Joe Weingarten (SPD), vor vier Jahren noch Bezwinger der CDU-Kontrahentin Julia Klöckner im Wahlkreis Bad Kreuznach, kam am Sonntagabend als Verlierer in die Kreisverwaltung. Seiner Kontrahentin Klöckner die Hand zur Gratulation zu reichen – für ihn eine nicht gerade angenehme, aber obligatorische Aufgabe. Er ging zum Büro von Landrätin Bettina Dickes, in das sich Klöckner mit ihrer engeren Entourage zurückgezogen hatte. Spannung lag in der Luft, schließlich wusste Klöckner zu diesem Zeitpunkt gegen 19.45 Uhr noch nicht, ob es für sie reichen würde.
Weingarten stand vor der Tür des Büros, doch heraus kam nicht Klöckner, sondern Landrätin Dickes. Klöckner wolle seinen Handschlag nicht, sagte sie und bat um Verständnis. Da brach es aus Weingarten heraus: Das sei ja wohl „ungehörig“, da fehle „politischer Anstand“.
Unfaires Manöver im Wahlkampf?
Das konterte Landrätin Dickes aber vor ihrem Büro. Weingarten habe unfair Wahlkampf betrieben, deswegen sei es nachvollziehbar, dass Klöckner ihm nicht die Hand reichen wolle. Denn der Genosse habe dazu aufgerufen, ihm die Erststimme zu geben, schließlich sei Klöckner ja über einen guten Listenplatz abgesichert. Das sei angesichts des novellierten Wahlrechts eine glatte „Lüge“ gewesen, und das habe Weingarten sehr gut gewusst, sagte Dickes – schließlich habe der Sozialdemokrat das neue Wahlrecht ja mitbeschlossen.
Einige Minuten später diskutierte Weingarten mit lokalen Christdemokraten, als Klöckners Pressesprecherin auf ihn zuging. Sie bat im Namen ihrer Chefin um Verständnis. Klöckner habe seine Gratulation nicht annehmen wollen, weil ja noch gar nicht sicher sei, ob sie in den Bundestag einziehe. Darauf polterte Weingarten wieder: Das sei ein „persönlicher Affront“ Klöckners, eine „Unverschämtheit“. Nun ja, konterte Klöckners Mitarbeiterin mit diplomatischem Lächeln, es sei eben auch eine gewisse Unverschämtheit von ihm gewesen, mit dem Listenargument Stimmen einzufangen.
Alles Ansichtssache
Selbst einen Tag später war der Ärger bei Weingarten nicht verflogen: „Ich fand’s einfach ungehörig und unsouverän, wie sie sich verhalten hat.“ Es sei ja auch „bemerkenswert, wie sie Landrätin Bettina Dickes wie eine Sekretärin hin und her geschickt hat, um unangenehme Botschaften zu überbringen.“ Weingarten geht auch harsch mit Dickes ins Gericht: „Eine Landrätin sollte sich nicht in der eigenen Kreisverwaltung zur Befehlsempfängerin machen lassen.“
Von Klöckner kommt der Hinweis, dass man den Handschlag ganz banal nur deswegen nicht entgegennehmen wollte, weil eben noch nicht klar gewesen sei, ob es etwas zu feiern gebe. Es seien noch über hundert Wahlbezirke auszuzählen gewesen. Dass er nun von einem verweigerten Handschlag spreche, sei „infam“. Sie könne ja verstehen, dass bei Weingarten die „Nerven blank“ gelegen hätten, doch man müsse „die Kirche im Dorf lassen“, und für sie gelte: „Schwamm drüber“. Sie sei etwas später durch den Plenarsaal gegangen, da sei Weingarten schon fort gewesen. Natürlich hätte sie ihm dort die Hand geschüttelt.