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Mainz

Ein Abschied in Stille: Tausende geben Kardinal Karl Lehmann das letzte Geleit

Von Michael Defrancesco

Wenn Kardinal Karl Lehmann stirbt, scheint selbst das so lebensfrohe Mainz für einen Moment den Atem anzuhalten. Bei der Totenmesse im Mainzer Dom war nicht einmal ein Flüstern zu hören.

Lesezeit: 2 Minuten
Und das, obwohl schon Stunden vor Beginn die Mainzer in ihren Dom strömten, um ihren Kardinal zu verabschieden, bevor er in der Bischofsgruft des Doms beigesetzt wurde – es dürfte dem beliebten Geistlichen mit der legendären knarzigen Stimme gefallen haben, dass auch „ganz normale“ Menschen zahlreich beim feierlichen Requiem vertreten ...
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Mainzer sind ihrem Bischof ein letztes Mal ganz nah: Menschenmassen säumen die Straßen

Mainz. Als die große Martinusglocke des Doms ertönt, wird es schlagartig still in der Mainzer Altstadt. Wo eben noch Alltagstrubel herrschte, Menschen einkaufen gingen, senkt sich Stille hernieder. Mitten in Mainz, mitten an einem Wochentag kann man in der Augustinerstraße eine Stecknadel fallen hören. Insgesamt rund 8000 Menschen sind gekommen, um Abschied zu nehmen von ihrem Bischof: Kardinal Karl Lehmann.

„Er war mal ein Guter“, sagt eine Mainzerin, die sich einen Platz ganz vorn gesichert hat. Richtig wichtig ist ihr, Abschied von dem geliebten Mainzer Bischof zu nehmen, ihm auf seinem letzten Weg zum Grab die letzte Ehre zu erweisen. „Er hat jeden genommen, wie er ist“, sagt sie, „er war das Licht in der Amtskirche.“ „Er war ein Mensch“, sagt ihre Nachbarin, „er hat mit beiden Beinen auf der Erde gestanden.“ Und so säumen sie zu Hunderten die Straße, durch die der Trauerzug ziehen wird. „Ihm Anerkennung, Ehre und Achtung zollen“, sagt eine Zuschauerin. Vor zehn Tagen, am 11. März in aller Frühe, starb Kardinal Karl Lehmann an den Folgen eines Schlaganfalls, seither hat Mainz mit einer ungeheuren Anteilnahme Abschied genommen. Diverse Kondolenzbücher wurden gefüllt, Internetforen quollen über. „Mancher Kommentar spricht davon, viele berichten, wie nah dieser Kardinal, diese große Persönlichkeit ihnen war“, sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt im Trauergottesdienst. Viele berichteten, „wie sehr sie den Eindruck hatten, er ist jetzt ganz für dich da“. Von anderen wisse er, dass der Kardinal ihnen ein echter Seelsorger und Wegbegleiter auf der Suche nach einem persönlichen Glauben gewesen sei. „Nicht umsonst nennen die Menschen ihn ,unseren Karl'“, sagte Kohlgraf, „er konnte wirklich mit allen umgehen.“

Eine Woche lang war der Leichnam des Kardinals in der Augustinerkirche aufgebahrt, Tausende nahmen Abschied – Tausende pro Tag, wohlgemerkt. Weggefährten, Bewunderer, Katholiken, Atheisten, sie alle kamen, um dem Kardinal die letzte Ehre zu erweisen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier baute einen Besuch in der Augustinerkirche in sein Programm ein, Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) stand vor dem Sarg und trug sich in das Kondolenzbuch ein.

Um Punkt 14 Uhr am Mittwoch verstummte das normale Leben in Mainz. Ein langer Trauerzug formierte sich, vorweg Fahnenabordnungen, dann Ministranten und Priester aus dem Bistum. Rund 350 Personen begleiteten den Kardinal auf seiner allerletzten Reise. Vor dem Sarg schritten Vertreter aller Religionen, Ritter vom Heiligen Grab und dem Malteserorden, schließlich die Bischöfe der katholischen Kirche samt ihrem höchsten Vertreter Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

In absoluter Stille wurde der Sarg aus der Kirche getragen und in einen weißen Trauerwagen geladen, dann rollte das Gefährt langsam durch die Menge zum Dom. Viele Zuschauer verneigten sich, schlugen das Kreuz. Hinter dem Sarg schritten die engsten Angehörigen des verstorbenen Kardinals, viele Zuschauer reihten sich ein. Niemand hielt sie auf, niemand drängte sie hinter Absperrungen.

Und auch beim zweistündigen Gottesdienst brach sich des Kardinals Vermächtnis Bahn: Die Kirche wurde erleuchtet von strahlendem Sonnenlicht, und als Marx an den Büchernarren Lehmann erinnerte, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, an Lehmanns befreites Lachen, an Fastnacht und Mainz 05, da wanderte gar ein leises Lachen durch die Trauergemeinde. „Dieses Leben hatte Bedeutung“, sagte Marx, „ich stehe hier, um Vergelt's Gott zu sagen: Danke für dein Zeugnis, deine Freundschaft, deine Wegbegleitung.“

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