London

Herzklopfen in der Leere des Alls: Schotte Dave Mackay macht Touristen zu Astronauten

Er hat die auffälligste Visitenkarte der Welt: eine dunkle Pupille mit dem grünlichen „Strahlenkranz“ der Iris auf einem schwarzen Hintergrund, so wie eine Sonnenfinsternis im All. Darauf eine Aufschrift: „Dave Mackay, Chefpilot“. Sie liest sich wie eine große Untertreibung. Denn der 54-jährige Schotte ist der erste Flugkapitän der Welt, der in etwa einem Jahr eine Gruppe aus sechs reichen Touristen zu Astronauten machen wird.

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London – Er hat die auffälligste Visitenkarte der Welt: eine dunkle Pupille mit dem grünlichen „Strahlenkranz“ der Iris auf einem schwarzen Hintergrund, so wie eine Sonnenfinsternis im All. Darauf eine Aufschrift: „Dave Mackay, Chefpilot“. Sie liest sich wie eine große Untertreibung.

Denn der 54-jährige Schotte ist der erste Flugkapitän der Welt, der in etwa einem Jahr eine Gruppe aus sechs reichen Touristen zu Astronauten machen wird. Zwar nur für fünf Minuten, doch das reicht den 500 Abenteurern, die sich für den exotischsten Urlaubstrip aller Zeiten angemeldet haben.

Mackay weiß bereits, wie er in 100 Kilometer Höhe seine Passagiere begrüßen wird, wenn die Erde sein Raumschiff aus dem Gravitations-Griff entlässt. „Ladies and Gentlemen, willkommen im All. Sie dürfen sich losschnallen und die Schwerelosigkeit genießen“, sagt feierlich der kräftig gebaute Mann mit einem rotblonden Dreitagebart.

500 Menschen wollen sich im ersten Jahr ins All schießen

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Milliardärs Richard Branson, der mit seiner Firma Virgin Galactic (VG) seit sieben Jahren unterwegs ist, um in lukrative unternehmerische Galaxien vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Die suborbitalen Touren ins All seien das nächste große Geschäft, sagen die Fachleute. Der britische Exzentriker hat 270 Millionen Dollar in VG investiert, die schon im ersten Flugjahr 500 Menschen hochschießen will – etwa so viele, wie seit Gagarin im Weltraum gewesen sind. Dafür hat der 61-jährige Branson in der US-Wüste Mojave im Oktober einen eigenen Raumbahnhof eröffnet, den „Spaceport“. Ein Video zeigt die Eröffnungsfeier:

Von dort soll dann ein Gespann aus Kohlefaserverbundstoff abheben: ein Doppelrumpf-Flugzeug mit einer Spannweite von einer Boeing-767 und das 18 Meter lange Raumschiff SpaceShipTwo (SS2), das in einer Minute auf 4200 Stundenkilometer beschleunigen kann. „Weil SS2 keine Automatik hat, trage ich die volle Verantwortung für die Sicherheit der Passagiere“, sagt Dave Mackay. Als ehemaliger Testpilot der Royal Air Force scheint er diese Herausforderung besonders zu genießen.

Die Mondlandung formte seine Träume als 12-Jähriger

Hat einen Traum: Der Weltraumkapitän Dave Mackay, hier im Londoner Green Park.
Hat einen Traum: Der Weltraumkapitän Dave Mackay, hier im Londoner Green Park.
Foto: Alexei Makartsev
„Gib niemals deine Träume auf“: So lautet das Lebensmotto des ersten Weltraumkapitäns, der als kleiner Junge die tief fliegenden Militärjets über seinem Dorf in den Highlands bewundert hat. Mit zwölf Jahren sah Dave im Fernsehen die „Apollo“-Mondlandung. „Von dem Tag an wollte ich zum Mars“, erinnert er sich. Wie viele Astronauten ging Mackay zur Luftwaffe, nur um später von der Schließung des britischen Weltraumprogramms zu erfahren. Zutiefst frustriert wechselte er 1995 zu Bransons Airline Virgin Atlantic.

Mackay arbeitete dort als Kapitän eines Airbus A340, als sein Traum vor fünf Jahren unerwartet in greifbare Nähe rückte. 2004 hatte der US-Konstrukteur Burt Rutan ein neuartige Weltraumfähre gebaut, die zweimal binnen zwei Wochen ins All starten konnte. Branson bestellte bei Rutan ein größeres Raumschiff für acht Personen und bot dem erfahrenen Testflieger den Job des Chefpiloten an. Seitdem ist Mackay damit beschäftigt, das SS2 zu perfektionieren, an den Simulatoren zu üben und Flughandbücher zu schreiben. „Wir legen viel Wert auf Sicherheit und haben daher keinen festen Zeitplan“, erklärt der Kapitän. Dennoch: „Mitte 2012 wird das Triebwerk in das Raumschiff eingebaut und getestet. Geht alles glatt, werden die ersten Flüge schnell folgen – zunächst aber ohne Touristen“.

Keine Verpflegung, aber Windeln

Und so soll das 200.000 Dollar teure, zweistündige Abenteuer aussehen: nach drei Tagen Training im Spaceport ein Aufbruch bei Sonnenaufgang und ein einstündiger Steigflug im „angeschnallten“ SS2. „Es gibt weder Essen noch Trinken, aber wahrscheinlich Unterhaltung an Bord“, sagt Mackay, den aus Sicherheitsgründen ein zweiter Pilot begleiten soll.

Weil in der 3,7 Meter langen Kabine keine Toiletten vorgesehen sind, können die Weltraumtouristen auf Wunsch spezielle Windeln tragen. „Ich schaffe es auch ohne“, versichert lachend der Kapitän.

In Höhe von 15 Kilometern koppelt sich das Raumschiff vom Trägerflugzeug ab und braust nach der Triebwerkszündung steil nach oben. „Es ist laut, die Beschleunigung von 3G fühlt sich an, als würde auf deiner Brust ein Bücherstapel liegen“, beschreibt Mackay den Start. Nach einer Minute wird das SS2 die Weltraumgrenze von 100 Kilometer Höhe erreichen und den Antrieb abschalten. „Es ist ein abrupter Übergang“, erzählt der Pilot. „Plötzlich schwebst du in der Luft und hörst nur die Leere des Alls und dein pochendes Herz“.

So soll der „Spaceport America“ einmal aussehen.

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VMS Eve und VSS Enterprise beim Landeanflug.

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Der Hangar für die Privat-Raumschiffe, wie er einmal aussehen soll.

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Zeichnung des geplanten Ablug-Terminals.

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New Mexico-Gouverneur Bill Richardson (l) und der Luft- und Raumfahrt-Unternehmer Sir Richard Branson geben sich geben sich zuversichtlich. Über ihnen fliegt Virgin Galactic's Trägerflugzeug „WhiteKnightTwo“ mit angedocktem „SpaceShipTwo“.

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Der Weg zurück ist ein gesteuerter Fall mit hochgeklappten Flügeln, die SS2 abbremsen werden, bis das Schiff wieder seine aerodynamische Form annehmen und zum Spaceport segeln kann. „Danach ist Party-Zeit“, sagt Mackay, der gerne seine Kinder ins All mitnehmen würde. „Meine Frau findet das zu aufregend“, bedauert er.

Der Schotte hofft darauf, zu seinen Lebzeiten touristische Trips in die Erdumlaufbahn und zum Mond erleben zu können. „Es ist wie mit den Transatlantikflügen: Lindbergh machte 1927 den Beginn, dann wollten alle reisen und es wurde zur Routine“, erzählt er. Neben den Weltraumfans sei auch die NASA am SpaceShipTwo interessiert, sagt Mackay stolz. „Ich habe mit US-Astronauten gesprochen, die sehr neidisch sind, weil ihr eigenes Flugprogramm derzeit auf Eis liegt“.

Von unserem Londoner Korrespondenten Alexei Makartsev