Rheinland-Pfalz

Digitalisierung und Umweltschutz: Erwartungen an die neue Koalition

Von dpa/lrs
Die beiden Landesvorsitzenden Misbah Khan (l-r) und Josef Winkler (beide Bündnis 90/Die Grünen), Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (beide SPD), Innenminister und Landesvorsitzender, Daniela Schmitt und Volker Wissing (beide FDP), Landesvorsitzender, stellen sich zu Beginn ihrer Koalitionsverhandlungen vor den Roll up Bannern ihrer Parteien auf.
Die beiden Landesvorsitzenden Misbah Khan (l-r) und Josef Winkler (beide Bündnis 90/Die Grünen), Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (beide SPD), Innenminister und Landesvorsitzender, Daniela Schmitt und Volker Wissing (beide FDP), Landesvorsitzender, stellen sich zu Beginn ihrer Koalitionsverhandlungen vor den Roll up Bannern ihrer Parteien auf. Foto: dpa

Die dritte Pandemie-Welle überlagert den Beginn der Koalitionsverhandlungen. Nach dem ersten Austausch und der Osterpause dürften die Verhandlungen jetzt aber an Fahrt aufnehmen. Es gibt viele Erwartungen.

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Die Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP in Rheinland-Pfalz verhandeln seit rund zwei Wochen unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Neuauflage ihrer Regierung. In der Landeshauptstadt Mainz wird dennoch kräftig über Ressort-Zuschnitte und neues Personal spekuliert. Mancher befürchtet ein unambitioniertes „Weiter so“ – angesichts der sich erneut verschärfenden Pandemie und der damit auch verbundenen finanziellen Grenzen. Zugleich wird mit Spannung beobachtet, wie die Grünen ihreng Gewinn an Stimmen umsetzen können. Ende April soll – zumindest nach dem Wunsch der SPD – alles festgeschrieben sein. Die Erwartungen und Forderungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen an die neue Landesregierung sind hoch – und konträr. Einige Beispiele:

Digitales

Deutlich mehr Tempo bei der Digitalisierung von Verwaltung, Schule und Arbeitswelt sowie dem Ausbau der 5G-Infrastruktur ist eine der zentralen Forderungen. Nach einer IHK-Umfrage ist die Breitband- und Mobilfunkanbindung im Land mit 91 Prozent branchenübergreifend der Standortfaktor mit der höchsten Relevanz für die Unternehmen. Zugleich bewertet die Wirtschaft diesen Standortfaktor laut IHK Pfalz nur mit der Schulnote 3,8. „Jeder Antrag muss online machbar sein“, lautet eine der zentralen Forderungen der Verbands der Jungen Unternehmer. Der DGB fordert eine bessere Ausstattung der Schulen – großen Nachholbedarf gebe es insbesondere bei den berufsbildenden Schulen. „Da fehlt es an allen Ecken und Enden“, sagt Landeschef Dietmar Muscheid.

Naturschutz und Landwirtschaft

Naturschutzverbände, Winzer und Bauern haben sich erstmals zu einem gemeinsamen Bündnis zusammengeschlossen und fordern von der künftigen Landesregierung mehr Personal und Geld sowie weniger Bürokratie, um sowohl die Artenvielfalt zu erhalten als auch die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe zu sichern. „Wir wünschen uns im neuen Koalitionsvertrag einen Passus, der unseren Schulterschluss widerspiegelt“, sagt der Präsident des Bauern- und Winzerverbands, Eberhard Hartelt. Naturschutzverbände treten dafür ein, das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium in einem gemeinsamen Ministerium zusammenzuführen. Naturschutz und Landwirtschaft seien auf Regierungsebene bislang zu sehr getrennt, sagt die Nabu-Landesvorsitzende Cosima Lindemann. „Diese Kommunikationsbarriere müssen wir aufbrechen.“ Bislang ist nur der Biolandbau im Umweltministerium untergebracht, die sonstigen Agrarthemen gehören zum Wirtschaftsressort. Das neue Bündnis will dran bleiben: „Wenn das nicht aufgegriffen wird, werden wir bei der neuen Landesregierung auf der Matte stehen“, sagt die BUND-Landesvorsitzende Sabine Yacoub.

Klima- und Energiepolitik

Die Bewegung Fridays for Future fordert wie die Grünen, 2035 statt 2050 als Ziel für Klimaneutralität anzusetzen. Dagegen plädiert der Unternehmerverband LVU dafür, auf eigene Klimaziele – die über die der EU hinausgehen – zu verzichten. Statt der Pflicht zur Errichtung von Solardächern auf Gewerbebetrieben müsse die Photovoltaik-Freiflächenverordnung frühzeitig verlängert werden. Die Unternehmer wollen auch ein neues Gremium zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie – unter Beteiligung der Wirtschaft. Zudem solle ein Fachnetzwerk zur Erforschung neuer Energieträger und -speicher geschaffen werden.

Gesundheit

Die stationäre und ambulante Versorgung in der Fläche sicherstellen – das wollen eigentlich alle. Nach Ansicht der Krankenkassen und ihrer Verbände muss dafür aber deutlich mehr Geld fließen. Die Techniker Krankenkasse fordert eine Verdopplung der Investitionsförderung von derzeit 128 Millionen Euro für die Krankenhäuser und sieht sich dabei von einer Forsa-Umfrage in ihrem Auftrag bestätigt. Neun von zehn Befragten sagten danach, die Kliniken müssten stärker gefördert werden. 65 Prozent sähen dabei die Bundesländer in der Pflicht. Die Landespflegekammer fordert nach wie vor, Pflegeberufe attraktiver zu machen und deutlich besser zu bezahlen.

Verkehr

Die Rheinvertiefung müsse vorangetrieben und nach einer Alternative zur überlasteten Schienengütertrasse im Mittelrheintal gesucht werden, fordert der Unternehmerverband LVU. Der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club sieht ganz erheblichen Nachholbedarf beim Fahrradverkehr. „Der Radverkehr muss Pflichtaufgabe der Kommunen werden“, fordert ADFC-Geschäftsführerin Sara Tsudome. Das Ziel des FDP-geführten Verkehrsministeriums bis 2030 den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsmix von 8 auf 15 Prozent zu steigern ist dem Verband wie auch den Grünen zu wenig.

Wirtschaftspolitik

Die Unternehmer fordern eine aktive Standortpolitik und Investitionen in Forschung und Innovation in einer Gesamthöhe von 250 Millionen Euro. Forschungszentren mit intelligenten Schnittstellen zu den Unternehmen seien wichtig: im „smart farming“, beim autonomen Produzieren und Fahren sowie für innovative Materialien. Gründung einer Transformations- und Innovationsagentur zur Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft solle im Wirtschaftsministerium entstehen. Der DGB unterstützt die Forderung nach einem Innovations- oder Transformationsfonds für Unternehmen, die neue Geschäftsmodelle entwickeln. Zudem bräuchten die Unternehmen im Transformationsprozess Lotsen oder eine Agentur, die etwa bei den unterschiedlichen Förderungsmöglichkeiten helfe, sagt Landeschef Muscheid.

Arbeitsplätze

Alle jungen Menschen bräuchten einen Ausbildungsplatz – dafür müsse die Landesregierung mehr tun und endlich die lange geforderten Jugendberufsagenturen flächendeckend einrichten, sagt der DGB. Notwendig sei auch ein Fonds um ausbildende Unternehmen zu unterstützen. Öffentliche Aufträge mit Steuergeld sollten nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarifvertrag bezahlten und die Standards einhielten.

Sozialpolitik und Bildung

Die Caritasverbände Rheinland-Pfalz fordern vor allem Kitas und Schulen so auszustatten, „dass sie ihre Aufgaben für alle Kinder und Jugendliche gleichermaßen und zukunftsgerecht erfüllen können“. Die soziale Ungleichheit sei durch die Pandemie noch größer geworden. Eine „Landesinvestitionsstrategie“ für Einrichtungen wie Suchtberatung, Wohnsitzlose und andere soziale Probleme fordern die Caritasverbände: Statt Projekte zu fördern brauche es eine ausreichende dauerhaft Finanzierung.