Spannende Impulse im Rheintal
Wirt werden: Quereinsteiger beleben Gastronomie in RLP
Frauen-Team am Campingplatz in Oberwesel: Debora Wessling (links) und Miriam Hensel begrüßen die Gäste in ihrer Rezeption.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Wer nichts wird, wird Wirt, lautet ein Klischee. So einfach aber ist es nicht. Einsteiger in Gastro und Hotellerie brauchen Kapital, Know-how sowie den Riecher, was Gäste mögen. Trotzdem zieht das Mutige an. Zwei gastfreundliche Beispiele vom Rhein.

Die Suche nach Nachfolgern in Gastronomie und Beherbergungsgewerbe ist häufig schwierig. Das kann aber auch eine Chance für mutige Quereinsteiger sein. Solche wie Debora Wessling und Miriam Hensel, die gerade den Campingplatz in Oberwesel (Rhein-Hunsrück-Kreis) übernommen haben. Was zunächst eine spontane Idee war, wird derzeit mit vielen Ideen und großem Engagement verwirklicht.

„Es ist schön hier“, sagt ein Pärchen, das es sich gerade zum Kaffee vor seinem Wohnmobil gemütlich gemacht hat. „Die Mädels sind total nett und besorgt um alles.“ Die Mädels, das sind die beiden Freundinnen Miriam Hensel und Debora Wessling, die den Campingplatz am Rhein seit 1. Januar von der Stadt gepachtet und am 1. März eröffnet haben. Typische Quereinsteigerinnen, denn Miriam war zuvor Gemeindereferentin, und Debora hat ihren Beruf als Hebamme auf ein Minimum reduziert.

„Ein Mix aus Gemeinschaft, Buchhaltung und Malochen.“
So beschreiben Miriam Hensel und Debora Wessling ihren Job als Campingplatzbetreiber.

Bislang war Camping ein Hobby der 33- und der 28-Jährigen, die beide aus Oberwesel stammen. Sie wissen also, was Camper mögen. Außerdem haben sie im vergangenen Jahr beim vorherigen Pächter, der in den Ruhestand gegangen ist, ein Praktikum absolviert und Erfahrungen gesammelt. Alle Zweifel ließen sie dann hinter sich, entwickelten ein Konzept, schulterten einen Kredit und bewarben sich bei der Stadt. „Wir wollten es später nicht bereuen, wenn wir die Chance nicht genutzt hätten“, sagen die beiden Frauen, die ihren neuen Job als „Mix aus Gemeinschaft, Buchhaltung und Malochen“ bezeichnen. Unterstützung bekommen sie von ihren Familien, spätestens zur Hauptsaison werden sie auch mit Angestellten arbeiten.

Sie haben sich schwer ins Zeug gelegt, neue Sanitärgebäude angeschafft und eine Outdoorküche eingerichtet. Grillen und Lagerfeuer sind möglich, ein Biergarten am Rhein mit eigenem Foodtrailer soll auch Wanderer, Radler und Leute aus dem Ort anlocken. Hier werden Kaffee, Kuchen, Essen und Getränke angeboten. Nicht zu vergessen die Kettcars zum Ausleihen, die jetzt schon heiß begehrt sind.

Immer präsent sind die beiden Pächterinnen auf ihrem Campingplatz
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Noch warten die Newcomer auf das Häuschen für die neue Rezeption und auf zwei Lodges für Gäste, die es nicht so mit dem Campen haben. Die Holzhäuschen sind noch im Bau. Zwischenzeitlich wird improvisiert. Das ist aufregend. Aber das Lampenfieber hat sich gelöst, seit die ersten Gäste da sind. 50 Plätze für Wohnmobilisten und Camper stehen zur Verfügung. Da es den Platz schon seit gut 20 Jahren gibt, existiert auch ein fester Kundenstamm.

Einen schönen Ort für die Freizeit und zur Entspannung wollen sie bieten. Menschen sollen sich hier begegnen. Miriam Hensel und Debora Wessling wollen darüber hinaus mithelfen, die Heimat attraktiver zu gestalten. Auch deshalb bieten sie regionale Produkte an, vom Mittelrheinwein bis zu Brötchen vom heimischen Bäcker. Der Fluss und das Welterbetal sind natürlich die halbe Miete; schön, dass man auch am Rheinstrand – auf eigene Gefahr – baden kann.

Miriam Hensel (links) und Debora Wessling führen als Neueinsteigerinnen den Oberweseler Campingplatz.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Freizeitangebote für Kinder und Familien können sie sich als künftige Angebote vorstellen, eine Freizeitwiese, Weinproben und einiges mehr. Erst einmal müssen Miriam und Debora jedoch die Monate zwischen März und November in den Griff kriegen und am 17. Mai offiziell Eröffnung feiern. Sie genießen es, dass ihnen die Gäste so viel Dankbarkeit entgegenbringen. Auch deshalb lautet ihr Motto: „Wir freuen uns auf euch.“

Oberwesel ist nach Ansicht Christian Dübners, der sich bei der IHK Koblenz um das Thema Tourismus kümmert, einer der „Top-Orte im Rheintal“. Insgesamt gebe es in Rheinland-Pfalz rund 270 Camping- und Reisermobilstellplätze. Im Jahr 2023 konnten nach Zahlen des Statistischen Landesamtes auf diesen Plätzen 1,1 Millionen Gästeankünfte und rund 3,2 Millionen Übernachtungen registriert werden. Dübner: „Die Branche hat in den vergangenen Jahren stark profitiert und liegt nach wie vor im Trend.“

Renovierung der Sanitäranlagen auf dem Oberweseler Campingplatz.
Dupuis Werner. Wern

„Wir sind über jeden froh, der sich nach schwierigen Jahren in der Branche selbstständig macht und einen Betrieb übernimmt“, sagt Dübner. Es gebe etwa 6500 gastronomische Betriebe im IHK-Bezirk. Knapp die Hälfte wird von Inhabern geführt, die 60 Jahre und älter sind. Finden diese keinen Nachfolger, dann sei es durchaus eine „gute Idee“, wenn auch Quereinsteiger einen solchen Betrieb pachten oder kaufen – vorausgesetzt es ist Startkapital vorhanden.

Neben dem Standort und der Infrastruktur seien für Gastronomie und Beherbergungsgewerbe frische Ideen wichtig. Viele Quereinsteiger, so Christian Dübner, kommen mit kreativen Vorstellungen in die Existenzgründerberatungen der IHK. „Es macht Spaß, solche Neueinsteiger zu begleiten.“ Seinem Kollegen Richard Hover, Regionalgeschäftsführer der IHK in Montabaur, fallen spontan einige Quereinsteiger ein wie zum Beispiel Compugroup-Gründer Frank Gotthardt, der in Koblenz das Fährhaus am Stausee als Vier-Sterne-Superior-Hotel samt Sternerestaurant aufgebaut hat, oder Textil-Unternehmer Bernhard Münz, der in Montabaur „Bernhard’s Restaurant“ betreibt.

Logenplatz am Rheinstrand. Zur Begrüßung gibt es ein Glas Wein am Rheinstrand.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Solche Gründungen seien in jüngster Zeit zumindest auffällig: „Das ist schon ein kleiner Trend“, meint Hover. „Mein Eindruck ist, dass da Unternehmer aus Leidenschaft einen solchen Betrieb betreiben. Die haben Lust, so etwas auszuprobieren, vielleicht auch aus den Erfahrungen heraus, die sie bei Geschäftsreisen gesammelt haben.“ Auf jeden Fall seien es vielfach spannende Impulse, die von solchen Projekten ausgehen. Wenngleich: Mit Hensel und Wessling in Oberwesel sind die genannten Geschäftsleute, die nebenher als Patrone in der hochpreisigen Gastro mitmischen, wohl nicht zu vergleichen.

Dann schon eher Stephanie und Dieter Eidens-Holl. Wenige Meter vom Oberweseler Campingplatz entfernt beweisen die beiden mit ihrem Sohn Dario das mit den Impulsen von außen seit zwei Jahren immer von Mai bis Oktober. Die drei sind Quereinsteiger in der Gastronomie und mit frischen, kreativen Ideen erfolgreich. Sie haben das KD-Häuschen am Rheinufer gepachtet, in mehr als 1000 Arbeitsstunden und mit viel eigenem Geld saniert und betreiben dort neben dem Fahrkartenverkauf in den Sommermonaten die Tapas- und Weinbar „Väterchen Rhein“ samt Biergarten und Café.

Stephanie und Dieter Eidens-Holl mit Sohn Dario haben das KD-Häuschen am Rheinufer gepachtet, in mehr als 1000 Arbeitsstunden und mit viel eigenem Geld saniert und betreiben dort neben dem Fahrkartenverkauf in den Sommermonaten die Tapas- und Weinbar „Väterchen Rhein“ samt Biergarten und Café.
Familie Eidens-Holl/privat

Aus der mobilen Küche heraus servieren sie kleine Köstlichkeiten aus Spanien, vom Rhein und aus dem Schwarzwald; neben ausgesuchten Winzerweinen aus dem Tal der Loreley und aus Baden gibt es Cocktails, hausgemachte Sangria und Kaffeespezialitäten. Mit Kübelpflanzen, Sonnenschirmen, Liegestühlen und dem Blick auf den Rhein zaubert die Familie etwas mediterranes Flair und Urlaubsstimmung in die Rheinanlagen.

Von Haus aus sind alle drei Profi-Fotografen, betreiben außerdem eine Werbeagentur. Das „Väterchen Rhein“ war nie von langer Hand geplant, eher eine spontane Idee, als sich die Gelegenheit zur Pacht bot. Mit „Hoffen und Bangen“ starteten sie das Projekt neben ihrer eigentlichen Profession. Doch bereits im ersten Jahr schafften sie die zuvor errechneten Umsatzzahlen, sagt Dieter Eidens-Holl. „Es läuft sehr positiv, das war gut investiertes Geld.“

„Ganz wichtig ist, dass man Ideen mitbringt und mit Blick auf den Markt weiß, was bei den Gästen ankommt.“
Dieter Eidens-Holl

Die Lage sei top, neben Schiffsgästen, Radlern, Wanderern und generell Touristen habe das „Väterchen Rhein“ schnell auch bei Oberweselern Anklang gefunden. „Es macht Spaß“, freut sich Stephanie. Und Dieter ergänzt: „Ganz wichtig ist, dass man Ideen mitbringt und mit Blick auf den Markt weiß, was bei den Gästen ankommt. Dabei bezeichnen wir uns gar nicht als Gastronomen, sondern als Gastgeber.“ Solche kleinen, kreativen Läden, die von Quereinsteigern oder im Nebenerwerb eröffnet und betrieben werden, liegen nach Ansicht der Eidens-Holl absolut im Trend.

Ab 2026 werden die Oberweseler Rheinanlagen generalsaniert – dann will Familie Eidens-Holl mit einem kleinen Retro-Foodtrailer und ähnlichem Konzept mobil in Oberwesel unterwegs sein und eine Pop-up-Gastronomie hier und dort anbieten. Sobald die Rheinanlagen dann in Schuss sind, werden sie den gewohnten Platz am KD-Steiger wieder einnehmen. Sie wollen sich weiterhin für die Region engagieren, und dann steht ja auch die Buga 2029 vor der Tür…

Dehoga: Gastronomie muss man lernen

„Es ist gut, dass die Branche kein ,closed Job’ ist“, erklärt Gereon Haumann, Präsident der Dehoga Rheinland-Pfalz. Quereinsteiger als Trend, das will er so nicht bestätigen. Man freue sich aber über jeden, der von außen in die Branche kommt und unternehmerische Originalität mitbringt. Allerdings halte die Dehoga nach wie vor die Einführung eines Befähigungsnachweises, also eine berufliche Ausbildung, für nötig, denn in der Branche gelten harte Spielregeln und Kenntnisse etwa in Sachen Hygiene, Preiskalkulation und Betriebswirtschaft seien essenziell. ms

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