Koblenz/Rheinland-Pfalz
VRM-Chef zur Debatte um Preissteigerung beim Deutschlandticket: „Ich wünsche mir endlich Planungssicherheit“
Deutschlandticket
Die Debatten um das Deutschlandticket reißen nicht ab.
Boris Roessler. picture alliance/dpa/Boris Roess

Die Debatten um die Finanzierung des Deutschlandtickets empfindet er als enervierend, die Nutzer von Bus und Bahn werden immer wieder aufs Neue verunsichert: Stephan Pauly Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Mosel in Koblenz wünscht sich in Sachen D-Ticket vor allem Planungssicherheit. Und einen Preis von maximal 54 Euro, wie er im Interview mit unserer Zeitung betont.

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Die Verkehrsminister von Bund und Ländern gehen davon aus, dass der Preis für das am 1. Mai 2023 gestartete Deutschlandticket (D-Ticket) im kommenden Jahr steigen wird. Über die genaue Höhe soll im Oktober entschieden werden. Wir haben Stephan Pauly gefragt, was er dazu sagt – Pauly ist Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Mosel in Koblenz, der den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Norden von Rheinland-Pfalz tariflich steuert. Pauly findet kritische Worte – insbesondere für die Bundesregierung und ihr Verhalten:

Das D-Ticket soll teurer werden. Wie kommentieren Sie als VRM-Chef diese Entwicklung?

Die Haltung der Bundesregierung zur Zukunft des Deutschlandtickets kann ich hinsichtlich der offenen Finanzierungsfragen vor allem aus Sicht unserer Kunden und Kundinnen im ÖPNV nicht nachvollziehen. Die nun schon viele Monate andauernde und auch enervierende öffentliche Diskussion um die Übertragbarkeit nicht verbrauchter Mittel der ursprünglich vom Bund zugesagten Finanzierungsmittel für die Jahre 2023 und 2024 auf das Jahr 2025 verunsichert die Nutzer und Nutzerinnen des ÖPNV sehr. Dazu gehört auch die nicht enden wollende Diskussion um die zukünftige Preisgestaltung des D-Tickets. Zwar hat der Bund nun mit einer sehr kurzfristig veröffentlichten Vorlage des schon lange überfälligen Entwurfs zur Anpassung des Regionalisierungsgesetzes, das die rechtliche Grundlage für die Finanzierung der Tarifausfälle des D-Tickets ist, die erforderliche Grundlage geschaffen, nicht verbrauchte Ausgleichsmittel der Jahre 2023 und 2024 auch auf das Kalenderjahr 2025 übertragen zu können, gleichzeitig aber beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen des Entwurfs zur Gesetzesvorlage des Regionalisierungsgesetzes einen Einbehalt in Höhe von 350 Millionen Euro, der erst nach Vorlage von Verwendungsnachweisen der Länder zur abschließenden Auszahlung kommen soll. Damit würde der konzeptionelle und tarifliche Spielraum der Länder enorm eingeengt, Verkehrsleistungen auf der Schiene in dem ohnehin schon stark eingeschränkten Rahmen weiter umsetzen sowie das D-Ticker kundenorientiert weiterentwickeln zu können. Eine vorbehaltlose, konsequente und glaubwürdige Förderung von SPNV und ÖPNV sieht nicht alleine nach meinem persönlichen Dafürhalten anders aus. Viele Kunden und Kundinnen im VRM fragen sich auch weiterhin, wie die vielbeschworene Verkehrswende gelingen soll, wenn der Bund sich nicht ohne Wenn und Aber hinter die dafür erforderlichen Maßnahmen, wie eine auskömmliche und zukunftsorientierte Finanzierung von SPNV/ÖPNV und D-Ticket stellt? Kann ich mich als Kunde im ÖPNV darauf verlassen, dass es das D-Ticket auch im Jahr 2025 noch gibt?

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Stephan Pauly, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Mosel (VRM)
Martin Boldt

Welchen Monatspreis halten Sie maximal für vertretbar, um die (umwelt-)politischen Ziele des Deutschlandtickets noch zu erreichen? Anders gefragt: Ab welchem Monatspreis ist das D-Ticket kein D-Ticket mehr?

Natürlich würde ich mir eine Beibehaltung des derzeitigen Preises von 49 Euro sehr wünschen! Dafür habe ich mich stets eingesetzt und bin froh darüber, dass eine unterjährige Preiserhöhung, wie sie bereits für den 1. Oktober 2024 seitens des Bundes vorgeschlagen wurde, nun allem Anschein nach vom Tisch ist. Eine Steigerung des Preises für das D-Ticket hielte ich mit einem neuen Preis ab dem 1. Januar 2025 mit höchstens 54 Euro für gerade vertretbar. Die Preisfestlegung sollte dann aber auch zugleich für einen Zeitraum von zwei Jahren erfolgen, denn immerhin würde eine Preiserhöhung auf 54 Euro bereits einer Preissteigerung von etwas als 10 Prozent entsprechen, was den Kunden und Kundinnen sowie potentiellen Interessenten des D-Tickets schon schwierig zu vermitteln wäre. Eine Preiserhöhung auf 59 Euro und damit um mehr als 20 Prozent, wie von einzelnen Vertretern der Branche noch zuletzt gefordert, halte ich jedoch mit Blick mit der von Bundesverkehrsminister Volker Wissing im vergangenen Jahr noch propagierten Zielsetzung des D-Tickets nicht für vereinbar: Mehr Menschen in den ÖPNV und SPNV zu bewegen und damit die politisch gewünschte Verkehrswende zu befeuern, wird so sicher nicht gelingen.

Wie steht es im Verbundgebiet aktuell um die Finanzierung des Tickets?

Klar ist, dass die kommunalen Gesellschafter und Eigentümer der Verkehrsverbund Rhein-Mosel GmbH (VRM) aufgrund ihrer jeweils äußerst angespannten kommunalen Haushalte keinesfalls in der Lage wären, auch nur geringste Finanzierungsausfälle von Bund oder Ländern bei der Finanzierung des D-Tickets zu übernehmen und mit eigenen Haushaltsmitteln auszugleichen. Sollte das Geld für die Finanzierung des D-Tickets nach 2025 tatsächlich nicht mehr ausreichen, steht nach wie vor der Beschluss der am VRM beteiligten Landkreise sowie der Stadt Koblenz, dann gegebenenfalls aus dem D-Ticket vollkommen auszusteigen. Die für das Jahr 2024 im Gebiet des VRM prognostizierten Verluste aus der Anwendung des D-Tickets sind mit circa 44 Millionen Euro viel zu hoch und von den Landkreisen und der Stadt Koblenz finanziell aus eigenen Mitteln ohne Hilfe von Bund und Ländern nicht zu schultern. Immerhin werden ab dem 1. Oktober erstmals über 100.000 Kunden im Gebiet des VRM ausgegebene D-Tickets nutzen, die früher alle deutlich kostspieligere „normale“ Wochen- und Monatskarten hatten.

Aus Ihrer Kenntnis: Wann sind die 2023 gesparten Beträge, die in die Finanzierung des Tickets 2024 fließen sollten, aufgebraucht?

Gemäß des nun kurzfristig vorgelegten Entwurfs zur Anpassung des Regionalisierungsgesetzes könnten nicht verbrauchte Mittel der Jahre 2023 und 2024 nun auch mit den Aufwendungen für das 2025 verrechnet beziehungsweise auf das Jahr 2025 übertragen werden. Damit wären die Beträge der Jahre 2023 und 2024 jedoch spätestens Ende 2025 aufgebraucht.

Was die Finanzierung seitens des Bundes angeht, herrscht bei den Ländern und der Verkehrsbranche weiter Unsicherheit. Wie kommentieren Sie dies?

Wie bereits erwähnt wünsche ich mir im Sinne aller Kunden im ÖPNV/SPNV und damit auch für die kommunalen Aufgabenträger im ÖPNV endlich Planungssicherheit und ein Ende der nun schon mehr als einem Jahr andauernden Diskussion um die Finanzierungsbeiträge des Bundes. Das D-Ticket und dessen Finanzierung müssen endlich und schnellstmöglich gesetzlich fest verankert werden. Die Aufrechterhaltung dieses sehr erfolgreichen Tarifangebotes darf zukünftig nicht mehr nach Kassen- oder Haushaltslage von Bund und Ländern erfolgen. Dazu gehört die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen, die eindeutig klären, wer schlussendlich für die Gestaltung des Preises des D-Tickets und die Aufteilung der bundesweit erzielten Erlöse zuständig und verantwortlich ist. Hier herrscht immer noch keine Klarheit, und selbstverständlich muss auch der VRM finanziell von den außerhalb des VRM erworbenen aber im VRM genutzten D-Ticktes finanziell partizipieren. Die Kunden und Kundinnen im ÖPNV/SPNV erwarten zu Recht verlässliche Aussagen über eine langfristige Weiterführung und Existenz des D-Tickets und der vorhanden Fahrtenangebote im VRM. Wenn diese Planungssicherheit nicht gewährleistet wird, schafft auch niemand seinen Zweit- oder Drittwagen ab, womit zugleich auch die gewünschte und von der Politik propagierte Verkehrswende nicht erreicht werden kann.

Die Fragen stellte Tim Kosmetschke

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