Rheinland-Pfalz

Debatte um Begoña Hermann: Vertrauen für neue Aufgabe verspielt?

Von Michael Stoll, Bastian Hauck
Begona Hermann, ehemalige Vizepräsidentin der ADD, flog kurz nach der Flut in Urlaub. Das bringt ihr einige Kritik ein – und nährt Zweifel, ob sie die Geschäfte des neu zu gründenden Vereins Zukunftsregion Ahr führen soll. Foto: Thomas Frey/dpa
Begona Hermann, ehemalige Vizepräsidentin der ADD, flog kurz nach der Flut in Urlaub. Das bringt ihr einige Kritik ein – und nährt Zweifel, ob sie die Geschäfte des neu zu gründenden Vereins Zukunftsregion Ahr führen soll. Foto: Thomas Frey/dpa

Begoña Hermann war Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), als die Flut im Ahrtal passierte. Kurz nach der Katastrophe flog sie in Urlaub. Deshalb steht sie in der Kritik, und es wird bezweifelt, ob sie die Richtige ist, um den Wiederaufbau im Ahrtal mitzugestalten. Das möchte Hermann nämlich – an der Spitze des neu zu gründenden Vereins Zukunftsregion Ahr.

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Um den Wiederaufbau an der flutzerstörten Ahr zu stemmen, hatte man dort lange auf eine Innovationsgesellschaft oder einen Zweckverband unter Einbezug des Landes gehofft. Stattdessen soll ein Verein mit dem Namen Zukunftsregion Ahr gegründet werden. Die Idee beruht auf einem Vorschlag der Mainzer Staatskanzlei. Doch noch bevor es zur Gründung kommen konnte, steht der Verein in der Kritik – und mit ihm Begoña Hermann, frühere Vizepräsidentin und Abteilungsleiterin in der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Hermann hatte sich selbst im November als potenzielle Geschäftsführerin in spe präsentiert.

Vor dem Kreisausschuss Ahrweiler definierte Hermann damals Ziele und Zweck des Vereins. Dieser habe gegenüber einer GmbH oder einem Zweckverband „flexiblere Möglichkeiten der Entwicklung“. Es gehe darum, die verschiedenen Bereiche des Neuaufbaus, vom Bauen bis zum Naturschutz und den Gewässern, vom Tourismus bis zum Weinbau, von der Bildung und Digitalisierung bis zur Energie, zu koordinieren.

Zukunftsfähigkeit als Ziel

Um die Akteure vor Ort zu unterstützen, bedürfe es eines guten Kooperationsmanagements und intensiver Kommunikation etwa zwischen Behörden und Kommunen, aber auch in Richtung Bevölkerung. Der Wieder- und Neuaufbau solle „Hand in Hand“ begleitet, maßgebliche Akteure der Zivilgesellschaft, aus Unternehmen, öffentlichen Institutionen und Politik besser vernetzt, gleichwertige Lebensbedingungen wiederhergestellt und die Zukunftsfähigkeit der Ahrregion gestärkt werden. Er würde damit die staatlichen Wiederaufbaumaßnahmen ergänzen – aber nicht ersetzen.

Mitglieder des neuen Vereins sollen Kreis und Kommunen, das Land und Landesbehörden, Kammern, Wirtschaft und Bürger sein. Ein Vorstand werde gewählt, eine Geschäftsstelle eingerichtet, Arbeitskreise sollen etabliert werden. Das Land werde mit rund 400.000 Euro pro Jahr erst einmal die maßgebliche Finanzierung und Förderung übernehmen.

„Ich habe beste Verbindungen nach Mainz, zur Landesregierung und zu Verwaltungen.“

Begoña Hermann

Damit der Verein rasch arbeiten könne, so hieß es im November, wird eine Geschäftsführung sowie ein dreiköpfiger Mitarbeiterstab vorgeschlagen. Für den Posten der Geschäftsführerin empfahl sich Begoña Hermann selbst: Nach ihrer Pensionierung wolle sie sich in dieser Position „mit ganzer Kraft im Ahrtal einbringen“. Ihr Vorteil: „Ich habe beste Verbindungen nach Mainz, zur Landesregierung und zu Verwaltungen.“

Nachdem in den Wochen zuvor bereits Verbandsgemeinden und Städte im Kreis Ahrweiler der Vereinsgründung zugestimmt hatten, war nun der Kreis an der Reihe. Der Auftritt von Begoña Hermann, ihre Präsentation in eigener Sache als künftige Geschäftsführerin sowie strittige Fragen der beim Land erarbeiteten Vereinssatzung führten zu einer kontroversen Diskussion. Dennoch stimmte der Kreisausschuss einer Vereinsgründung bei mehreren Enthaltungen zu.

Votum korrigiert

Wenige Wochen später korrigierte der Kreistag dieses Votum mit Mehrheit auf Antrag von CDU und FWG, wonach vor einem Beitritt noch Fragen bezüglich der Satzung und der Struktur des neuen Vereins zu klären seien. Verlangt werden gleiches Stimmrecht für alle Mitglieder, unabhängig von der Beitragshöhe, „kein Mehrfachstimmrecht für ein Mitglied etwa durch den gleichzeitigen Beitritt von angehörigen Untergliederungen, Tochtergesellschaften oder nachgeordneten Behörden“ sowie ein „offenes Auswahlverfahren (Stellenausschreibung) zur Besetzung der Geschäftsführung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle unter Beteiligung von Kreis und Kommunen im Kreis Ahrweiler“.

„Hat die Landesregierung die Lufthoheit über den Wiederaufbau im Ahrtal?

Kritische Stimmen aus der Kommunalpolitik

Da war sie wieder, die Personalie Begoña Hermann, deren forscher Auftritt im Ausschuss offenbar nachhaltige Spuren bei etlichen Kommunalpolitikern hinterlassen hatte. „Hat die Landesregierung die Lufthoheit über den Wiederaufbau im Ahrtal?“, fragten die Kritiker. Die kommunale Rolle sei zunächst einmal nicht ausreichend festgelegt, man erwarte Parität und Partnerschaft. Die Meinung im Kreistag war gespalten: SPD, Grüne und AfD sahen in dem Verein eine Chance, Satzungsfragen könnten immer noch geklärt werden.

Doch CDU und FWG setzten sich wohl auch mit Stimmen der FDP durch. Ergebnis: Der Kreis verweigerte zunächst den Beitritt zu dem Verein, der die Zukunft des Kreises Ahrweiler mitgestalten soll. Das Dilemma skizzierte Landrätin Cornelia Weigand (parteilos): Wenn es vor der Gründung weitere Satzungsänderungen gebe, dann müssten die wieder durch alle Gremien, auch der Städte und Gemeinden, gehen.

Fragen an die Staatskanzlei

Die Landesregierung erklärte nach der Entscheidung im Kreistag auf Anfrage unserer Zeitung, man sei weiterhin zu Gesprächen und auch zur finanziellen Unterstützung des Vereins bereit. Zwischenzeitlich aber geriet Begoña Hermann in die Kritik, weil sie als damalige Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion kurz nach der Flut einen zweiwöchigen Urlaub angetreten hatte (wir berichteten). Das kam Ende Januar bei einer Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe heraus.

Kann Hermann nach dieser überraschenden Nachricht weiter die Geschäftsführung des Vereins übernehmen? Wie steht Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zu dieser Frage? Das wollte unsere Zeitung von Regierungssprecherin Andrea Bähner wissen. Sie teilte auf Anfrage mit: „Diese Frage stellt sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer nicht, da ausschließlich die Gremien des noch zu gründenden Vereins über die Besetzung der Geschäftsführung entscheiden.“

Die Regierungssprecherin antwortete weiter, dass seitens der Landesregierung eine baldige Vereinsgründung begrüßt werden würde. Um die Gründung „zügig voranzubringen“, habe das Land einen Satzungsentwurf inklusive Beitragsordnung erarbeitet. Auf dessen Grundlage hätten bereits zahlreiche Räte ihren Beitritt beschlossen, so Bähner.

Jetzt geht's ums Geld

Spannend: Auf Anfrage erfuhr unsere Zeitung, dass im Rahmen einer ersten Planung für die Geschäftsführung des Vereins von Personalkosten in Höhe von 303.000 Euro ausgegangen worden ist. Das teilte das rheinland-pfälzische Innenministerium auf Anfrage unserer Zeitung mit. So seien für drei Mitarbeiter in der Geschäftsführung (Stellen E13, E8 und E6) Personalkosten in Höhe von 225.000 Euro geschätzt worden, sodass für die Geschäftsleitung im Rahmen einer ersten Schätzung 78.000 übrig blieben, informierte das Ministerium.

Das betonte, dass es sich hierbei nicht um ein mögliches Bruttogehalt einer künftigen Geschäftsführung, also möglicherweise von Begoña Hermann, handele. „Vielmehr handelt es sich um die rechnerisch möglichen Personalausgaben“, schrieb das Innenministerium.

Diese setzten sich etwa aus dem Entgelt der beschäftigten Person, dem Arbeitgeberanteil an den Sozialausgaben, den Personalnebenkosten zusammen. Das Ministerium wies weiter darauf hin, dass das dem Beschäftigten als Bruttolohn zu zahlende Entgelt niedriger ausfalle und die Eingruppierung von verschiedenen Faktoren (Alter, Erfahrungsstufe) abhinge. Am Ende würden die Mitglieder des Vereins über solche Fragen entscheiden.

Unterschiedliche Meinungen

Zurück zu Begoña Hermann: Wir fragten Politiker und Bürgermeister im Kreis Ahrweiler, ob die ADD-Vizepräsidentin a.D. angesichts der Kritik dennoch als Geschäftsführerin eines Vereins trag- und denkbar ist, der sich ja unter anderem mit der Bewältigung der Folgen eben dieser Flut beschäftigen soll.

Die Antworten spiegelten ein breites Meinungsbild wider: Achim Juchem, Bürgermeister der Gemeinde Grafschaft, erklärte etwa, dass erst einmal der Verein gegründet und dann auch vereinsintern Fragen wie personelle Entscheidungen, die Festlegung der Anforderungsprofile für die zu besetzenden Stellen oder das Vergabeverfahren zu klären seien. „Dort ist dann ebenfalls die Frage zu entscheiden, ob Frau Hermann nach dem kürzlichen Bekanntwerden ihres Urlaubs trotz Flutkatastrophe an der Ahr noch als Geschäftsführerin eines Vereins trag- und denkbar ist, sofern sie sich dann auch tatsächlich beim Verein – und nicht bei den Kreisgremien – bewerben sollte.“

Ist Hermann mehrheitsfähig?

Dagegen hielten andere Kommunalpolitiker wie Hans-Josef Marx, Vorsitzender der FWG-Fraktion im Kreistag: „Mit ihrem Verhalten hat sich Frau Hermann aus Sicht der FWG-Fraktion für die Besetzung der Geschäftsführung des Vereins ,Zukunftsregion Ahr' disqualifiziert.“ Dominik Gieler, Bürgermeister der VG Altenahr, wiederum erklärte: „Die Personalie von Frau Hermann für diese Position ist zugegebener Weise umstritten. Ich habe Frau Hermann in der Zusammenarbeit immer als hoch motiviert, engagiert und fähig kennengelernt. Sie verfügt über zahlreiche Kontakt im gesamten Land. Ich selbst befürworte sie für diese Position, kann mir aber nicht vorstellen, dass sich die Mehrheit für Frau Hermann aussprechen wird.