Mittelrheintal

Buga-Bloggerin unterwegs im Mittelrheintal: Wie pflegt man eigentlich ein Welterbe?

Von Esther Jansen
Bundesgartenschau soll 2029 im Mittelrheintal stattfinden
Mitten im Welterbe: das Obere Mittelrheintal um den Loreleyfelsen aus der Vogelperspektive. 2002 wurde das Tal als Kulturlandschaft in die Welterbe-Liste der Unesco aufgenommen – es bedarf einer besonderen Obhut. Foto: Thomas Frey/dpa

Esther Jansen ist die aktuelle Buga-Bloggerin. In loser Folge veröffentlicht unsere Zeitung Beiträge von ihr. Heute befasst sie sich mit der Frage, wie das Obere Mittelrheintal als Welterbe eigentlich gehegt und gepflegt wird. Da kommt der Zweckverband Oberes Mittelrheintal ins Spiel. Hier der Text der Buga-Bloggerin:

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Seit das Obere Mittelrheintal Unesco-Welterbe ist, gehört es nicht nur zu einer offiziellen Liste besonders wertvoller Stätten, sondern benötigt auch spezielle Obhut. Denn ein Welterbe behält seinen Status nur, wenn es seine von der Unesco als charakteristisch und erhaltenswert herausgestellten Merkmale pflegt, schützt oder – behutsam und denkmalgerecht – entwickelt. Eine knifflige, aber auch sehr spannende und vielseitige Aufgabe, der der 2005 gegründete Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal nachgeht.

„Vielen Leuten scheint nicht klar zu sein, was wir alles tun“, sagt Nico Melchior lachend. Er ist Projektleiter und Geschäftsführer der Lokalen Aktionsgruppe Welterbe Oberes Mittelrheintal (kurz LAG). „Wir müssen immer im Blick haben, wie sich das Mittelrheintal insgesamt entwickelt. Es gibt zahlreiche strukturelle Herausforderungen – und wir versuchen, die Weiterentwicklung der Region einerseits durch eigene Vorhaben voranzutreiben, andererseits aber auch andere, die etwas tun wollen, dabei zu unterstützen.“ Und das tut das kleine Team um Geschäftsführerin Nadya König-Lehrmann mit Herzblut und Überzeugung.

Vorbild sein

Als der Zweckverband drei Jahre nach der Anerkennung der Mittelrheinregion als Welterbe seine Arbeit aufnahm, lief alles noch recht guerillamäßig. „Wir haben angefangen in einer Art ausgebauter Doppelgarage. Wenn Hochwasser war, mussten wir das Büro räumen, das gleichzeitig auch unser Lager für die unterschiedlichsten Dinge war“, erinnert sich Melchior schmunzelnd. „Einmal kamen 100 Kirschbäume an, die wir erst mal im Hof lagern mussten. Wir hatten eine sehr nette Vermieterin, die uns im Sommer immer Eis gebracht hat. Das mit den Kirschbäumen fand sie allerdings nicht so witzig.“

Aus zwei Personen, die zunächst die nötigen Netzwerke und Strukturen für ihre neue Aufgabe schaffen mussten, ist inzwischen ein achtköpfiges Team mit hochwassersicherem Büro geworden. Einige Projekte, die in den frühen Jahren des Zweckverbands schon angestoßen wurden, existieren heute noch – zum Beispiel das Konzept „Welterbe-Gastgeber“, ein Empfehlungskonzept, das Gästen der Region aktiv Hoteliers und Gastronom*innen präsentiert, die sich durch besondere Ortskenntnis und Angebotsqualität auszeichnen. Sukzessive ist mehr dazugekommen, zum Beispiel der Bereich Kunst und Kultur, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit der Arbeit des Zweckverbandes ist die „Welterbe-Verträglichkeit“. In der öffentlichen Wahrnehmung scheint diese allerdings oft als Entwicklungsbremse zu wirken. Das sei aber nicht die Regel, erklärt Lea Rindsfüsser, Projektleiterin im Bereich Kultur und Jugend: „Wir wollen Projekte ermöglichen, nicht verhindern. Für Vorhabenträger sind wir beratend tätig, sie können hinsichtlich der Gestaltung von Projekten Informationen und Hilfestellung von uns bekommen.“ In den meisten Fällen gebe es welterbeverträgliche Lösungen.

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Das Team der Lokalen Aktionsgruppe Welterbe Oberes Mittelrheintal um Nico Melchior (Dritter von links).
Foto: Felix Vollmer

Manchmal hapere es schlichtweg daran, dass der Zweckverband zu spät in Prozesse eingebunden werde. „Es ist immer einfach zu sagen ‚Die böse Unesco bremst uns in allem aus‘. Solange wir in Planungsprozesse von vornherein eingebunden sind, können wir auch von Anfang an mit dafür sorgen, dass die jeweiligen Projekte aus Welterbe-Sicht umsetzbar sind“, erklärt Nico Melchior.

Mit Blick auf die Buga

Auch aus diesem Grund kooperiert der Zweckverband mit unterschiedlichen Instanzen – von den kommunalen Verwaltungen bis hin zu Tourismusverbänden. Für alle, die am Welterbe mitgestalten wollen, ist es wichtig und wertvoll zu wissen, was Gleichgesinnte tun. Viele Projekte, die der Zweckverband anstößt und mitgestaltet, sind Hybridprojekte, für die es verschiedene Expertisen braucht.

Auch für die Bundesgartenschau 2029 spielt das Team um Nadya König-Lehrmann eine große Rolle. Das Großprojekt und der Zweckverband existieren in einer Art Symbiose. „Wir haben sehr ähnliche Zielsetzungen und Zielrichtungen. Der Zweckverband ist der Hauptgesellschafter der Buga gGmbH, darüber gibt es eine gewisse Vernetzung unseres Vorstands in Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlungen. Auch die Finanzierung der Eigenmittel der Bundesgartenschau läuft über uns“, sagt Nico Melchior.

Ein äußerst wichtiges Thema für Buga und Zweckverband ist die Bindung und Attraktion junger Menschen. Mithilfe des Förderprogramms Aller.Land werden ländliche Regionen bei der Entwicklung neuer Formate im Bereich Kultur, Beteiligung und Demokratie unterstützt. Mit einer Fördersumme von 40.000 Euro kann der Zweckverband für das Obere Mittelrheintal als eine von acht ausgewählten Regionen ein beteiligungsorientiertes Kulturvorhaben konzeptionell entwickeln. Wenn alles gut geht, wird das Konzept ab 2025 über eine Dauer von fünf Jahren erprobt und umgesetzt.

Mitmachen und vermitteln

„Wir wollen junge Menschen zu Mit-Machern machen“, fasst Lea Rindsfüsser zusammen. Derzeit werden verschiedene Projektideen erprobt, die in einem Konzept für die Bewerbung zusammenfließen sollen. Ein erster Aufschlag war der Dreh eines Imageclips für die Region als Aktivitätsstandort für Jugendliche. „Wir wollen auch versuchen, einen Jugendkulturrat zu initiieren“, sagt die Projektmanagerin.

Der Zweckverband hat auch das Projekt „Kultur im Fluss“ ins Leben gerufen, mit dem eine moderne Form der Kulturarbeit unter Berücksichtigung oder Einbeziehung der lokalen Gegebenheiten, Geschichte und Charakteristika ermöglicht werden soll. Auch hier sollen moderne Diskurse und Bedürfnisse Beachtung finden sowie ein diverseres Angebotsspektrum möglich werden, heißt es. Lokale Partner wie Kulturvereine, Jugendherbergen, Schulen oder Künstlerinnen werden in die Aktivitäten einbezogen.

Fokus auf Förderungen

Neben der Entwicklung eigener und kooperativer Konzepte kümmert sich der Zweckverband auch um die Beratung und Vernetzung derjenigen, die selbst etwas auf die Beine stellen möchten. Eigeninitiativen in allen Größenordnungen sind wichtig für den Mittelrhein – und die können sich in vielen Fällen fördern lassen. „Wir kommunizieren vor jedem Förderaufruf und nach jedem Förderaufruf in den Zeitungen. Manche Förderaufrufe, zum Beispiel die Unterstützung fürs Ehrenamt, sind sehr erfolgreich. Andere werden dagegen nicht ausgeschöpft“, sagt Nico Melchior. „Jetzt nach der Kommunalwahl werden wir auch den neuen Bürgermeistern in allen Kommunen noch mal die Förderoptionen erklären.“ Die vorhandenen Mittel abzurufen, ist wichtig – denn die Förderlandschaft passt sich auch der Nachfrage an.

Um Lust am Mitmachen und eine stärkere Bindung zur Region herzustellen, versucht das Team des Zweckverbands, die Leute mit niederschwelligen Angeboten zu erreichen. Zum Beispiel mit Trockenmauerkursen, mit den Aktionen rund um die Mittelrheinkirsche, Beschnittkurse, Führungen, Wanderungen oder Lichtkunstveranstaltungen, die Menschen miteinander, aber auch mit der Kulturlandschaft und ihren Besonderheiten in Berührung bringen.

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Buga-Bloggerin Esther Jansen
Foto: Andreas Jöckel/Buga 2029

„Diese Angebote werden sehr gut angenommen – oft wissen die Leute aber nicht, dass wir dahinterstecken. Wir werden manchmal auf unsere eigenen Projekte angesprochen nach dem Motto ‚Habt ihr das mitbekommen? Das war doch mal eine tolle Aktion‘. Es wäre schön, wenn die Vielfalt der Aufgaben und Angebote, die wir abdecken und anbieten, noch bewusster in der öffentlichen Wahrnehmung wäre“, sagt Melchior.

Am Ende sei aber das Ergebnis das Wichtigste: Die Menschen hier sollen das Welterbe als Geschenk verstehen, nicht als Hindernis. Dafür brauche es Geduld für die Prozesse, die im Gange sind. Aber die werde belohnt. „Es tut sich unheimlich viel, gerade wenn man mal ins Kleine schaut“, findet Melchior. „Manches braucht aber einfach etwas länger. Viele warten auf einen großen Impuls von außen, jetzt gerade zum Beispiel auf die Buga, die mitten in der Entwicklung ihrer Aktionen fürs Jahr 2029 steckt. Aber wer etwas tun will, kann jederzeit für die Region aktiv werden. Wir unterstützen und vermitteln gerne!“

Die Buga-Bloggerin

Burg Sooneck mitten im Welterbe Oberes Mittelrheintal ist Zuhause auf Zeit von Esther Jansen. Als Buga-Bloggerin lebt sie sechs Monate im Tal, um von dort aus Themen auf den Grund zu gehen, die die Menschen in der wunderschönen, aber mit allerlei strukturellen Problemen kämpfenden Region beschäftigen.

Sie führt das Projekt fort, das unter dem Namen Burgenblogger bekannt wurde und nun unter dem Vorzeichen der Bundesgartenschau 2029 im Welterbegebiet Oberes Mittelrheintal steht. Ihre Beiträge veröffentlicht Esther Jansen online unter www.bugabloggerin.de und in den sozialen Medien. Unsere Zeitung ist neben der Buga 2029 GmbH und der Generaldirektion Kulturelles Erbe einer der drei Partner, die hinter dem Projekt stehen.