Der VW-Konzern täuschte Kraftfahrtbundesamt, Mitbewerber wie Käufer systematisch mit illegal manipulierten Dieselautos, um seinen Gewinn zu steigern. Zu diesem Schluss kommt der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz. Weil der Autobauer den Rentner Herbert Gilbert (64) aus dem Dorf Gebroth (Kreis Bad Kreuznach) vorsätzlich sittenwidrig schädigte, ist er zu Schadensersatz verpflichtet, verkündete Vorsitzender Richter Frank-Michael Goebel. Allerdings muss sich Gilbert den Nutzungsvorteil von 5873,90 Euro für gefahrene 52.000 Kilometer anrechnen lassen.
Gilbert ist zufrieden, im Streit gegen den weltweit größten Autobauer die Gerechtigkeit zu erfahren, die er wollte. Er hofft, „dass das Urteil auch anderen Geschädigten hilft und es vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Bestand hat“. Denn der Konzern kündigte sofort an, nach Karlsruhe zu ziehen. „Wir halten das Urteil für rechtsfehlerhaft“, erklärt VW-Sprecher Christopher Hauss.
Gilbert hatte seinen VW Sharan TDI für 31.400 Euro („das teuerste Auto meines Lebens“) im Januar 2014 als Vorführwagen gekauft – auch wegen seiner Umweltfreundlichkeit. „In der Werbung blieb ein Taschentuch, das vor den Auspuff gehalten wurde, blütenweiß.“ Doch dann wurde bekannt: Es war jener Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut, der nach der späteren Erkenntnis des Kraftfahrtbundesamts über eine illegale Abschaltvorrichtung verfügt: Auf dem Messtand bläst er verstärkt Abgase in den Motor zurück, auf der Straße aber in die Luft. Deshalb fühlt sich Gilbert „betrogen“. Er klagte und ließ sich nach einer Niederlage vor dem Landgericht Bad Kreuznach auch nicht von Vergleichsangeboten stoppen, mit denen VW ansonsten Käufer in Serie davon abhält, vor ein OLG oder gar zum BGH zu ziehen.
Deshalb kann Goebel im Koblenzer Bezirk auch erstmals ein Urteil zur Täuschung fällen und Gilbert den Schadensersatz von 25.616,70 Euro plus Anwaltsgebühren und Zinsen zusprechen. Dabei liest der OLG-Richter dem Autobauer die Leviten. Er habe Käufer mit dem Ziel der Gewinnmaximierung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Das Ziel der Verbraucher, sich ein umweltschonendes Auto zu kaufen, sei durch gezielte Täuschung unterlaufen worden – nicht etwa in einem Nischenprodukt, sondern in zehn verschienen Marken.
Goebel hält es zudem für verwerflich, dass das Vertrauen der Verbraucher auch in staatliche, aber ebenfalls getäuschte Behörden erschüttert wurde. Der Schaden liegt für ihn auf der Hand: Ein Auto muss nicht nur fahren können, sondern auch dürfen. Aber dies sei mit der illegalen Technik nicht erlaubt. Der Zivilsenat hält es auch für ausgeschlossen und lebensfremd, dass die millionenfache Manipulation der Konzernspitze völlig unbekannt war.
Von Ursula Samary