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Bistum Trier will alle Kirchengemeinden auflösen und 35 neue schaffen: Das Ende der alten Pfarreien naht

Dunkle Wolken über dem Trierer Dom: Gegen die Bistumsreform läuft die katholische Basis inzwischen vielerorts Sturm. Für den 20. Oktober hat die Initiative „Kirchengemeinde vor Ort“ zu einer Protestkundgebung am Bischofssitz eingeladen.  Foto: nmann77
Dunkle Wolken über dem Trierer Dom: Gegen die Bistumsreform läuft die katholische Basis inzwischen vielerorts Sturm. Für den 20. Oktober hat die Initiative „Kirchengemeinde vor Ort“ zu einer Protestkundgebung am Bischofssitz eingeladen. Foto: nmann77

Die Pfarrei St. Severus Boppard: wird aufgelöst. Die Pfarrei Maria Himmelfahrt Waldbreitbach: gibt es nicht mehr. Die Pfarrei St. Medard Bendorf: Vergangenheit. Die Pfarrei St. Erasmus Rheinböllen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, denn im Jahr 2020 wird nach dem Willen des Bistums Trier keine einzige der teils historischen Pfarreien mehr existieren. Sie alle sollen aufgelöst werden. Stattdessen werden 35 komplett neue Großpfarreien geschaffen.

Lesezeit: 3 Minuten
Diese Situation ist völlig anders, als wenn Kirchengemeinden zu einem Verbund zusammengefasst werden – die Pfarreien bleiben dann bestehen, sie arbeiten nur enger zusammen und teilen sich Pfarrer oder Räte. Nun geht es aber um die Auflösung aller 887 Pfarreien, die derzeit in 172 Pfarreiengemeinschaften organisiert sind. Die Initiative „Kirchengemeinde ...
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Woran arbeitet das Bistum derzeit?

Viele Arbeitsgruppen – genannt Teilprozessgruppen – sind derzeit dabei, das Bistum neu aufzustellen. Im Newsletter des Bistums heißt es: „Die Arbeit der Teilprozessgruppe Raumgliederung war ein erster Schritt, sie hat die Beschreibung der Territorien der künftigen Pfarreien abgeschlossen. Der Bischof hat die Vorlage der Raumgliederung für das formale Anhörungsverfahren freigegeben. Es sind 35 Pfarreien der Zukunft vorgesehen. Die Folgen der geplanten Gründung der Pfarreien der Zukunft hat eine Arbeitsgruppe sondiert und eine Lösung vorgeschlagen: Nach Abstimmung in der Leitungskonferenz unter vorheriger Rücksprache mit den Dechanten des Bistums soll für jede Pfarrei der Zukunft nur eine Kirchengemeinde der Zukunft errichtet werden. Damit würden die bisherigen Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände aufgelöst werden.“

In weiteren Gruppen wird zum Beispiel das neue Rahmenleitbild entworfen, andere beschäftigen sich mit den Fragen der Aufbauorganisation und des Leitungsteams: Wie soll die künftige Großpfarrei geleitet werden? Welche Rolle spielt der Pfarrer im Leitungsteam? Die Gruppe Verwaltungsprozesse klärt die Frage, welche Dienstleistungen es nur noch zentral an einem Ort in der Großpfarrei geben wird und welche auch noch in der Fläche angeboten werden. Die Gruppe Synodales Prinzip und Synodale Gremien arbeitet daran, wie sich Christen an den anstehenden Entscheidungsprozessen künftig beteiligen können.

Interview mit Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg: „Struktur und Verwaltung müssen verschlankt werden“

Die Vorstellung, dass die eigene Pfarrei aufgelöst wird, treibt zahlreiche Katholiken auf die Palme. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagt Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg, dass die Kirche dennoch nah bei den Leuten bleiben wolle.

Die Proteste konzentrieren sich inzwischen weniger auf pastorale Fragen – also Fragen nach dem Pfarrer und der zukünftigen Art der Seelsorge –, sondern auf das Auflösen der bestehenden Pfarreien als Rechtsträger und damit auch die Frage, wer das Vermögen verantwortet. Ist es eine Option, diesen Punkt vorerst aus der Reform herauszunehmen, erst einmal mit dem kirchlichen Leben zu starten und die Strukturfragen später anzugehen?

Es ist richtig, dass die Gespräche mit der Initiative „Kirchengemeinde vor Ort“ sich kaum um pastorale Fragen drehen, sondern um die Frage, wie viel und wie schnell strukturelle und organisatorische Veränderungen in den Pfarreien der Zukunft nötig sind. Die Kirche im Bistum Trier, so hat es die Synode beschlossen, will sich grundlegend neu ausrichten und in allen kirchlichen Handlungen missionarisch und diakonisch in die Welt hineinwirken, sie will nah bei den Menschen sein und synodal arbeiten. Um unsere Kräfte dafür so weit wie möglich frei zu bekommen, müssen Struktur und Verwaltung vereinfacht und verschlankt werden. Grundsätzlich möchte ich festhalten: Geld und Grundbesitz und Eigentum der jetzigen Kirchengemeinden sind nicht für sich selbst da, sie stehen vielmehr im Dienst des kirchlichen Auftrags, für die Menschen da zu sein – in einer Haltung der Verantwortung und Solidarität. Aus diesem Grund gehören die organisatorischen und die pastoralen Neuerungen unbedingt zusammen.

Wenn man die alten Pfarreien erst einmal bestehen lassen würde, hätte das den Vorteil, dass sich die neuen Pfarreien der Zukunft erst beschnuppern und das „Leben“ testen könnten – bevor dann der juristische Akt folgt.

So haben wir es bisher gemacht, wenn eine Fusion von mehreren Pfarreien anstand. Diese Fusionen sind in der Regel auf Wunsch einzelner Pfarreien erfolgt und waren in ihrer Prozessgestaltung, gerade zeitlich, relativ frei. In der Synodenumsetzung geht es aber um mehr: Wir wollen eine grundlegende Neuorientierung und benötigen daher eine Neuordnung. Die Pfarrei soll dabei den organisatorischen Rahmen für ein vielfältiges Leben der Kirche im Ort bieten. Es geht bei den Veränderungen darum, die vielen bestehenden und lebendigen Initiativen, Gruppen, Einrichtungen, Gemeinschaften in ihren Möglichkeiten und ihrem christlichen Leben zu bestärken. Und wir laden ein, wie dies aktuell in der Erkundungsphase exemplarisch geschieht, aufzubrechen, Neues zu entdecken und zu wagen. Dazu braucht es nach meiner Überzeugung eine offenere und flexiblere Struktur, wie sie die Synode mit dem Perspektivwechsel „Weite pastorale Räume einrichten und netzwerkartige Kooperationsformen verankern“ beschlossen hat.

Noch einmal zum Verständnis: Meine Pfarrei St. Medard Bendorf existiert in Zukunft nicht mehr – ist das so korrekt? Es gibt dann nur noch schlicht eine Kirche St. Medard in Bendorf, die zur Großpfarrei Koblenz gehört.

Richtig ist, dass die bisherigen Pfarreien aufgehoben werden und sich neue Pfarreien der Zukunft gründen. Es wäre aber absolut falsch zu sagen, dass es dann „nur noch schlicht“ eine Kirche in einem Ort gibt. Schon heute und auch künftig gibt es kirchliches Leben an vielen Orten – ich denke in Bendorf etwa an die Kita St. Medard mit ihrem wunderbaren Bienenprojekt – mit Menschen, die ihren Glauben und ihr Kirche-Sein miteinander leben, begleitet von Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Denn entgegen der schon mehrfach verbreiteten falschen Aussage, es gebe dann nur noch einen Priester in der Pfarrei der Zukunft, wird es zusätzlich zu den jeweils leitenden Pfarrern in der Pfarrei der Zukunft viele Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und –referenten geben, die zusammen mit den Ehrenamtlichen Kirche gestalten – ob rund um einen Kirchturm, auf dem Sportplatz oder in einer Kita. Kirche ist mehr als ein Gebäude, als der Pastor und als die Sonntagsmesse. Vielmehr ist Kirche überall da, wo zwei oder drei sich in Jesu Namen versammeln und sich in den Dienst am Nächsten stellen.

Wie werden die 35 Pfarreien der Zukunft heißen: Wird man einen Schutzpatron suchen und die Pfarrei dann analog zu den heutigen Pfarreien benamen? Und werden dazu von Ihnen Vorschläge gesammelt, oder wird die Großpfarrei jeweils den Namen der Hauptkirche im Pfarrort haben?

Grundsätzlich kann man sagen, dass wir auf diözesaner Ebene nur das regeln wollen, was auch auf dieser Ebene geklärt werden muss. Das Verfahren zu diesen Fragen überlegen wir derzeit, gerade auch mit Blick auf die Beteiligungsmöglichkeiten.

Die Fragen stellte Michael Defrancesco

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