Verkehrsüberwachung in RLP
Warum so viel auf unseren Straßen geblitzt wird
Zu schnell unterwegs? 2,3 Millionen Geschwindigkeitsverstöße wurden im vergangenen Jahr bei der Zentralen Bußgeldstelle des Landes registriert - mehr als in Vorjahren. Laut Polizei geht es bei Geschwindigkeitskontrollen darum, die Gefahr von Unfällen zu reduzieren. Es kommt aber auch einiges an Geld zusammen.
Bernd Weißbrod. picture alliance/dpa

Rheinland-Pfalz blitzt kräftig: 2024 wurden rund 2,3 Millionen Temposünder erwischt. Was dahintersteckt, was es mit der „Vision Zero“ auf sich hat - und wo es auf der Autobahn am häufigsten blitzt.

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In Rheinland-Pfalz blitzt es regelmäßig und reichlich – nicht am Himmel, sondern auf Autobahnen und Landstraßen. Laut der Zentralen Bußgeldstelle (ZBS) des Landes in Speyer wurden allein 2024 rund 2,3 Millionen Geschwindigkeitsverstöße festgestellt. Darunter sind auch jene gut 40.000 Fälle, die im vergangenen Jahr von einem umstrittenen Blitzer auf der A61 zwischen Waldlaubersheim und Dorsheim festgehalten wurden.

Umstritten, weil etliche der vermeintlichen Temposünder von irreführenden Geschwindigkeitsanzeigen sprechen und Einspruch gegen Verwarn- und Bußgelder erheben: Ihrer Darstellung nach zeigt eine digitale Geschwindigkeitstafel 130 als maximales Tempo für diese Strecke an, offiziell gilt dort aber 100 - und darauf ist der dort stationierte Blitzer ausgerichtet.

Die Folge: Die (mutmaßlichen) Temposünder legen Einspruch gegen die Bußgelder ein, die Justiz sieht sich einem Berg von solchen Einlassungen gegenüber. Bislang sind sie ohne nennenswerte Erfolge für die Betroffenen ausgegangen. Laut Polizei funktioniert die digitale Geschwindigkeitsanzeige einwandfrei. Sollte es doch einmal zu Störungen kommen, würden diese selbstredend berücksichtigt, wenn es um das Verhängen von Verwarn- und Bußgelder geht, hatte das Polizeipräsidium (PP) Rheinpfalz kürzlich erklärt, als unsere Zeitung über den Aufreger-Blitzer berichtete. Beim PP Rheinpfalz ist die Zentrale Bußgeldstelle organisatorisch angesiedelt. Sie ist landesweit für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im fließenden Verkehr und bei Verkehrsunfällen zuständig.

Von dem Blitzer an der A61 einmal abgesehen: Die ZBS hatte mit rund 2,3 Millionen erfassten Geschwindigkeitsverstößen ohnehin gut zu tun – gut 541.000 davon waren übrigens im Bereich von Bußgeldern. Die werden ab 21 Stundenkilometern zu viel über der vorgeschriebenen Geschwindigkeit fällig. Der Blick auf die vergangenen drei Jahre zeigt: Menschen drückten in RLP im vergangenen Jahr häufiger zu kräftig aufs Gaspedal als in den Vorjahren: 2022 wurden 2,14 Millionen Geschwindigkeitsverstöße registriert, 2023 waren es 2,17 Millionen Fälle.

Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe

Entsprechend stiegen auch die Einnahmen aus Verkehrsordnungswidrigkeiten kontinuierlich: 2024 flossen dem Land laut Jan Liebel aus der Pressestelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz mehr als 110 Millionen Euro zu – gut 5 Millionen mehr als noch zwei Jahre zuvor. 2023 wurden gut 109 Millionen Euro eingenommen, indem Geschwindigkeitsübertretungen geahndet wurden.

Trotz dieser hohen Summen betonen die zuständigen Behörden, dass es bei den Geschwindigkeitskontrollen nicht in erster Linie darum geht, Einnahmen zu erzielen. Man wolle vielmehr mehr Sicherheit auf den Straßen erzeugen: „Gerade die von nicht angepasster und überhöhter Fahrgeschwindigkeit ausgehenden Gefahren verwirklichen sich in Verkehrsunfällen, die regelmäßig zu Verletzungen und erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden führen“, erklärt Polizeisprecher Liebel. Die Geschwindigkeitsüberwachung ist „ein wesentlicher Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit“. Und nebenbei bedingt sie Millionenbeträge in dreistelliger Höhe.

„Es gibt den klaren Wunsch, für eine Generierung von Liquiditätszuwächsen zu sorgen.“
Wolfgang Maus, Fachanwalt für Verkehrsrecht

Angesichts solcher Summen hat denn auch der Bad Kreuznacher Jurist Wolfgang Maus, Fachanwalt für Verkehrsrecht, eine deutliche Meinung zu den Blitzer-Bemühungen der Behörden: Verkehrssicherung, sagt er gegenüber unserer Zeitung, sei das eine. Das andere sei aber der klare Wunsch, „für eine Generierung von Liquiditätszuwächsen zu sorgen“. Deshalb werde der Verkehr auf unseren Straßen recht engmaschig überwacht. Vor Kindergärten, Schulen und Ähnlichem ist aus Sicht des promovierten Juristen auch nichts dagegen einzuwenden. An der Sinnhaftigkeit so manch einer anderen Geschwindigkeitsbegrenzung hat Maus hingegen so seine Zweifel.

Doch wohin fließt eigentlich all das Geld, das über Temposünder und Raser eingenommen wird? Es fließt in den Landeshaushalt, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage. Zweckgebunden, etwa für Maßnahmen für die Verkehrssicherheit, ist es demnach nicht: „In Rheinland-Pfalz gilt grundsätzlich das Prinzip der Gesamtdeckung“, so der Sprecher. Heißt: Sämtliche Einnahmen des Landeshaushalts werden zur Deckung aller Ausgaben genommen.

Wo die Radarfalle am häufigsten zuschnappt

Wo geblitzt wird, stationär wie mobil, entscheidet die Polizei nach klaren Kriterien: „Schwerpunkte der Geschwindigkeitsüberwachung werden dort gesetzt, wo sich häufig Unfälle ereignen oder die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich Unfälle ereignen werden“, so Liebel.

Unter diesen Vorzeichen werden laut Polizei bestimmte Strecken besonders intensiv kontrolliert. Gleich vier der fünf Messstellen in Rheinland-Pfalz, an denen es am häufigsten blitzt, liegen an der A3. Und zwar bei

  • Montabaur in Richtung Köln
  • Neustadt/Wied in Richtung Frankfurt
  • Windhagen in Richtung Frankfurt
  • Heiligenroth in Richtung Frankfurt

Der fünfte „erfolgreiche“ Blitzer in Rheinland-Pfalz steht laut Polizei auf der A61 bei Speyer in Richtung Hockenheim. Genaue Zahlen zu den einzelnen Blitzern kann sie nicht vorlegen: Aus Gründen des Datenschutzes und den damit verbundenen (kurzen) Löschfristen liegen nicht mehr alle Daten aus 2024 vor, heißt es.

Bei den Messstellen handelt es sich laut Polizei mutmaßlich um stark frequentierte Strecken mit hohem Pendler-, Transit- und Urlaubsverkehr. Weitere Gründe dafür, dass der Blitzer häufig auslöst, können die Verkehrsführung sein oder dass Fahrerinnen und Fahrer die Messstelle womöglich schlecht sehen können, so die Polizei. Ein weiterer Faktor für die hohen Fallzahlen an diesen Stellen: „Die Messintensität“, sagt Polizeisprecher Liebel.

Das Ziel: null Verkehrstote bis 2050

Darum, die Gefahr zu reduzieren, geht es Polizei laut eigener Aussage übrigens auch bei dem Aufreger-Blitzer auf der A61 bei Waldlaubersheim. Dort wurde wegen Bodenwellen eine dauerhafte Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 100 angeordnet. Das für diesen Bereich zuständige Polizeipräsidium Mainz spricht von einer „konkreten Gefahr für die Verkehrsteilnehmer“, die eine Kontrolle dort notwendig mache.

Polizeisprecher Liebel macht gegenüber unserer Zeitung deutlich: Die Verkehrsüberwachung in Rheinland-Pfalz ist engmaschig, er spricht von „flächendeckender Geschwindigkeitsüberwachung“. Mit ihr steigt für Temposünder das Risiko ertappt zu werden. Fahrerinnen und Fahrer sollen so zu einem „verkehrsgerechten und rücksichtsvollen Verhalten“ bewegt und gleichzeitig „schädliche Umwelteinflüsse begrenzt“ werden. Das Ziel ist klar definiert: mehr Verkehrssicherheit, weniger Unfälle, langfristig gar keine Verkehrstoten mehr. „Vision Zero“ lautet das Motto. Liebel erinnert an das Vorhaben auf europäischer und nationaler Ebene, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu senken. Diesem Ziel hat sich auch Rheinland-Pfalz verschrieben – und dazu gehöre auch, dass zu schnelles Fahren konsequent geahndet werde.

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