Ahrtal/Berlin

CDU fordert neuen Krisenchef: Kritik an ADD-Präsident Linnertz und seinem Katastrophenmanagement wächst

CDU-Generalsekretär Jan Zimmer fordert die rheinland-pfälzische Landesregierung auf, ADD-Chef Thomas Linnertz in seiner Funktion als Krisenmanager abzulösen.
CDU-Generalsekretär Jan Zimmer fordert die rheinland-pfälzische Landesregierung auf, ADD-Chef Thomas Linnertz in seiner Funktion als Krisenmanager abzulösen. Foto: picture alliance/dpa

Nachdem Katastrophenhelfer im Ahrtal gegenüber unserer Zeitung deutliche Kritik am mangelnden Krisenmanagement der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) geübt haben, erreicht das Thema nun auch die rheinland-pfälzische Landespolitik. CDU-Generalsekretär Jan Zimmer fordert Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf, ADD-Chef Thomas Linnertz in seiner Funktion als Krisenmanager abzulösen. „Es fehlt ein sichtbarer, kompetenter Ansprechpartner mit Überblick und Macherqualitäten“, sagt Zimmer. „Die Hilfsmaßnahmen und der Personaleinsatz sind nicht ausreichend strukturiert. Helferinnen und Helfer lässt die Regierung im Regen stehen oder schickt sie wieder weg. Bauunternehmer bleiben auf ihren Kosten sitzen. Organisation und Einsatzleitung funktionieren nicht.“ Dabei sei dringend schnelles, unbürokratisches und koordiniertes Handeln gefragt, um den Menschen im Ahrtal zu helfen. „Es geht um ihre Heimat.“

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Regeln des Krisenstabs werden von einer Dienstvorschrift bestimmt

Linnertz verteidigt sich und die 200 Mitarbeiter des Krisenstabes gegen die Kritik. „Wir haben seit Einsatzbeginn grob geschätzt etwa 20.000 Helfer aus dem ganzen Bundesgebiet hier gehabt“, sagte er. „Eine Unmenge von Material, Versorgungsgütern und Gerätschaften“ sei „möglichst bedarfsgerecht und zielorientiert“ in die Flutregion gebracht worden. „Wir arbeiten regelmäßig daran, Reibungsverluste, die möglicherweise entstehen, auszumerzen und abzustellen“, sagte Linnertz. Er habe Verständnis dafür, „dass es manchmal aus dem Blickwinkel eines Helfers vor Ort auch Kritik an der Arbeit gibt“. Die Regeln für die Arbeit des Krisenstabs seien allerdings durch eine Dienstvorschrift vorgegeben, mit der alle Hilfsorganisationen bundesweit arbeiteten.

CDU-Generalsekretär Zimmer holt auch gegen Innenminister Roger Lewentz (SPD) aus. Auch auf ihn könne sich die Ministerpräsidentin offenbar nicht verlassen, erklärt Zimmer. Lewentz sei am Abend des 14. Juli, also am Abend der Flutkatastrophe, nur kurzzeitig im Krisenstab des Kreises Ahrweiler gewesen, um dann schnell wieder nach Hause zu fahren. „Frau Dreyer muss unverzüglich einen Sonderbeauftragten für das Hochwasser-Krisenmanagement einsetzen“, fordert Zimmer.

Als Sonderbeauftragten für den Wiederaufbau im Ahrtal schlägt die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner ihren Parteikollegen Thomas de Maizière vor. Das sagte sie dem SWR. Der CDU-Politiker war zwischen 2005 und 2018 Chef des Bundeskanzleramts sowie Innen- und Verteidigungsminister in Berlin. „Jemand muss den Hut aufhaben“, sagte Klöckner. Die Koordination der vielen privaten Helfer mit den professionellen Helfern wie Technischem Hilfswerk (THW), Feuerwehr, Bundeswehr und Bundespolizei funktioniere auch drei Wochen nach der Katastrophe noch immer nicht gut.

Zudem sei auf Landesebene ein „ständiges, auf Jahre angelegtes Sondergremium“ über Parteigrenzen hinweg notwendig, in dem permanent über den Aufbau im Ahrtal informiert und entschieden werde. „Nur so, mit Transparenz, gewinnt man Vertrauen.“ Auch der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung müsse nach der Flutkatastrophe noch einmal abgeklopft werden, fordert Klöckner. Man müsse diskutieren, ob in gefährdeten Gebieten die Bauweise von Häusern geändert werden müsse oder dem Gewässer künftig mehr Raum gelassen werde. Das sei Sache von Experten – in Abstimmung mit den Betroffenen. „Sie müssen eng eingebunden werden.“

Das Innenministerium in Mainz hat bereits angekündigt, dass eine ganze Abteilung auf Zeit entstehen soll, die sich um die Bewältigung der Folgen des Ahrhochwassers kümmert. Auch andere Ministerien sollen eingebunden werden. So seien auch Vertreter von Finanz-, Wirtschafts- und Klimaschutzministerium ständige Mitglieder. Zudem soll die Entwicklungsagentur des Landes mitwirken.

Zu den großen Hilfsorganisationen, die aktuell im Ahrtal aktiv sind, gehört das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Bis zu 10.000 warme Mahlzeiten kochen DRK-Helfer täglich für Betroffene. Dazu ist in der Gemeinde Grafschaft ein großes Verpflegungszentrum in Betrieb genommen worden. Das Essen wird von dort an rund 15 Ausgabestellen im Kreis Ahrweiler ausgefahren und verteilt. „Die Leute sind sehr dankbar dafür“, sagte eine DRK-Sprecherin.

Die DRK-Helfer fangen nachts um 2 Uhr mit dem Kochen an

Mit dem Kochen der Mahlzeiten beginnen 110 Helferinnen und Helfer nachts um 2 Uhr. „Sie kochen drei Durchgänge, um morgens das Essen abzufüllen“, erklärt das DRK. Zudem werden weitere bis zu 10.000 Lunchpakete gepackt, um sie zu verteilen. Das Ausfahren der Mahlzeiten übernehmen 70 weitere Helfer.

Insgesamt sind noch mehr als 1400 Helfer des DRK aus dem ganzen Bundesgebiet in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Einsatz – die meisten davon ehrenamtlich. Bislang sind beim Deutschen Roten Kreuz bundesweit 32 Millionen Euro Spenden eingegangen – Geld, das laut Sprecherin auch in das Verpflegungszentrum fließt.

Das DRK hat im Ahrtal auch drei mobile Arztpraxen zur Verfügung gestellt. „Sie werden nach wie vor sehr gut angenommen“, sagte die Sprecherin. Zudem werden vom DRK täglich bis zu 140.000 Liter Trinkwasser in den betroffenen Orten an der Ahr ausgegeben. Außerdem werden zahlreiche Stromaggregate und Bautrockner bereitgestellt und Hygieneartikel verteilt. Geplant ist auch die Inbetriebnahme einer Kläranlage.