200 Jahre nach dem Mord im Parlament: Keine Büste für Premier Perceval
London – Er war der einzige britische Regierungschef, der einem Attentat zum Opfer fiel. Am 11. Mai vor 200 Jahren wurde Premier Spencer Perceval im Parlament von einem bankrotten Geschäftsmann erschossen. Ein Nachfahre des Täters geht heute als Abgeordneter täglich am Ort des spektakulärsten politischen Verbrechens in der Geschichte Großbritanniens vorbei – und kämpft vergebens um eine Würdigung des Opfers.
Vier Tage zuvor hatte Bellingham im Westminster-Parlament mit einem Pistolenschuss den 49-jährigen konservativen Regierungschef Spencer Perceval getötet. Der Profi-Jurist und zwölffacher Vater war der einzige Premier in der Geschichte des Vereinigten Königreichs, der einem Attentat zum Opfer fiel – eine tragische politische Figur, deren Schicksal später weltweit solche berühmten Staatsmänner wie Abraham Lincoln, John F. Kennedy, Mahatma Gandhi, Olaf Palme und Yitzhak Rabin teilen mussten.
Zum 200. Jahrestag des Verbrechens werden einige Parlamentarier am Tatort in der Lobby des Westminster-Palastes einen Kranz niederlegen. Dabei will ein Verwandter des Mörders den Vertretern der Familie Perceval versöhnlich die Hände schütteln. Der Tory-Abgeordnete Henry Bellingham arbeitet heute im Außenministerium, jener Behörde, die vor zwei Jahrhunderten seinen Vorfahren in großer Not in Stich gelassen hat.
John Bellingham hatte scheinbar viel Pech. Er war am Anfang des 19. Jahrhunderts als umtriebiger Händler in Russland aktiv, wo er wegen eines angeblichen Falls von Versicherungsbetrug sechs Jahre in einem Gefängnis mit extremen Haftbedingungen verbringen musste. Seine Hilfegesuche an den britischen Botschafter stießen auf taube Ohren. Als der Geschäftsmann in seine Heimat zurückkehrte, war er pleite und krank. Bellingham versuchte zwei Jahre lang, eine finanzielle Entschädigung von der Regierung zu bekommen, und er bat den 1809 gewählten Premier Perceval mehrmals um ein Treffen, jedoch ohne Erfolg.
Daraufhin beschloss er, sich für diese Kränkung zu rächen. Der Attentäter kaufte zwei Pistolen und er bat einen Schneider darum, eine geheime Innentasche in seinen Mantel einzunähen.
Spencer Perceval war am 11. Mai unterwegs zu einer Sitzung, als ein unscheinbarer Fremder sich erhob und ihm aus nächster Nähe in die Brust schoß. Die letzten Worte des tödlich getroffenen Politikers waren: „Oh, ich wurde ermordet“.
Nach seiner Tat saß Bellingham ruhig auf einer Besucherbank in der Parlamentslobby und wartete, bis er festgenommen wurde. Beim ersten Polizeiverhör sagte der Verbrecher zufrieden: „Ich wurde schlecht behandelt, das rechtfertigt meine Tat“. Im darauffolgenden Prozess brauchten die Geschworenen nur zehn Minuten, um den Geschäftsmann schuldig zu finden, und John Bellingham wurde gehängt.
Sein Opfer war nicht nur ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen den globalen Sklavenhandel, laut Historikern bewahrte Perceval auch das Inselkönigreich vor einer Staatspleite, während die Briten auf dem Kontinent einen langwierigen und teuren Krieg gegen Napoleon geführt haben. Dennoch wurden seine Verdienste in Großbritannien später weitgehend ignoriert. Ausgerechnet ein Nachkomme des hingerichteten Verbrechers bemüht sich heute um eine breitere Anerkennung des „vergessenen Premiers“. Vor dem 200. Jahrestag des Attentats plädierte der 57 Jahre alte Henry Bellingham dafür, zu Ehren des ermordeten Politikers eine Büste im Westminster-Palast aufzustellen. Diese Idee wurde im Oberhaus des Parlaments abgelehnt. Ein 1822 errichtetes Denkmal in der Westminster-Abtei müsse reichen, entschieden die Lords.