Vor dem Bürgerbüro in Bad Neuenahr hat sich eine lange Schlange gebildet. Die Wähler stehen bis nach draußen an. Viele wollen noch schnell die Stimme abgeben, bevor der „Zuch kütt“. Von der anderen Seite der Stadtverwaltung hallt schon die Karnevalsmusik herüber. Der Klassiker „Sansibar“ von den Höhnern dröhnt aus den Lautsprechern. Es ist kurz vor 14 Uhr. Auf beiden Seiten der Zugstrecke durch die Kurstadt haben sich die Narren in Position gebracht. Kätzchen, Sträflinge und Tanzmariechen reihen sich aneinander, um den besten Blick auf den Umzug zu erhaschen.
Die Bürger, die vor dem Wahlbüro anstehen, sind nicht verkleidet. Kein einziger. „Helau“, sagt ein Mann zur Begrüßung – und wird von der Wahlhelferin am Eingang freundlich korrigiert. „Alaaf“, sagt Grazia Cristofalo und grinst. „Bei uns sagt man Alaaf.“ Ordnung muss sein. Der Mann zeigt Wahlbenachrichtigung und Pass vor. Dann drückt ihm die Wahlhelferin den Stimmzettel in die Hand. Der Mann muss kurz warten. Alle fünf Kabinen im Bürgerbüro sind besetzt. Gerade ist der Andrang recht groß.
In den kommenden zehn Minuten geht rund ein Dutzend Bad Neuenahrer an die Wahlurne. Alle in Zivil. Überhaupt seien an diesem sonnigen Tag nur wenige ihrer staatsbürgerlichen Pflicht im Kostüm nachgekommen. Auf dem Weg zu den Kreuzchen soll auch noch keiner angetrunken durch den Raum gewankt sein. „Sind ja nicht alle Narren“, sagt Grazia Cristofalo. Den letzten großen Karnevalisten haben wir knapp verpasst. „Eben war ein Clown hier“, sagt die Wahlhelferin.

Dann taucht doch noch ein verkleideter Mann auf, der sich als „Schokobon“ getarnt unters Wahlvolk mischt. Eine Premiere bei Bundestagswahlen, die bisher noch nie mit Karneval zusammengefallen sind. Aber kein Problem. Hauptsache, das Gesicht ist deutlich zu erkennen. Denn im Wahllokal herrscht eine Art Vermummungsverbot. Wer Masken trägt, muss sie selbstverständlich abnehmen.
14.11 Uhr. Der Lärmpegel steigt. Die letzten Zugbesucher eilen am Bürgerbüro vorbei. Der Andrang ebbt spürbar ab. Irgendwann sind die Wahlhelfer unter sich. Kurz durchatmen. Der Tag ist für Grazia Cristofalo noch lang genug. Wenn das Wahllokal um 18 Uhr schließt, müssen sie noch auszählen. „Ich schätze, dass wir bis 22 Uhr brauchen“, sagt sie. In diesem Jahr haben besonders viele Bürger schon per Briefwahl abgestimmt. Manche werfen ihren Umschlag auch noch am Wahltag selbst in die Urne bei den Kollegen ein.
In der Altstadt von Ahrweiler ist von Wahlen und Karneval wenig zu spüren. Touristen und Einheimische genießen das frühlingshafte Wetter. Die Cafés sind voll. Sonne tanken nach einem trüben Winter. Auf dem Platz vor der Kirche treffen wir auf die ersten Jecken. Die Ahrweiler Karnevals-Gesellschaft (AKG) hat zum „Kölsche Fastelovend“ eingeladen. Drinnen tagt die Sitzung. Draußen haben sich ein paar Uniformierte zur Raucherpause versammelt. Ob sie schon gewählt haben?

Weit hätten sie es jedenfalls nicht. Denn direkt nebenan könnten sie in der Zehntscheune ihre Stimmen abgeben. Im Wahllokal ist gerade nicht sonderlich viel los. Andy Neumann bekommt von all dem närrischen Trubel um ihn herum wenig mit. Er konzentriert sich auf seinen Job als Wahlhelfer. Es ist ein tiefenentspannter Nachmittag. Narren lassen sich gerade nicht blicken.
Die Majestäten Prinzessin Maria l. und Prinz Kai l. haben sich schon gegen Mittag mit Adjutant Karl-Heinz Conradt in die politischen Niederungen begeben. Ansonsten können sie die Kostümierten an zwei Händen abzählen. Vor ein paar Minuten war mal wieder einer da. Neumann hat sich das Kostüm nicht gemerkt. „Einen Bären oder so hatten wir jedenfalls noch nicht da.“ Vielleicht kommt ja nach der Sitzung noch einer rein.