Neues Buch von Neuwiederin
Wer Krebs hat, verliert den vertrauten Platz im Leben
Sylvia Brathuhn mit dem Buch "Reise mit Mut", das sie gemeinsam mit zwei Co-Autoren verfasst hat.
Rainer Claaßen

„Nichts ist und nichts bleibt, wie es war“: ein Gefühl, das viele Menschen haben, die sich mit der Diagnose Krebs konfrontiert sehen. Sie verlieren ihren vertrauten Platz im Leben, sind nur noch Patient oder Patientin. Hier setzt ein neues Buch an.

Sie kennt das Thema aus eigener Erfahrung – und die hat ihr Leben geprägt: Als Sylvia Brathuhn 30 Jahre alt war, erhielt sie die Diagnose Krebs. Damals, in der Mitte der 80er-Jahre, arbeitete die Neuwiederin als Fachkrankenschwester. Nachdem es ihr gelungen war, die Krankheit zu überwinden, änderte sie einiges in ihrem Leben. Sie holte das Abitur nach und studierte, schrieb sogar eine Doktorarbeit. Und engagierte sich sowohl in der Hospiz- und Trauerbewegung als auch im Verein „Frauenselbsthilfe Krebs“ – über viele Jahre hinweg war sie Vorsitzende des Landesverbandes Rheinland-Pfalz/Saarland.

Auch das neue Buch, das sie gemeinsam mit Sabine Zwierlein-Rockenfeller und Rainer Simader verfasst hat, beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Krebserkrankungen auf Frauen. Es trägt den Titel „Reise mit Mut – Mein Platz im Leben nach der Diagnose Krebs“ und wendet sich sowohl an Betroffene als auch an deren Angehörige, Freunde und onkologisch Tätige. Es ist im Zusammenhang mit einem Workshop entstanden, an dem 44 betroffene Frauen teilgenommen haben: An einem Wochenende haben sie sich in einer Werkstatt auf einem ehemaligen Industriegelände künstlerisch mit ihrer Erkrankung auseinandergesetzt.

Die Teilnehmerinnen des Workshops auf den noch nicht bearbeiteten Stühlen.
Martina Lenz/Mannheim/Vandenhoeck & Ruprecht

„Nichts ist und nichts bleibt, wie es war (...), und in allem schimmert die schmerzhafte Gewissheit durch: Ich habe meinen vertrauten Platz verloren.“ Plötzlich bin ich vordergründig nur noch „die Krebspatientin“ oder „der Krebspatient“, alle anderen mir vertrauten Rollen treten dahinter zurück und entgleiten“, heißt es in der Einführung des Buches – und genau dort setzte das Projekt an: Von einer Musikgruppe aus Süddeutschland wurden 50 Holzstühle gespendet. Jede der beteiligten Frauen gestaltete einen davon künstlerisch neu. „Ziel war es, die Suche nach dem neuen Platz im Leben künstlerisch wiederzugeben – statt als Kollegin, Mutter, Frau oder Freundin nimmt man sich plötzlich nur noch als „Krebspatientin“ wahr“, schildert Brathuhn das Empfinden vieler Betroffener.

„Ich bin beeindruckt davon, wie bewundernswert jedes einzelne Erleben mithilfe des Stuhls dargestellt wurde. Wie offen und ehrlich die eigenen Gefühle, wie zum Beispiel Verzweiflung, Angst, Wut und auch Hoffnung sowie die Freude am Leben thematisiert, dargestellt und erzählt wurden.“
Isabelle, Fürstin zu Wied

Doch in dem Buch geht es nicht nur um den Workshop und dessen Resultate. In einem Glossar werden auf 70 Seiten unterschiedliche Begriffe rund um das Thema Krebs behandelt – es geht von „Abenteuer“ über „Fuck you!“ und „Schock“ bis „Zukunft – Hoffen für das Beste“. Ergänzend zu sehr persönlichen Texten gibt es jeweils Tipps zur Vertiefung – etwa Gedichte oder Gedankenexperimente. Das ist alles mitten aus dem Leben gegriffen, lebendig geschildert, und kann so für Betroffene und Menschen aus deren Umfeld hilfreiche Impulse setzen.

Der zweite Teil des Buches steht unter der Überschrift „Experimentieren – Neues wagen – Platz schaffen“. Hier schildern die Teilnehmerinnen ganz persönlich ihre Perspektive auf Erlebnisse und Erfahrungen, die sie im Zusammenhang mit der Erkrankung gesammelt haben. Das kann zum besseren Verstehen aus der Außenperspektive beitragen, aber auch als Anregung für anderen Betroffene genutzt werden.

Die Künstlerinnen fanden ganz eigene Wege, die Erfahrungen mit der Erkrankung gestalterisch umzusetzen.
Martina Lenz/Mannheim/Vandenhoeck & Ruprecht

Im Bildteil „Weiter wandeln“ sind die Künstlerinnen jeweils zusammen mit dem von ihnen geschaffenen Stuhl zu sehen. Ergänzend dazu gibt’s eine individuell gestaltete Erläuterung der Künstlerinnen zu ihrem Werk.

Insgesamt bringt es das Buch so auf mehr als 200 anspruchsvoll gestaltete Seiten, die jeden Leser tief in das Erleben der Frauen eintauchen lassen. Sylvia Brathuhn hat bisher vor allem Fachbücher veröffentlicht. Dieser neue Zugang war ihr ein persönliches Anliegen. „Ich freue mich, dass es gelungen ist, den Verlag davon zu überzeugen, dieses Buch herauszubringen. Etwas Vergleichbares gibt es meines Wissens bisher nicht“, erklärt sie. Und fährt fort: „Den bisherigen Reaktionen entnehme ich, dass es die Leser und Leserinnen erreicht. Es macht Mut, sorgt für Verständnis und bietet einen Zugang zu Themenbereichen rund um den Krebs, die bisher noch zu wenig ins Bewusstsein gedrungen sind.“

Das Buch ist zum Preis von 35 Euro im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen und überall im Buchhandel erhältlich.

Neue Gruppe der Frauenselbsthilfe Krebs in Koblenz

Aus dem Buch „Reise mit Mut“ wurde vor Kurzem auf Einladung der Frauenselbsthilfe Krebs in der Buchhandlung Reuffel in Koblenz gelesen. Der Verein setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, betroffenen Frauen in schwierigen Zeiten zur Seite zu stehen und eine Plattform für den Austausch und die gegenseitige Unterstützung zu bieten.

Die Lesung war auch Anlass, um eine neue Anlaufstelle für Betroffene vorzustellen. Aktuell wird eine Selbsthilfegruppe für Krebspatientinnen in Koblenz aufgebaut. Die beiden Gruppenleiterinnen Iris Kreimer und Nadine Goerz bieten allen Betroffenen einen Raum für Austausch und gegenseitige Unterstützung. Ihr Ziel ist es, sich in einem sicheren Umfeld zu vernetzen und einander zu stärken. Die Gruppe trifft sich jeden dritten Dienstag im Monat und ist offen für alle, die Unterstützung suchen. Kontakt zu den beiden Gruppenleiterinnen: Nadine Goerz: Tel. 0160/92151003 oder E-Mail ngoerz@yahoo.de und Iris Kreimer, E-Mail i.kreimer@web.dered

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