Mit Helga, Gabi und Tanja auf Du und Du: Markus Kratzer wohnt seit 30 Jahren in der „Lindenstraße“

Irgendwann hat Helga Beimer den Absprung verpasst. Rechnet man mal zusammen, wie viel Miete sie in 30 Jahren an die verschiedenen Eigentümer des Hauses „Lindenstraße 3“ in der Münchner Vorstadt bezahlt hat, wäre davon wohl auch ein schickes Häuschen in vergleichbarer Lage drin gewesen. Irgendwann habe auch ich den Absprung verpasst.

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Und so bin ich seit 30 Jahren jede Woche für eine halbe Stunde zu Gast in der Straße, der so viele inzwischen den Rücken gekehrt haben. „Guckst du das immer noch?“, werde ich manchmal schon mitleidig von Leuten gefragt, für die die „Taube“ Helga immer noch mit ihrem „Hansemann“ verheiratet ist, oder für die Else Kling als Hausmeisterin immer noch „koa guats Hoar on niamand losst“. Ja, ich schaue immer noch. Seit Erfindung des Streams und der Mediatheken zwar nicht immer Sonntagabend um kurz vor sieben, dann aber doch im Lauf der Woche, um auf keinen Fall den Anschluss zu verpassen.

Betrachtet man nur die Zuschauerzahlen, so legt die Entwicklung den Verdacht nah, dass auch der ARD-Mietkult-Dauerbrenner den Anschluss verpasst hat. Doch wäre es ungerecht, die Quoten Mitte der 80er-Jahre mit den heutigen zu vergleichen. Sind doch mittlerweile mehr mediale Möglichkeiten in unseren Alltag eingezogen als jemals Bewohner in der Lindenstraße Platz haben dürften.

Aber was macht die Serie aus, dass sie nach wie vor einen Platz in vielen Wohnzimmern findet? Es ist dieses permanente Gefühl, dass genau so etwas auch im ganz persönlichen Umfeld passieren könnte, das den Zuschauer fesselt. Dieses „Auf Du und Du“ mit Helga, Gabi oder Tanja, das die Fernsehnachbarn so vertraut macht. Dass einem dabei längst nicht alles schmeckt, was einem aufgetischt wird, sei einmal dahingestellt. So soll es selbst im richtigen Leben sein. Dass aber ausgerechnet in der Jubiläumssendung ein Darsteller live den Serientod stirbt, dürfte am Geschmack vieler Fans vorbeigehen. Aber sei's drum. Auch dies wird nicht dazu beitragen, dass ich den Absprung schaffe. Die „Lindenstraße“ und ich gehen auch ins 31. Jahr.

E-Mail an: markus.kratzer@rhein-zeitung.net