Vogelgezwitscher zu hören, ist schön und entspannend. Allerdings könnte dies künftig weniger oft vorkommen. Der Naturschutzbund Deutschland, kurz Nabu, hat die Ergebnisse seiner großen Vogel-Zählaktion 2024 veröffentlicht. Und die Zahlen sind besorgniserregend.
Seit 20 Jahren sind im zweiten Maiwochenende alle Naturliebhaber aufgerufen, Vögel, die sie sehen, zu notieren und zu melden. In Rheinland-Pfalz haben dieses Jahr mehr als 2800 Menschen an dieser „Stunde der Gartenvögel“ des Umweltverbandes teilgenommen und über 64.000 Vögel gemeldet. Zwar stellen die Ergebnisse dieser großen Aktion keine vollständige Erfassung aller Vögel dar, da die Teilnehmer nicht alle Gefiederten beobachten können. Aber sie ermöglichen, einen Blick auf die Vogelwelt im Bundesland zu erhalten und Veränderungen der Vogelbestände festzustellen.
Haussperling landet auf Platz eins
Wie jedes Jahr sind die am häufigsten gesichteten Vögel in Rheinland-Pfalz der Haussperling, die Amsel und die Kohlmeise. Auch bundesweit sind sie am meisten zu sehen. Auf Platz eins landet der Haussperling, der über 11.600-mal beobachtet wurde.
Im Vergleich zum Vorjahr wurden die drei Vogelarten in den Gärten allerdings weniger beobachtet. Diese Feststellung gilt auch für andere Gefiederte. Von den 119 beobachteten Vogelarten wurden 63 weniger gesehen als im vergangenen Jahr. Grund dafür ist unter anderem, dass weniger Menschen dieses Jahr an der Aktion teilgenommen haben. Die Teilnehmer haben im Durchschnitt aber mehr Vögel als sonst gemeldet – ungefähr 22 Vögel pro Teilnehmer. Manche Vogelarten haben sich sogar verstärkt. Der Zilpzalp, der mit dem warmen Frühjahr früher als sonst zurückgekehrt ist, wurde 41 Prozent häufiger gesehen. Typische Waldvögel wie der Buntspecht werden auch immer mehr in unseren Gärten gesehen. Eine andere gute Nachricht: Es wurden sechs Arten mehr als im vergangenen Jahr beobachtet.
Was aber feststeht: Es werden immer weniger Vögel in den Gärten beobachtet. In der Tat wurden bei der diesjährigen Vogel-Zählaktion des Nabu durchschnittlich etwa 31 Vögel pro Garten gesichtet. Im Jahr 2023 waren es ungefähr 33. Vor zwei Jahren waren es 32. Kann man also von einem Vogelschwund in Rheinland-Pfalz sprechen? „Es hängt von der Vogelart und vom Lebensraum ab. Manche Vogelarten sind gefährdet, andere weniger“, sagt Constantin Sittmann, Referent für Kommunikation und Verbandsentwicklung des NABU Rheinland-Pfalz. Der Experte erklärt weiter: „Man kann nicht pauschal sagen, dass es allen Vogelarten schlecht geht. Die Situation bleibt aber generell alarmierend. Man muss sich bei vielen Vogelarten Sorgen machen“.
Die Gründe für den Rückgang der Vogelzahlen sind vielfältig. Neben den natürlichen Feinden der Gefiederten – wie Katzen und Waschbären – dürften vor allem die menschliche Aktivität für das Verschwinden der Vögel verantwortlich sein. Grundsätzlich haben Vögel nicht genug Nahrung und zu wenig Lebensraum. Wegen der Bebauung stehen die Häuser zu dicht und es gibt immer weniger Vegetation. Die Vögel haben weniger Möglichkeiten, ihre Nester zu bauen. „Hauptgründe für den Rückgang der Bestände vieler Vogelarten sind neben dem Verlust von Lebensraum und Brutmöglichkeiten auch der Rückgang von Insekten als Nahrungsquelle“, erklärt Constantin Sittmann. Die Intensivierung der Landwirtschaft spielt eine große Rolle für den Vogelschwund. „Besonders starke Rückgänge zeigen vor allem Arten, die an landwirtschaftliche Flächen gebunden sind. Die dort lebenden Arten sind meist Bodenbrüter und intensiver Bewirtschaftung unmittelbar ausgesetzt. Ehemals häufige Arten landwirtschaftlich genutzter Flächen wie Feldlerchen oder Rebhühner sind merklich betroffen“, sagt der Experte.
Die vielen Düngemittel und giftigen Substanzen töten Insekten, die für Vögel die Hauptnahrungsquelle sind. Insektenfressende Arten werden daher immer seltener beobachtet. So sank zum Beispiel die Anzahl der beobachteten Mehlschwalben um 16 Prozent im Vergleich zu 2023.
Auch der Klimawandel sei eine Hauptursache des Vogelsterbens, sagt der Experte. Die zunehmende Erderhitzung ist demnach für Vögel problematisch, denn einige Arten können sich an den starken Temperaturänderungen nicht schnell genug anpassen. Weitere Ursachen sind der Verkehr – Autos, Züge –, die Jagd und Glasscheiben, gegen die die Vögel oft knallen. Vogelschläge am Glas sind eine der Hauptursachen für den Tod der Gefiederten. Laut dem Nabu sterben allein in Deutschland jedes Jahr etwa 100 Millionen Vögel an den Folgen eines Zusammenstoßes.
Wie Nabu-Experte Sittmann mahnt, könnten mehrere Vogelarten bald aussterben, wenn nicht schnell gehandelt wird. Er sagt: „Einen Wandel in der Agrarwirtschaft und einen Schutz des Lebensraums der gefährdeten Arten ist zwingend erforderlich. Man sollte sich dafür einsetzen, Straßenbau und Natur in Einklang zu bringen und den hohen Flächenverbrauch zu reduzieren. Nur durch vielfältige und intakte Lebensräume kann das Überleben vieler Arten gesichert werden.“
Auf individueller Ebene kann man aber auch handeln. Jeder Einzelne kann seinen Garten oder Balkon naturnah und vogelfreundlich gestalten. „Man kann zum Beispiel auf Pestizide verzichten, heimische Stauden und Wildblumen anpflanzen oder Rückzugsorte und Nistmöglichkeiten schaffen“, erklärt der Experte.
Insekten auf „wilden Ecken“
All das kann die Artenvielfalt erhöhen und fördern. Mit einheimischen Blumen, Stauden, Sträuchern und Bäumen, die eine große Auswahl an Samen und Früchten bieten, kann man Vögeln gut helfen. Einheimische Sträucher wie Schneebälle, Pfaffenhütchen und Heckenrosen sind mit ihren Beeren eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel im Winter. Außerdem leben auf diesen „wilden Ecken“ viele Insekten, was den Vögeln dann als Nahrung dient.
Andere Tipps, um unseren Piepmätzen zu helfen: Wasserstellen und Reisighaufen anlegen, Vogelhäuschen bauen oder kaufen, nicht jedes Unkraut vernichten, Herbstlaub nicht überall wegharken und einen Komposthaufen haben. Eine letzte Maßnahme zum Schutz der Vögel ist es, Kollisionen an Fensterscheiben zu vermeiden. Um sie für die Vögel sichtbar zu machen, können Haus- oder Wohnungsnutzer spezielle Vogelschutzfolien kaufen, Aufkleber oder andere Markierungen auf die Glasscheiben kleben und Pflanzen, Sträucher oder Bäume in der Nähe von Fenstern aufstellen.
Weitere Tipps für einen vogelfreundlichen Garten sowie Artikel zum Thema Vögel gibt es auf der Nabu-Webseite. Die nächste Zählaktion betrifft die Wintervögel und findet vom 10. bis 12. Januar 2025 statt.