Koblenz

Hilfe, wir ersticken in E-Mails!

Exakt 30 Jahre nach der ersten E-Mail, die jemals nach Deutschland versandt wurde, ersticken die Deutschen im E-Mail-Müll. Aktuelle Schätzungen gehen von 90 Prozent sogenannter Spam-Mails aus: „Sie gefährden die Stabilität der IT-Infrastruktur, kosten Zeit und schmälern die betriebliche Effizienz“, urteilte jüngst die Fachzeitschrift „IT-Business“.

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Von unserem Digitalchef Marcus Schwarze

Jährlich 14 Milliarden Dollar Schaden sollen die ungewünschten Werbemails verursachen, wie eine Studie ergab – durch die vertane Zeit der weltweiten Anwender, die mühsam trotz aller Fortschritte bei der Internettechnik doch noch E-Mails nachsortieren müssen.

Ein brisantes Urteil des Bonner Landgerichts verschärft das Problem. Demnach müssen Geschäftstreibende regelmäßig auch in ihren Spam-Ordnern nachschauen, ob geschäftliche Mails versehentlich als Werbung markiert wurden. Im vorliegenden Fall hatte ein Rechtsanwalt eine E-Mail nicht an seine Mandantin weitergeleitet, weil die Nachricht im Spam gelandet war. Durch die Verzögerung hielten die beiden eine Frist nicht ein, der Frau entstand ein Schaden von rund 285 000 Euro.

„Bei der Unterhaltung eines geschäftlichen E-Mail-Kontos mit aktiviertem Spam-Filter muss der E-Mail-Kontoinhaber seinen Spam-Ordner täglich durchsehen, um versehentlich als Werbung aussortierte E-Mails zurückzuholen“, urteilte das Gericht. Der Anwalt musste seiner früheren Mandantin mehr als 90 000 Euro Schadensersatz zahlen (Landgericht Bonn, Az. 15 O 189/13).

Doch nicht nur die illegalen Mails sind ein Problem. Auch die zulässigen, beruflichen Nachrichten in der Mailbox werden zum Zeitfresser: „Sie haben Post“, der einstige Spruch des Internetpioniers AOL bei Eintreffen einer neuen Mail, hat als frohe Botschaft ausgedient; passender erscheint da die Aufforderung der einstigen Bundespost, „Fasse Dich kurz!“ – die allerdings in der täglichen Praxis der digitalen Kommunikation kaum gelebt wird. Nach einer Studie von McKinsey beschäftigen sich Büroarbeiter zu 28 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem Lesen oder Beantworten von Mails. Einer der Gründe: Immer häufiger nutzen sie das Kopierfeld CC und BCC im Mailprogramm, um das Geschriebene weiteren Lesern zuzuleiten.

Die Unternehmensberater meinen, dass Mitarbeiter bis zu 25 Prozent effizienter arbeiten könnten, wenn sie anstelle der Mail modernere Methoden verwenden würden: sogenannte „social technologies“ in Form von Wikis, firmeninternen Diskussionsforen, Blogs – einer Art Facebook für die Firma.

Doch anstelle beispielsweise einen erffizienten Ad-hoc-Kalender wie Doodle zu nutzen, schreiben sich auch heute noch viele Büroarbeiter lieber mehrere Handvoll Mails, wenn sie einen gemeinsamen Termin finden möchten. Ebenso beliebt ist, Mails mit megaybtegroßen Anhängen zu verschicken, wo eigentlich ein gemeinsamer Datenspeicher für diese Unterlagen in jedem Firmennetz vorgesehen ist.

Das alles war nicht vorauszusehen, als vor drei Jahrzehnten in Karlsruhe die erste Mail eintraf, mit der Betreffzeile, die an manche Spammail von heute erinnert: „Wilkomen“

Die McKinsey-Studie im Internet (in englischer Sprache): ku-rz.de/mckinseymails