Berlin

Edathy-Affäre: BKA-Chef geht zum Angriff über

Erneut im Fokus: Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy bleibt bei seiner Aussage, vom früheren Kollegen Michael Hartmann über den Stand der Ermittlungen informiert worden zu sein. Die Informationen soll Hartmann demnach vom damaligen BKA-Chef Ziercke erhalten haben.
Erneut im Fokus: Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy bleibt bei seiner Aussage, vom früheren Kollegen Michael Hartmann über den Stand der Ermittlungen informiert worden zu sein. Die Informationen soll Hartmann demnach vom damaligen BKA-Chef Ziercke erhalten haben. Foto: dpa

Der ehemalige BKA-Chef Jörg Ziercke machte am Donnerstag zunächst eine gute Figur als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre – einem der größten politischen Skandale in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik.

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Von Jan Drebes und Reinhold Michels

Er wirkte souverän, geradezu abgeklärt, als er seine Stellungnahme zu Beginn der Sitzung verlas. Wie erwartet, blieb er darin bei seiner Darstellung, in den Jahren 2013 und 2014 niemals Informationen über Ermittlungen wegen des Kinderporno-Verdachts gegen den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy an SPD-Politiker weitergegeben zu haben – vor allem nicht an den damaligen Innenexperten der SPD-Fraktion, Michael Hartmann.

Edathy wiederum behauptete später am Abend bei seiner eigenen Aussage erneut, dass er von Hartmann fortlaufend über den Ermittlungsstand informiert worden sei und dass Hartmann seine Informationen direkt von Ziercke bekommen habe. Dieser Vorwurf Edathys gegen den damals obersten Polizisten Deutschlands wiegt schwer. Sollte er sich als wahr herausstellen, hätte Ziercke Geheimnisverrat oder sogar Strafvereitelung im Amt begangen – dann ginge es in einem möglichen Strafverfahren gegen Ziercke wohl um eine Haftstrafe und seinen Pensionsanspruch.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Wiesbaden haben dazu bereits Vorprüfungen gegen Ziercke stattgefunden. Derzeit bestehe aber kein Anlass dafür, ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren einzuleiten, sagte ein Sprecher der Behörde. Bevor das geschehe, müssten zusätzlich zu den bereits gesammelten Anhaltspunkten weitere Informationen hinzukommen, die den Verdacht einer strafbaren Handlung des ehemals höchsten deutschen Polizeibeamten belegen.

Ziercke dürfte sich dieser Gefahr bewusst sein, er ist Profi und griff Edathy im Ausschuss direkt an – die hässliche Schlammschlacht ging also in die nächste Runde. Edathy leide unter Realitätsverlust, sagte Ziercke. Er beschrieb Edathy als arrogant und unsympathisch und wollte damit untermauern, er habe gar keine Veranlassung gehabt, Edathy vor Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft zu warnen. Zudem sei der Schaden zu dem Zeitpunkt für Edathy und für die SPD schon unabwendbar gewesen, so Ziercke. Er sprach sich damit selbst jenes Motiv ab, das ihm Edathy im Dezember bei seiner Aussage im Ausschuss unterstellt hatte.

Doch an einem Punkt fiel die Souveränität Zierckes in sich zusammen: als der Obmann der Linken, Frank Tempel, Ziercke bat, noch einmal den Inhalt eines Telefonats mit dem heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wiederzugeben, das am 17. Oktober 2013 geführt worden sein soll. Ziercke geriet ins Stocken und weigerte sich zu antworten. Stattdessen verwies er auf eine frühere Aussage, die er 2014 im Innenausschuss gemacht hatte. Dann warf er die Frage auf, ob er sich nun einen Anwalt nehmen solle. Erst nach einer Unterbrechung von mehr als einer halben Stunde gab Ziercke den Inhalt des Telefonats knapp wieder.

Dem Telefonat kommt indes eine Schlüsselrolle in der Frage nach dem Geheimnisverrat zu. Oppermann soll darin – nach eigener Darstellung in einer damaligen Pressemitteilung – von Ziercke eine Bestätigung der Ermittlungen gegen Edathy bekommen haben. Ziercke erneuerte aber sein Dementi, diese Bestätigung gegeben zu haben.

Ähnlich kurios ging es auch bei der Frage der Grünen-Obfrau Irene Mihalic weiter, ob Ziercke an der Feier zu Michael Hartmanns 50. Geburtstag teilgenommen habe. Ziercke verneinte – zuvor hatte er Hartmann als kompetent und menschlich angenehm beschrieben. Hartmann selbst hatte jedoch bei seiner Zeugenaussage am 18. Dezember behauptet, Ziercke sei bei der Feier anwesend gewesen. Schließlich sprang die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) ein, die selbst bei der Feier war. Sie sagte, Ziercke sei nicht unter den Gästen gewesen.

Eins ist nun also sicher: Auch wenn kaum Widersprüche in den Darstellungen zwischen Edathy und denen Zierckes ausgeräumt werden konnten – die Atmosphäre im Untersuchungsausschuss ist mittlerweile deutlich angespannter.