Kosten und Nutzen bewertet
Zehn Bahnstrecken in RLP, die reaktiviert werden können
In Rheinland-Pfalz gibt es verschiedene Eisenbahnstrecken, die ein großes Potenzial für eine Reaktivierung im Öffentlichen Personennahverkehr haben. Dazu gehört auch die Brexbachtalbahn von Engers nach Siershahn, die bei den Untersuchungen mit 3,89 den höchsten Quotienten erreicht hat.
Hans-Peter Günther

In Rheinland-Pfalz sind über die Jahrzehnte viele Bahnstrecken stillgelegt worden – über manche Trassen rollen heute Radfahrer. Doch es gibt Strecken, die reaktiviert werden könnten. Kann sich das lohnen? Jetzt liegen Ergebnisse vor, die Mut machen.

Land und Klima benötigen für die Verkehrswende mehr Bahnverkehr. Rechnet es sich, stillgelegte Bahnstrecken wieder zu reaktivieren? Hinweise darauf, ob sich solche Investitionen langfristig lohnen, liefern Kosten-Nutzen-Untersuchungen, die jetzt für etliche Strecken in Rheinland-Pfalz vorliegen. Dabei haben zehn Streckenabschnitte den Schwellenwert für eine Bundesförderung erreicht. Darunter auch mehrere im Norden des Bundeslandes, allen voran die Brexbachtalbahn. Eine Garantie, dass auf diesen Strecken bald wieder (Personen-)Züge rollen, ist das aber nicht.

Seit Jahren sind Reaktivierungen von stillgelegten Bahnstrecken für den täglichen Schienen-Personen-Nahverkehr (SPNV) in Rheinland-Pfalz in der Diskussion. In der Vergangenheit konnten vor allem im Süden des Landes mehrere Strecken wieder in Betrieb genommen werden, die inzwischen eine deutlich höhere Nutzung erfahren, als dies zunächst prognostiziert wurde: So verbindet die Donnersbergbahn Kirchheimbolanden mit Alzey und Mainz, die Eistalbahn Grünstadt mit Ramsen, die Kurbadlinie Winden mit Bad Bergzabern. Auch die beiden Verbindungen ins Elsass im Nachbarland Frankreich wurden im Rahmen des „Rheinland-Pfalz-Taktes“ reaktiviert und Strecken im touristischen Betrieb vom zuständigen Aufgabenträger bestellt.

Obwohl im Westerwald die Holzbachtalbahn nach den Standards der nichtbundeseigenen Eisenbahnen komplett saniert und mit fünf neuen Brücken ausgerüstet wurde, ist sie nicht Teil der aktuellen Untersuchungen.
Hans-Peter Günther

Dagegen sind im Norden des Bundeslandes nur der zwei Kilometer lange Abschnitt von Kreuzberg nach Ahrbrück, ein 20 Kilometer langer Teil der Eifel-Querbahn von Mayen Ost nach Kaisersesch im SPNV reaktiviert worden und die Kasbachtalbahn von Linz nach Kalenborn als touristische Strecke. Die nach langen Jahren wieder für den Personenverkehr genutzte Trierer Weststrecke war als elektrifizierte Güterzugverbindung nie stillgelegt und ist daher im eigentlichen Sinne keine Reaktivierung.

In Rheinland-Pfalz gibt es einige Strecken, die schon seit vielen Jahren von ehrenamtlichen Vereinen für einen touristischen Betrieb von Bewuchs freigehalten oder eine Reaktivierung vorbereitet werden. Für eine landesweite Bewertung wurden weitere Strecken ausgewählt. Insgesamt zwölf Strecken sind inzwischen von den beiden Zweckverbänden durch verschiedene Fachbüros nach der 2016 überarbeiteten „Standardisierten Bewertung“ untersucht worden. Auf die Ergebnisse hatten Interessierte lange warten müssen – länger jedenfalls als ursprünglich geplant.

Dabei haben jedenfalls zehn Strecken den für eine Förderung notwendigen Wert von 1,0 beim Vergleich von Kosten und Nutzen erreicht (siehe Tabelle). Bis Ende Juni soll aus diesen Ergebnissen vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität ein Ranking erstellt werden, das neben dem erreichten Nutzen-Kosten-Quotienten weitere Faktoren aus Sicht des Landes betrachtet. Dazu gehören touristische Potenziale oder die Eignung für Umleiterverkehre bei Sperrungen. Danach müsste die Ministerrunde die weiteren Schritte festlegen, bis eine Beantragung von Bundesmitteln möglich ist.

Bewertung Hunsrück-Querbahn nach Ende der Sanierung

Nach Angaben des federführenden Zweckverbands ÖPNV-Süd muss die Untersuchung und Bewertung für die Hunsrückquerbahn zwischen Langenlonsheim, Simmern und Büchenbeuren (Abzweig zum Flugplatz Hahn) zurückgestellt werden, weil für die Strecke aufgrund der aktuell laufenden Sanierung nicht ermittelt werden könne, wie hoch der zusätzliche Aufwand zur Ertüchtigung der Infrastruktur für einen täglichen Schienen-Personennahverkehr ist. Hierfür wird der ZÖPNV Süd, in Abstimmung mit dem Partnerverband SPNV-Nord und dem Klimaschutz- und Mobilitätsministerium, eine ingenieurtechnische Untersuchung beauftragen. Die per Gerichtsurteil zur Instandsetzung verpflichtete DB InfraGO AG hat den Abschluss der Sanierung für das Jahresende 2025 angekündigt.

Holzbachtalbahn bleibt außen vor

Im Norden von Rheinland-Pfalz wurde ab Oktober 2020 die rund 40 Kilometer lange Holzbachtalbahn von Altenkirchen über Raubach nach Dierdorf und Selters nach den Standards der nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) für den schweren Güterverkehr saniert und erhielt fünf neue Brücken. Obwohl alle jetzt von den Zweckverbänden untersuchten Strecken nach diesem Standard bewertet wurden, der Kosteneinsparungen gegenüber dem aufwendigeren DB-Standard ermöglicht, ist diese Verbindung nicht Teil der Untersuchungen.

Im Gegensatz zu den Kommunen und Landkreisen in Rheinhessen und der Pfalz, die bereits in der Vergangenheit jede Chance zu Streckenreaktivierungen genutzt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht haben, besteht im Norden des Landes eine eher kritische Haltung zum Verkehrsträger Bahn. Dazu passt die auch in den Verbandsversammlungen des SPNV-Nord zu hörende Aussage: „Der Westerwälder ist ein Autofahrer, der braucht keinen SPNV.“

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