Energiewende in Rheinland-Pfalz
Wasserstoffprojekte in Kaisersesch und Bendorf vor dem Aus
Blick auf einen Elektrolyseur für die Herstellung von grünem Wasserstoff bei der Firma Air Liquide.
Rolf Vennenbernd. picture alliance/dpa

Angesichts des Klimawandels soll auch grüner Wasserstoff die Energiewende in Fahrt bringen. Im nördlichen Rheinland-Pfalz aber zeigt sich, dass diese Wunschvorstellungen so einfach nicht umzusetzen sind. Eine Bestandsaufnahme.

Geht dem Rennen um Wasserstoff als alternativer Energieträger der Zukunft schon die Puste aus, ehe die Entwicklung der Technologie überhaupt großflächig begonnen hat? Im nördlichen Rheinland-Pfalz zumindest werden zwei Vorzeigeprojekte aus- oder zumindest eingebremst: Der Ausbau des Bendorfer Hafens zum Wasserstoff-Verteilzentrum wird vom Bund (vorerst) nicht gefördert, und in Kaisersesch kriegt man den Elektrolyseur im Modellprojekt „SmartQuart“ nicht ans Laufen. Dieser aber hätte schon seit Dezember 2023 rund 400 Kilogramm des besonders klimafreundlichen grünen Wasserstoffs pro Tag produzieren sollen. Was das alles für die Wasserstoff-Strategie des Landes bedeutet und wie viel Geld bereits in solche Projekte geflossen ist, wollten wir von der Landes- und der Bundesregierung wissen.

Rheinland-Pfalz ist in Sachen Transformation ambitioniert und hat sich das Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 treibhausgasneutral zu werden. Damit dies gelingt, braucht es, so steht es in der Wasserstoffstudie des Landes, eben auch Wasserstoff. Als ein „Impulsgeber“ und als „Reallabor der Energiewende“ wird in der Studie das Projekt „SmartQuart“ in Kaisersesch genannt, eine von drei Testanlagen unter diesem Namen. Mit hohen Erwartungen gestartet, soll in der Eifelstadt für insgesamt rund 8 Millionen Euro eine klimaneutrale Energieversorgung für ein ganzes Industriequartier und das Verwaltungsgebäude der Verbandsgemeinde entwickelt werden. Partner der Verbandsgemeinde sind unter anderem EON sowie die Firmen Hydrogenious LOHC aus Erlangen und der Heizungsbauer Viessmann.

Hier, im Kaiersescher Wasserstoffquartier, hätte der Herzschlag der Energiewende sichtbar werden sollen. Allein, das Herzstück des Projekts, ein Elektrolyseur, der grünen Wasserstoff produziert, konnte nie ans Laufen gebracht werden.
David Ditzer

Was klappt, sind die Pipeline, der Transport und die Speicherung von Wasserstoff sowie die Nutzung für die Wärme- und Stromgewinnung. Doch das Herzstück der Anlage, der Elektrolyseur, funktioniert nicht und wird laut EON wohl auch nicht mehr in Betrieb gehen. Stattdessen lieferten zuletzt Sattelzüge den benötigten Energieträger. Ein klarer Rückschritt, zumal auch damit zusammenhängende Projekte wie etwa der Betrieb von durch Wasserstoff angetriebenen Zügen aufgrund hoher Kosten nicht umgesetzt werden.

Jan Budde, Pressesprecher des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, erklärt dazu auf Anfrage unserer Zeitung, es sei „bedauerlich, wenn technische Einheiten nicht wie erwartet funktionieren. Für einen Kompetenzaufbau sind aber auch negative Erfahrungen hilfreich, um für zukünftige Entscheidungen Lernerfolge abzuleiten. Für die Wasserstoffstrategie des Landes sind diese Erfahrungen wichtig, um zu erkennen, ob derartige Projekte im Land erfolgreich betrieben werden können.“ In den vergangenen Jahren sei in Kaisersesch durch die Bundesförderung des SmartQuart-Projektes das Know-how im Bereich der Wasserstoffwirtschaft gestärkt worden.

Ein Schild weist auf eine neue Wasserstoffleitung hin (Symbolfoto). Um zwei Vorzeigeprojekte im Norden von Rheinland-Pfalz steht es derzeit nicht besonders gut. Geht der Wasserstoffstrategie in Rheinland-Pfalz schon die Puste aus?
Jan Woitas. picture alliance/dpa

Als einziges von bundesweit nur zwölf Reallaboren der Energiewende demonstriere SmartQuart in der Eifel die Nutzung von grünem Wasserstoff zur Kopplung verschiedener Sektoren wie Wärme, Strom, Industrieanwendungen und Mobilität. Es sollte zudem die gesamte Wertschöpfungskette für Wasserstoff abgebildet werden. Das Land fördere das Projekt nicht finanziell, unterstütze es aber mit fachlicher Beratung. Die Verbandsgemeinde Kaisersesch habe nach eigenen Angaben seit 2006 aus eigenen Mitteln mit fast 700.000 Euro für Personal- und Sachkosten das Wissen rund um die Erzeugung und Nutzung des Wasserstoffs bezuschusst, wobei der Elektrolyseur ohne Fördermittel auf Rechnung von EON beschafft wurde.

Neben dem finanziellen Engagement der Verbandsgemeinde fließen auch jede Menge Steuergelder über die Förderung des Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministeriums nach Kaisersesch. Das gesamte Reallabor SmartQuart erhält 11 Millionen, allein das Projekt in der Eifel circa 5 Millionen Euro aus der Bundeskasse. Eine Investition, die sich rentiert hat? Zumal ja gezahlt wurde unter der Annahme, dass ein dauerhafter Betrieb der Wasserstoffnutzung – Erzeugung und Anpassung der notwendigen Leitungsinfrastruktur – erreicht werden kann.

Die Antwort von Pressesprecherin Susanne Ungrad ist erwartbar: Durch das Vorhaben konnten „wichtige Erkenntnisse für zukünftige Wasserstoffprojekte gesammelt werden. Beispiele hierfür sind etwa die Planung, Genehmigung und der Aufbau der Infrastruktur inklusive Rohrleitungssystem vor Ort (…). Weiterhin konnten die Befüllung und der Transport von Wasserstoff über das Leitungssystem, wie auch die Umrüstung und der Betrieb von Brennstoffzellen zur Wärmeversorgung erprobt werden.“

Ist der Hype um grünen Wasserstoff schon wieder vorbei?

Allerdings, so realistisch ist man in Berlin: Neben technischen Schwierigkeiten mit dem Betrieb des Elektrolyseurs, „führen auch die aktuell noch vergleichsweise hohen Kosten der Wasserstoffnutzung dazu, dass ein wirtschaftlicher Betrieb des Wasserstoffquartiers nicht erreicht werden konnte“. Wohlgemerkt: Hier ist von grünem Wasserstoff die Rede.

Der Hype scheint erst einmal vorbei zu sein. Elias Frei, Bereichsleiter Wasserstofftechnologien am Fraunhofer-Institut in Freiburg, hat daher jüngst im „Handelsblatt“ konstatiert, dass es trotz massiver Investitionen bis heute nicht gelungen sei, eine entsprechende Nachfrage anzufachen. Da aber die Alternative Wasserstoff für die Zukunft gebraucht werde, rät er dazu, kohlenstoffarmen Blauen Wasserstoff „ernsthaft als Zwischenlösung“ zu prüfen, da dieser „zu deutlich geringeren Kosten“ erzeugt werden könne. Der Experte fordert dazu „pragmatische Entscheidungen“, gerade auch von der Politik.

Eben diese Politik sorgte jüngst auch in Bendorf für massiven Frust: Dort hat man sich vorgenommen, den Rheinhafen zum Wasserstoff-Umschlagplatz ausgebaut werden. Erst im September 2021 hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unter anderem die Stadt Bendorf als Gewinnerin der zweiten Runde des Wettbewerbs „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“ in der Kategorie „HyStarter“ bekanntgegeben. Damit unterstütze man die Regionen dabei, eine lokale Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, so Scheuer damals. Die Wasserstofftechnologie ermögliche es, Mobilität neu und ganzheitlich zu organisieren – von der Produktion der Energie über die Antriebstechnologie bis hin zur Tankinfrastruktur. „So machen wir Deutschland zum Wasserstoff-Land.“

Die Stadt Bendorf nahm den Minister, der sich nach seinem Millionen-Maut-Debakel mittlerweile weitgehend aus der Politik zurückgezogen hat, beim Wort und wollte nach einer erfolgreichen und geförderten Untersuchungsphase zusammen mit Unternehmern und der lokalen Politik an die Umsetzung gehen. Nun aber ist aus der Zukunft-Umwelt-Gesellschaft gGmbH (ZUG), die für die Vergabe der Fördergelder aus dem Bundeswirtschaftsministerium zuständig ist, zu erfahren, dass ein solches Projekt wie das des geplanten Energie-Hubs im Rheinhafen nicht förderfähig sei.

Der Bendorfer Bürgermeister Christoph Mohr (SPD) ist bitter enttäuscht und sagt: „Uns wurde immer kommuniziert, dass unser Vorhaben den Richtlinien entspreche. Und plötzlich heißt es, dass es bereits im Jahr 2023 eine Richtlinienänderung gegeben habe.“ Einen Hinweis auf diese Änderung konnte er jedoch nicht finden. Er fragt: „Wie will man denn da Klimaneutralität erreichen, wenn die Kommunen bereit sind, etwas zu machen, aber nach der Bundestagswahl alle Zusagen zurückgezogen werden?“

Susanne Ungrad, Pressesprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung die Absage. Grund: Das beantragte Netzwerkvorhaben für einen geplanten Energie-Hub im Rheinhafen in Bendorf könne im Rahmen der Kommunalrichtlinie (KRL) der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) nicht gefördert werden, „da investive Maßnahmen nicht Gegenstand des Förderschwerpunkts sind. (…) Die Förderrichtlinien haben hier, um sich zu unterscheiden und Doppelförderungen auszuschließen, klare Vorgaben.“ So sei bei dem Programm Netzwerkvorhaben „ein Bezug zu Wasserstoff ausdrücklich ausgeschlossen“.

Moment mal: Hatte nicht der frühere Chef desselben Ministeriums, Andreas Scheuer, großsprecherisch die Parole ausgegeben, er wolle „Deutschland zum Wasserstoff-Land“ machen? Naja, Scheuer ist CSU, zwischenzeitlich aber hatte es eine neue Bundesregierung, einen anderen Verkehrsminister und damit neue Richtlinien gegeben – nur die kleine Stadt Bendorf wurde darüber von der großen Politik offenbar nicht informiert... Ob sich an dieser Entscheidung mit der demnächst neuen Bundesregierung etwas ändern könnte, dies sei Spekulation, erklärt Susanne Ungrad.

Nun hat aber nicht nur der frühere Bundesverkehrsminister das Wasserstoff-Projekt im Bendorfer Rheinhafen hochgejubelt, auch das rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Verkehrsministerium sieht die Potenziale. In einer Pressemitteilung vom 17. Februar dieses Jahres stellte Ministerin Daniela Schmitt (FDP) die Ergebnisse einer von ihrem Haus in Auftrag gegebenen Studie vor und erläuterte, dass „die Binnenhäfen mit ihren bereits bestehenden Tanklagern (…) als Wasserstoff-Hubs eine wichtige Drehscheibe zur Wasserstoff-Versorgung in den Regionen sein“ können.

Wurde Mainz nicht über die geänderten Förderrichtlinien informiert?

Die negative Förderentscheidung auf Bundesebene wird in Mainz „bedauert“. Eine Nachfrage seitens des Landes beim Bund habe jedoch die Bewertung der ZUG fachlich bestätigt, wie Pressesprecherin Nicola Diehl betont. Offenbar war man also auch in Mainz nicht über die geänderten Förderrichtlinien auf dem Laufenden... Weiter heißt es: „Die Förderbedingungen des Bundes fokussieren ausschließlich auf Branchen, die aufgrund der Produktionsverfahren zwingend auf Wasserstoff umstellen müssen.“ Die Ergebnisse aus der Studie des Mainzer Ministeriums seien davon „zu trennen“, sie sind also weiterhin gültig.

Ob es für die Transformation des Bendorfer Rheinhafens zu einem Energie- und Wasserstoff-Hub eine Förderchance im Rahmen des Infrastrukturpaketes der künftigen Bundesregierung geben wird, dazu, so Nicola Diehl, sei eine Einschätzung „derzeit nicht möglich, da nach jetzigem Stand noch völlig offen ist, in welchen Bereichen (zusätzliche) Mittel des Bundes eingesetzt werden können“. Unabhängig davon wolle man im Rahmen der verfügbaren Mittel im Landeshaushalt den Hafen Bendorf bei der Modernisierung der Hafeninfrastrukturen auch weiterhin unterstützen. Das Mainzer Klimaschutzministerium jedoch fühlt sich, was den Wasserstoff-Umschlagplatz Bendorf angeht, nicht zuständig.

Von grauem zu grünem Wasserstoff

Grauer Wasserstoff wird durch fossile Brennstoffe wie Erdgas, Kohle oder Öl erzeugt. Dabei entsteht als Abfallprodukt CO2. Grauer Wasserstoff ist daher nicht klimaneutral. Blauer Wasserstoff entsteht wie grauer Wasserstoff durch Dampfreformierung, allerdings wird das entstandene CO2 danach unterirdisch gelagert. Es gelangt also nicht in die Atmosphäre und ist damit klimaneutral. Türkiser Wasserstoff ist das Produkt von Methanpyrolyse. Dabei gelangt kein CO2 in die Atmosphäre. Unter grünem Wasserstoff versteht man durch Wasserspaltung gewonnenen Wasserstoff, bei dem die Energie für die Elektrolyse vollständig aus erneuerbaren Energien wie Windenergie oder Sonnenenergie stammt. ms

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