Bundesweit verursachen die Geschehnisse in der Kita in Koblenz ein Medienecho – und in den sozialen Netzwerken geht es ohnehin hoch her. Ein Hauptakteur auf Facebook und Instagram ist der Verein Kinderseelenschützer in Bochum. 2019 gegründet, hat er zum Ziel, Kindern, die Missbrauchsopfer wurden, und deren Familien zur Seite zu stehen. Die Mitstreiter um den Vorsitzenden Dennis Engelmann agieren bundesweit, haben laut Engelmann schon diverse Missbrauchsopfer betreut. Doch einen Fall wie den in Koblenz, der auch nur annähernd ähnliche Dimensionen angenommen hat, hatten sie noch nicht.
Auf die Koblenzer Geschehnisse wurden die Kinderseelenschützer laut Engelmann aufmerksam gemacht. Der Verein spielte das Thema auf seinen Kanälen, angefangen von ersten Meldungen zum mutmaßlichen Missbrauch eines vierjährigen Mädchens über die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen seien eingestellt, weil sich keine Hinweise auf sexuelle Gewalt finden ließen, bis hin zu den Videos der verzweifelt wirkenden Mutter und des Vaters. Immer wieder übte der Verein Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaft. Im Gespräch mit unserer Zeitung betont Engelmann: „Wir sind kritisch, wir stellen Fragen – und für uns gibt es Ungereimtheiten in der Ermittlungsarbeit.“ Er wünscht sich mehr Transparenz in der Sache, auch wenn er der Koblenzer Polizei zugutehält, dass sie jüngst mit einem Video versucht hat, Vorwürfe sachlich zu entkräften – als Reaktion auf die Welle der Empörung im Internet.
Für ihre kritische Haltung in dem Fall bekommen Engelmann und Vereinskollegen viel digitalen Applaus – allein auf Facebook freunden sich über Nacht mehr als 1500 Fans mit dem Verein an. In einem überwältigten Post verkünden die Kinderseelenschützer die Zahl ihrer neuen Anhängerschaft – mittlerweile ist Engelmann über Teile dieser Gefolgschaft nicht mehr glücklich. Und ebenso wenig mit den „Auswüchsen“ infolge der Empörung: Er distanziert sich von den Drohungen gegen die Mitarbeiter der Kita und gegen die Ermittlungsbehörden. „Das geht gar nicht.“ Mehr als unangenehm überrascht ist er auch über einige Namen unter den neuen digitalen Vereinsfreunden, macht Engelmann deutlich. Dazu gehört etwa der des türkisch-nationalen Bloggers Bilgili Üretmen, der die Einträge des Vereins teilt und in seinem Sinn deutet.
Auf die politischen Hintergründe Üretmens und von weiteren Facebook-Freunden wurden sie über mehrere Stellen aufmerksam gemacht, erzählt Engelmann. „Wir als Verein, der sich in einem ganz anderen Kulturkreis bewegt, können solche Zusammenhänge nicht einordnen.“ Jetzt aber schaue man genau hin, Engelmann fürchtet, dass sein Verein für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Man wolle sich garantiert nicht vor einen politischen Karren spannen lassen. „Uns geht es darum, dass das Mädchen und seine Familie Hilfe bekommen. Um nichts anderes.“
Der Vorsitzende hofft, über den Anwalt, den die Familie des Mädchens jüngst bestellt hat, Einsicht in die Ermittlungsakte zu bekommen. Sollte dann die Kritik nicht haltbar sein, „sind wir die Ersten, die das in unseren Kanälen teilen“. Der Verein würde dann allerdings weiter fragen, wie es zu den Missbrauchsaussagen des Mädchens und ihrer Eltern komme. „Ich bin gespannt, ob wir, sollte unsere Kritik an den Behörden verstummen, dann noch so viel Zuspruch aus den entsprechenden Kreisen bekommen.“ Wobei gespannt das falsche Wort ist: Engelmann ist besorgt. Anke Mersmann