten in einem solchen Fall eine Reihe von Optionen. „Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Familien eine Erziehungsbetreuung bekommen“, sagte Egg.

Keine Angaben über die Motive

Über die Motive der beiden mutmaßlichen Täterinnen hatten die ermittelnden Behörden bislang keine Angaben gemacht. Laut Informationen von Focus Online soll es sich bei der Gewalttat aber vermutlich um einen Racheakt gehandelt haben. Demnach soll sich das spätere Opfer über eine der beiden mutmaßlichen Täterinnen lustig gemacht haben.

Die Schule ist im Moment der Ort, an dem für die Schülerinnen und Schüler Austausch und Trauer möglich sind.

Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg

An der Schule der getöteten Zwölfjährigen nahmen sich Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte weiterhin viel Zeit für Gespräche. „Die Schule ist im Moment der Ort, an dem für die Schülerinnen und Schüler Austausch und Trauer möglich sind“, sagte Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Nach drei Tagen, in denen die Klassen Zeit für Gespräche und Trauerarbeit hatten, soll am heutigen Donnerstag erstmals wieder Unterricht nach Stundenplan stattfinden. „Aber da besteht kein Druck“, betonte Söbbeler. Wo Schülerinnen und Schüler noch den Wunsch nach Gesprächen hätten, stehe der reguläre Unterricht hinten an.

Luise war am Samstag vermisst gemeldet worden, am Sonntag war ihre Leiche in einem Waldstück gefunden worden. Bei der Obduktion wurden viele Messerstiche festgestellt. Das Mädchen war nach Angaben der Ermittler verblutet. Von der Tatwaffe fehlte noch jede Spur.