Warschau

Jaroslaw Kaczynski: Heiliger Georg mit Ölzweig

Jaroslaw Kaczynski
Jaroslaw Kaczynski Foto: dpa

Seine Anhänger sehen in Jaroslaw Kaczynski den Heiligen Georg, der alles Böse dieser Welt besiegen kann, vor allem ehemalige Kommunisten und korrupte Oligarchen. „Das Maß ist voll, wähle Jarek“, steht auf Spruchbändern, die den nationalkonservativen polnischen Präsidentenbewerber als Ritter zeigen, der den roten Drachen tötet.

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Warschau – Seine Anhänger sehen in Jaroslaw Kaczynski den Heiligen Georg, der alles Böse dieser Welt besiegen kann, vor allem ehemalige Kommunisten und korrupte Oligarchen. „Das Maß ist voll, wähle Jarek“, steht auf Spruchbändern, die den nationalkonservativen polnischen Präsidentenbewerber als Ritter zeigen, der den roten Drachen tötet.

Kaczynski (61) aber hat in jüngster Zeit sozusagen die Lanze abgelegt und mit einem Ölzweig um neue Wähler geworben. Einst war er ein Scharfmacher, der die Gesellschaft immer wieder polarisierte und seine Gegner als Landesverräter ausgrenzte. Heute spricht er nur noch von Dialog und Kompromiss. „Beenden wir den polnisch-polnischen Krieg“, appellierte Kaczynski an seine Konkurrenten. Sein Wahlspruch lautet: „Am wichtigsten ist Polen.“

Seit dem Tod seines Zwillingsbruders Lech bei einem Flugzeugabsturz vor gut zwei Monaten wirkt Jaroslaw Kaczynski wie ausgetauscht. Nach dem Unglück war er zunächst verstummt, ehe er sich, stellvertretend für den verstorben Bruder, ins Rennen um das höchste Staatsamt warf. Statt vor der Hegemonie Deutschlands in der EU zu warnen, preist er nun die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard als Modell für sein Land. Und auch die östlichen Nachbarn, die Russen, findet Kaczynski auf einmal sympathisch. Statt von der Vergangenheit redet der Politiker von Modernisierung und Zukunft.

Patriotisches Elternhaus prägte

Ein patriotisches Elternhaus, in dem der Mythos des bewaffneten Widerstandes gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg gepflegt wurde, prägte das Weltbild des am 18. Juni 1949 in Warschau geborenen Jaroslaw. Bei studentischen Protesten gegen antisemitische Hetze im März 1968 sammelte er erste politische Erfahrungen. Seit 1976 half der junge Rechtswissenschaftler als Mitglied der antikommunistischen Opposition von der Miliz verfolgten Arbeitern.

Nach der Gründung von „Solidarnosc“ 1980 engagierten sich beide Brüder für die unabhängige Gewerkschaft. Als diese verboten wurde, betätigten sie sich im Untergrund. Jaroslaws politisches Talent entfaltete sich aber erst in der Zeit des demokratischen Umbruchs. Nach der Niederlage der Kommunisten bei den ersten Parlamentswahlen nach 1989 war Jaroslaw Kaczynski maßgeblich an der Entstehung der Regierung mit dem nicht-kommunistischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki beteiligt. Ein Jahr später trug er entscheidend zum Sieg von Lech Walesa bei der Präsidentenwahl bei. Kurz darauf wurden jedoch aus Verbündeten Feinde.

Nach einem Jahrzehnt auf dem Abstellgleis zurück auf der Bühne

Mehr als ein Jahrzehnt lang blieb Jaroslaw Kaczynski politisch auf dem Abstellgleis. Das Comeback der Brüder kam erst vor fünf Jahren. Jaroslaws Partei, Recht und Gerechtigkeit (PiS), gewann 2005 überraschend die Parlamentswahl, kurz darauf wurde Lech Kaczynski zum Staatspräsidenten gewählt. Der Auftrag lautete: Eine moralische Revolution, ein starker Fürsorgestaat und Kampf gegen Korruption.

Doch eine Koalition mit populistischen und nationalistischen Gruppierungen kompromittierte die Idee der „Vierten Republik“. Nach zwei Jahren musste Jaroslaw Kaczynski als Regierungschef zurücktreten. Bei der Parlamentswahl 2007 schickten ihn die Wähler in die Opposition. Seine Partei versank in Fraktionskämpfen.

Erst der Tod des Bruders verschaffte dem Junggesellen, der sich ganz der Politik verschrieben hat, die Chance auf eine Rückkehr zur Macht. Umfragen sahen ihn bis kurz vor der Wahl als Verlierer. Doch der Politiker, der schon viele Niederlagen einstecken musste, demonstriert den alten Kampfgeist. Wenn er an Umfragen glauben würde, hätte er sich schon mehrmals erhängen müssen, sagte er kämpferisch.

Jacek Lepiarz (dpa)