Es gibt Namen, die sprengen einfach jedes Computersystem. „Bei der Lufthansa fliege ich immer sofort raus”, sagt Alexander Konrad Friedrich Heinrich Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Sayn. “Mit Rückfahrkarte„, scherzt er. Und dann kommt auch noch seine Frau Gabriele hinzu. Eine geborene Gräfin von Schönborn-Wiesentheid. “Dann hängen sie den halben Tag am Telefon in der Warteschleife.„
Am Ende müssen sie den Namensbandwurm meist manuell am Schalter eingeben. Adel verpflichtet. “Hochadel„, betont der Fürst und lacht. “Da lege ich schon Wert drauf.„ Im Bendorfer Stadtteil Sayn ist das weitaus einfacher. “Wenn ich im Ort spazieren gehe, heiße ich Fürst oder Alexander„, sagt der 80-Jährige.
Das ist so ein bisschen wie der Indianerhäuptling, zu dem die Leute kommen, um um Rat zu fragen.
Fürst Alexander über seine Rolle als Familienoberhaupt
Der Schlossherr steht seit dem frühen Tod seines Vaters vor 61 Jahren an der Spitze des Adelsgeschlechts. Damals ist er gerade mal 19 Jahre alt. Eine große Verantwortung für einen jungen Mann. Familienoberhaupt: Wie muss man sich das bei Fürstens vorstellen?
Mit 19 Familienoberhaupt im Adelsgeschlecht
“Das ist so ein bisschen wie der Indianerhäuptling, zu dem die Leute kommen, um um Rat zu fragen„, sagt er. Früher musste sogar noch für jede Hochzeit die Erlaubnis der Familienchefs eingeholt werden. Wer Partner mit der falschen Konfession oder gar Bürgerliche heiratete, war Titel und Ansprüche meist schnell los. So wie sein Urgroßvater, der das Kindermädchen ehelichte.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Fürst greift längst nicht mehr so tief in die Lebensplanung seiner Familie ein. “Ich führe eher mit weicher Hand„, betont er. “Ich fühle mich für die Meinen verantwortlich.„ Die Tradition lebt aber selbstverständlich fort. Und sie wird gepflegt. “Wir sind nichts Besseres als Müllers und Meiers„, betont der Fürst. “Aber wir kennen unsere Geschichte.„
Sieben Kinder und zwölf Enkel kommen nach
Rund 1000 Jahre reicht die Ahnengalerie des Adelgeschlechts zurück. Der 80-Jährige führt uns zu einer Karte, auf der der Familienstammbaum abgebildet ist. “Da bin ich„, sagt er. Fast ganz unten. Nur seine sieben Kinder stehen noch darunter. Wobei die Ahnentafel nicht ganz aktuell ist. Denn mittlerweile sind noch zwölf Enkel dazugekommen.
Weiter oben im Stammbaum wird es hingegen recht unübersichtlich. Zumindest für Laien. Alles beginnt mit einem Familienwappen in den kroatischen Nationalfarben. Rot-Weiß. Sponheim. Als das Geschlecht in männlicher Linie ausstirbt, stoßen irgendwann die Sayns dazu, erklärt der Fürst. Später heiraten dann auch noch die Wittgensteins rein. Eine höchst illustre Familie. Jede Menge Kaiser und Könige sind darunter. “Ich brauche bei Führungen durch die Räume im Schloss immer eineinhalb Stunden„, sagt der Fürst. “Jede Person hat eine faszinierende Geschichte.„
Vorfahren lebten lange in Russland
Peter zu Sayn-Wittgenstein-Sayn ist so einer. Der Feldmarschall hängt als mehrere Quadratmeter großes Gemälde im Foyer. Als Retter von St. Petersburg ist der Vorfahr in die Geschichte eingegangen. Zumindest in die russische. “Rund 100 Jahre lang lebte die Familie dort„, erklärt der 80-Jährige. Die deutschstämmige Zarin Katharina die Große hat sie ins Land geholt. Tausende Hektar Land und Hunderte Leibeigene umfasste der Großgrundbesitz der Sayn-Wittgenstein-Sayns. Hauszwerg inklusive. Unermesslicher Reichtum. Aber Peters Nachfahre Ludwig zu Sayn-Wittgenstein-Sayn gewährt seinen Bediensteten auch gewisse Freiheiten. “Das passte nicht ins russische System„, erklärt der Schlossherr. “Der Zar hat Ludwig dann rauskomplimentiert, als sozialen Revoluzzer.„
Wir hatten nie viel Geld. Reich waren wir jedenfalls nicht.
Fürst Alaxander über seine Kindheit
Die Zeiten in Saus und Braus sind vorbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt die Welt des jungen Prinzen buchstäblich in Trümmern. “Das Schloss war eine Totalruine„, erinnert sich der Fürst. Als sein Vater 1962 bei einem tragischen Verkehrsunfall stirbt, brechen für die Familie harte Zeiten an. “Wir hatten nie viel Geld„, sagt der 80-Jährige. “Reich waren wir jedenfalls nicht.„ Aber seine Mutter Marianne zu Sayn-Wittgenstein-Sayn hat Kontakte bis in die allerhöchsten Kreise. Aristoteles Onassis, Gunter Sachs. Jetset. Auch Maria Callas und Arnold Schwarzenegger schauen regelmäßig bei der Familie vorbei.
Und die “Mamarazza„ lichtet sie alle ab. “Meine Mutter war aber eigentlich kein richtiger Paparazzi„, betont der Fürst. “Sie hat immer privat fotografiert.„ Und die Leute lassen sich gern von ihr ablichten. Dabei gelingen ihr einmalige Aufnahmen. “Da sieht man etwa den Onassis, den reichsten Mann der Welt, wie er unter ein Auto kriecht, um den kaputten Auspuff zu reparieren„, sagt der Fürst. Ein Abzug des Fotos hängt im Treppenhaus des Schlosses. “Da schaut dann sein Riesenhinterteil raus.„
Mit König Charles auf Spritztour
So lernt der Prinz schon als Kind viele Promis kennen. Sie werden einfach zum Mittagessen ins Jagdschloss nach Österreich eingeladen. “Das Haus hat sich immer mehr gefüllt„, erinnert sich der Fürst. “Am Ende hatten wir rund 100 Gäste.„ Und der blaublütige Bub ist mittendrin. Später wird er sogar mal den damaligen Prinz Charles in seinem kleinen Alfa Romeo persönlich abholen. “Charles habe ich sehr oft getroffen.„ Auch wenn er mit den Windsors ausnahmsweise mal nicht verwandt ist. Der Jetset revanchiert sich später mit Einladungen in die ganze Welt. Mal gibt's die Tickets, mal einen kompletten Privatjet.
Dann war ich da unter mehreren Hundert Mitarbeitern mit Abstand der Jüngste.
Fürst Alexander zu seiner Zeit an der Wall Street
Der Fürst ist Kosmopolit. Als Kind besucht er Schulen in Sayn, Koblenz, Bayern und in der Schweiz. Nach seiner Ausbildung zum Wertpapieranalytiker in Genf geht er mit 21 Jahren an die Wall Street. United States Trust Company of New York. “Die verwaltete die ganz großen amerikanischen Vermögen – etwa die der Rockefellers„, erklärt er. Aber es gibt ein Problem. “Die hatten meine Bewerbungsunterlagen falsch gelesen„, erinnert er sich. “Sie dachten, ich sei zehn Jahre älter.„ Eigentlich nehmen sie niemand unter 30. Man einigt sich schließlich auf einen Monat Probezeit als Wertpapieranalytiker. “Ich habe es geschafft.„ Darauf ist er noch immer stolz. “Dann war ich da unter mehreren Hundert Mitarbeitern mit Abstand der Jüngste.„
In New York ist er einfach nur Alexander Sayn. Die US-Amerikaner haben sie es eben nicht so mit langen Namen. “Das war sehr angenehm„, betont er. Es ist eine Zeit, an die er sich gern erinnert. 1966 bewirbt er sich an der renommierten Harvard Universität. Dafür braucht er eigentlich vier Jahre College oder ein deutsches Diplom. “Ich hatte beides nicht. Nur das Abitur.„ Doch es klappt erneut. “Ich habe allerdings auch etwas dick aufgetragen„, räumt er ein und grinst.
Harvard erfährt nicht die ganze Wahrheit
In Harvard sind sie offenbar beeindruckt, dass er das beste Abitur in der Geschichte seiner Schule überhaupt gemacht hat. Das stimmt. Doch das Realgymnasium existiert gerade mal zehn Jahre, als er dort Schüler ist. “Das habe ich verschwiegen.„ 1968 macht er seinen Master of Business Administration und wechselt zu einer Bank nach München. Ach ja, Rennfahrer ist er zwischenzeitlich auch noch. “Das hat mir dann aber mein Schwiegervater verboten„, sagt er.
Da war auch kein Dach drüber. Hier wuchsen die Bäume raus.
1975 stellt sich ohnehin ein weit drängendere Frage: “Sayn oder nicht Sayn?„, scherzt der Fürst. Am Ende zieht die Familie wieder an den Rhein. Mit staatlicher Hilfe wird das runtergekommene Schloss neu aufgebaut. Die Investitionen gehen in die Millionen. “Hier standen nur noch die Außenmauern„, erklärt der 80-Jährige bei einem Rundgang. Die Böden, über die seine Hündin “Sugar„ flitzt, sind ebenfalls komplett neu. “Da war auch kein Dach drüber„, sagt der Fürst und zeigt nach oben. “Hier wuchsen die Bäume raus.„ Den berühmten Stuck im Treppenhaus hatte der Regen weitgehend zerfressen.
Jetzt erstrahlt das alte Schloss in neuem Glanz. Alexander Sayn-Wittgenstein-Sayn führt uns durch die prächtigen Salons. Rot, Grün und Blau. “Wir haben tief in den Farbtopf gegriffen„, erklärt er. “Schwere Stoffe konnten wir uns nicht leisten.„ Auf das Ergebnis ist er stolz. Davon können sich auch Besucher überzeugen. Denn das Schloss wird auch als Museum, Standesamt und für Feiern genutzt. In einem Jahr gehört es dann wieder zu 100 Prozent dem Fürsten. Es wird aber wohl weiter für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. “Für uns allein ist zu groß, um es privat zu nutzen.„
Auch den Fürst plagen Energiesorgen
Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Freitreppe in den Park. Das ist die große Herzensangelegenheit des Fürsten. “Wir haben einen Vertrag mit der Landesregierung„, betont er. Passiert sei aber seit mehr als 20 Jahren nichts. Auch weil dazu eine komplette Straße verlegt werden müsste. Sorgen bereiten dem 80-Jährigen auch die hohen Energiekosten. “Die sind brutal nach oben gegangen.„ Und es lasse sich auch kein Gastronom fürs Schloss mehr finden. “Bei Feiern sind wir deshalb auf Caterer angewiesen.„
Ich bin 80 geworden und immer noch Kind.
Fürst Alexanders Mutter ist 104 Jahre alt.
Gerade erst hat der Fürst seinen 80. Geburtstag im Schloss begangen. Standesgemäß, versteht sich. Dazu hat er seine große Familie aus der ganzen Welt in die fürstlichen Salons eingeladen. Seine Kinder sind aus Japan, Wien, Mailand und der Toskana angereist. “Das ist alles schön verteilt„, sagt er. Gefeiert wurde bis tief in die Nacht. “Es ging bis zwei Uhr früh.„ Einen Tag später gab's eine Etage tiefer noch einen großen Empfang für die Bevölkerung. Rund 300 Gäste sind erschienen. “Das war sehr schön.„ Der Älteste war er aber nicht. Seine Mutter ist mittlerweile 104 Jahre alt. Die Mamarazza. “Ich bin 80 geworden und immer noch Kind„, sagt der Fürst.
Viele Ehrenämter und Auszeichnungen
Fürst Alexander zu Sayn-Wittgenstein-Sayn hat zahlreiche Ehrenämter inne. So ist der 80-Jährige seit 2013 Ehrenpräsident der Deutschen Burgenvereinigung. Zuvor war er ab 1986 Vorsitzender der Stiftung. Zudem ist der Fürst seit 1995 Vize-Präsident von Europa Nostra und war über viele Jahre Zweiter Vorsitzender von “Schlösser und Gärten" in Deutschland. Er ist auch Sprecher des Aktionsbündnisses Welterbe Oberer Mittelrhein, Protector der Schützengesellschaft Sayn 1843 und Ehrenmitglied in zahlreichen Ortsvereinen. Alexander zu Sayn-Wittgenstein-Sayn ist Träger des Verdienstordens des Landes Rheinland-Pfalz und des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Zudem ist er Ehren- und Devotionsritter des Malteser Ritterordens. Schließlich wurden dem 80-Jährigen auch die Medal of Honour und der Rheinland Award verliehen. de