Kein anderes Bundesland hat das Aus der Berliner Ampel schwerer getroffen als Rheinland-Pfalz. Im Südwesten entstand vor acht Jahren das Vorbild für das Dreier-Bündnis in der Bundeshauptstadt. Und einer der damaligen Macher wollte nach dem Mainzer Vorbild auch in Berlin regieren: Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Die Ampelkoalitionäre in Mainz waren am Donnerstag schnell darum bemüht, den Schaden nicht auf Rheinland-Pfalz übergreifen zu lassen. Gemeinsam erklärten die drei Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP in einer Pressemitteilung: Die Ampel in Rheinland-Pfalz wird fortgesetzt.
Die Liberalen in Mainz hingegen haben offene Fragen zu klären. Am Donnerstagmorgen hatte der FDP-Landesvorsitze Volker Wissing seinen Verbleib in der Koalition und zugleich den Austritt aus der Partei erklärt. Das entspreche seiner Vorstellung der Übernahme von Verantwortung, sei aber keine Distanzierung von den Grundwerten der Partei. Wissings Austritt klang nach einer Abrechnung mit seinem Parteifreund Christian Lindner, der die Koalition mit hatte platzen lassen.

Dass der Ampel-Mitgründer Wissing weiter zur Koalition steht, hat in Mainz niemanden überrascht. Er galt auf FDP-Seite als letzter Verfechter des Bündnisses. Dass er aber als Konsequenz auch die Partei verlässt, damit haben die wenigsten gerechnet. Entsprechend emotional reagierten die führenden Liberalen im Land. „Ich bin persönlich davon ge- und betroffen“, sagte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt unserer Zeitung. Sie könne ihn aber ein Stück weit verstehen. Wissing habe sein Regierungsamt vor die Partei gestellt, sagte FDP-Fraktionschef Philipp Fernis . „Dass seine politische Laufbahn so endet, ist tragisch.“ Einige Liberale zeigten sich aber auch verärgert.

Denn die rheinland-pfälzische FDP verliert damit ihren über 13 Jahre führenden Kopf – und steht nun ohne Landeschef da. Die Spekulationen über die Nachfolge hatten im Mainz bereits am Donnerstagmorgen begonnen, da musste sich die FDP in internen Runden allerdings noch sortieren. Sicher war schnell, dass es wohl eine Chefin werden wird.
Mit Wirtschaftsministerin Schmitt und der Hunsrücker Bundestagsabgeordneten Carina Konrad gibt es zwei Stellvertreterinnen Wissings. Beide Politikerinnen haben einen Fuß in der Bundes-FDP: Schmitt gehört dem Präsidium der Liberalen an, Konrad dem Bundesvorstand.
Konrad fand für die Stellungnahme von Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend übrigens deutliche Worte: „Die Heftigkeit, mit der Olaf Scholz Christian Lindner am Mittwochabend angegriffen hat, war eines Kanzlers unwürdig. Vor allem vor dem Hintergrund des besonderen Tages, an dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt worden ist.“ Dass die Berliner Ampel zerbrochen ist, „ist ganz eindeutig ein Führungsversagen von Olaf Scholz“, so die Liberale. Auch die Koblenzer Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser brachte sich indirekt selbst ins Spiel – hat aber keine Chancen.

Wer mit Liberalen spricht, hört je nach Verbundenheit eine andere Favoritin – Konrad oder Schmitt. Fraktionschef Fernis winkte auf Anfrage ab. „Die Frage nach dem Parteivorsitz stellt sich für mich nicht.“ Die Favoritin sei aus seiner Sicht aber klar. „Es ist sehr naheliegend, dass Daniela Schmitt Vorsitzende werden könnte.“
Schmitt selbst ließ sich nicht zu einer klaren Aussage hinreißen, sagte aber: „Ich habe in der Partei immer mit großer Leidenschaft Verantwortung übernommen und das werde ich auch in Zukunft tun“.
Ich habe in der Partei immer mit großer Leidenschaft Verantwortung übernommen und das werde ich auch in Zukunft tun.
Landeswirtschaftsministerin Daniela Schmitt
Die Entscheidung von Volker Wissing treffe die FDP in Rheinland-Pfalz schwer, erklärte der Trierer FDP-Vorsitzende Tobias Schneider . Fest stehe, dass jetzt Menschen an der FDP-Spitze benötigt würden, „die glaubwürdig und ganzheitlich liberale Politik vertreten“. Dies schließe einen personellen Neuanfang auf Bundesebene mit ein. Damit fordert der Trierer Ober-Liberale indirekt auch den Rücktritt von FDP-Chef Christian Lindner.
Den Weg zur neuen Landesvorsitzenden in Rheinland-Pfalz wollen die Liberalen nun im Vorstand besprechen. Je nachdem, wie schnell es Neuwahlen geben wird, brauchen sie noch in diesem Jahr einen Sonderparteitag. Auf diesem könnte womöglich auch der neue Chef gewählt werden. Der Eifeler FDP-Abgeordnete Marco Weber sprach sich gegenüber unserer Redaktion jedenfalls für eine zügige Lösung aus.

Dass Schmitt dann die Führung übernimmt, wäre die logische Konsequenz für viele Liberale in Mainz. Sie war bereits bei der Landtagswahl 2021 Spitzenkandidatin. Durch das Ampel-Aus und schlechte Umfragewerte wird sie bei der Landtagswahl 2026 um die politische Existenz im Landtag kämpfen müssen. Bereits vor 13 Jahren hatte die FDP die schmerzhafte Erfahrung gemacht und war aus dem Parlament geflogen. Eines scheint im Gegensatz zu Berlin derzeit in Mainz aber keine Lösung zu sein: die Ampel zu verlassen.