Bufdi statt Zivi: Der neue Dienst kommt an

Bufdi statt Zivi: Der neue Dienst kommt an
Früher ein klassischer Job für Zivildienstleistende: Jetzt sollen die sogenannten Bufdis hilfsbedürftige Menschen unterstützen. Foto: dpa

Berlin/Rheinland-Pfalz – Der holprige Start ist offenbar vergessen. Ein halbes Jahr nach der Aussetzung der Wehrpflicht und dem daraus folgenden Ende für den Zivildienst ist das befürchtete Chaos in Altenheimen und anderen sozialen Einrichtungen überwiegend ausgeblieben. Immer mehr Menschen engagieren sich im neuen Bundesfreiwilligendienst.

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Berlin/Rheinland-Pfalz – Der holprige Start ist offenbar vergessen. Ein halbes Jahr nach der Aussetzung der Wehrpflicht und dem daraus folgenden Ende für den Zivildienst ist das befürchtete Chaos in Altenheimen und anderen sozialen Einrichtungen überwiegend ausgeblieben. Immer mehr Menschen engagieren sich im neuen Bundesfreiwilligendienst (BFD).

Die Bufdis, wie die neuen Helfer analog zum früheren Zivi genannt werden, sind auf dem Vormarsch. 26 000 Menschen haben sich inzwischen für den freiwilligen Dienst für das Gemeinwesen entschieden. Damit rückt die vom Familienministerium angestrebte Zielmarke von jährlich 35 000 Helfern in Sichtweite. In Rheinland-Pfalz sind inzwischen 807 Bufdis im Einsatz. Sozialverbände hatten im Sommer wegen der fehlenden Zivis noch vor heftigen Auswirkungen etwa auf die Pflegebranche gewarnt.

Heftige Kritik hatte sich damals auch an der Schnelligkeit der Beschlüsse entzündet. Innerhalb weniger Monate war die Wehrpflicht abgeschafft worden, der neue Dienst zur Abmilderung der Folgen im sozialen Bereich aber noch gar nicht eingeführt. Zum Starttag des BFD am 1. Juli hatten sich gerade einmal bundesweit 3000 Freiwillige gemeldet. Die Zahl von 35 000 schien unerreichbar, ja unrealistisch. Die zuständige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sah sich harter Kritik ausgesetzt, auch weil ihr Haus eine Werbekampagne für den Dienst erst wenige Wochen vor dessen Start ins Leben gerufen hatte. Jetzt frohlockt die Ministerin: „Mit dem Bundesfreiwilligendienst haben wir für alle Altersklassen ein vielfältiges Angebot geschaffen. Und das wird genutzt – allen Unkenrufen zum Trotz.“

Im Gegensatz zum Zivildienst steht der neue Freiwilligendienst Menschen jeder Altersgruppe offen. Einen neuen „Kitt“ zwischen den Generation verspricht sich Schröder auch davon, dass Jüngere wie Ältere sich nun für andere engagieren können.

Mit dem neuen Dienst den Wegfall von im Schnitt jährlich 90 000 Zivildienstleistenden vollständig aufzufangen, wird allerdings nicht gelingen. „Dies war auch nicht das Ziel“, heißt es aus dem Bundesfamilienministerium. Es gebe keinen Stellenplan im BFD. „Dies erfordert selbstverständlich auch das Engagement der Einsatzstellen und Verbände, die nun um Freiwillige werben müssen“, teilt das Ministerium mit.

Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Landrat Hans Jörg Duppré, teilt den Optimismus der Ministerin deshalb auch nur bedingt. Der neue BFD sei zwar zunehmend gefragt. Der Dienst könne aber nicht die Lücken stopfen, „die durch die Aussetzung der Wehrpflicht und damit den Wegfall des Zivildienstes gerissen worden sind“, sagte er. Die Folgen sind vor allem auf kommunaler Ebene, in öffentlichen und gemeinnützigen Einrichtungen spürbar, sagt der Landrat. Das Deutsche Rote Kreuz in Rheinland-Pfalz plant derzeit mit Mehrausgaben von 8 Millionen Euro jährlich für Festangestellte und geringfügig Beschäftigte, um den Zivi-Wegfall zu kompensieren. Bis zum Sommer 2012 will man immerhin je 400 Freiwillige für den BFD und das nach wie vor in Länderregie angebotene freiwillige soziale Jahr (FSJ) gewinnen. Künftig will das DRK auch an Schulen werben, um mehr Freiwillige für die Arbeit im sozialen Bereich zu begeistern.

Auch beim Paritätischen Gesamtverband, Dachverband von mehr als 10 000 eigenständigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen im Sozial- und Gesundheitsbereich, herrscht inzwischen Optimismus: „Wir haben zugegebenermaßen nicht damit gerechnet, dass ein solcher Erfolg schon in diesem Jahr eintreten wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Unter dem Dach des Verbandes engagieren sich demnach jetzt 3200 Freiwillige. Der BFD biete gerade für die Integration älterer Menschen „attraktive Chancen“, meint Schneider. „Bei den älteren Menschen, die sich für einen BFD interessieren, reicht die Spanne aktuell von der 30-jährigen Studienabsolventin bis zum 72-jährigen Senior, der sich engagieren möchte.“

Die bisherigen Erfahrungen sind nach Angaben des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben regional sehr unterschiedlich. Im neuen Wettbewerb um Freiwillige schneiden städtische Regionen gegenüber ländlichen meist besser ab. Bei der Johanniter-Unfall-Hilfe, Dienststelle Neuwied (Regionalverband Mittelrhein), herrscht wenig Begeisterung über den BFD: Es gibt fast keine Interessenten. Der Fahrdienst hatte immer 10 bis 15 Zivis, jetzt gibt es dort einen einzigen Bufdi.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann